Was die Nationalität über die Wohnungsgrösse aussagt

In der Stadt Zürich leben viele unterschiedliche Menschen aus vielen verschiedenen Ländern. Personen aus Ozeanien wohnen in den grössten Wohnungen, während Personen aus ärmeren Ländern, wie Bosnien, Serbien und Sri-Lanka, in kleineren Wohnungen leben.

Die Stadt Zürich stellt ein ausgezeichnetes Beispiel einer florierenden und wachsenden Stadt dar. Ende 2016 lebten gemäss Angaben der Stadt 415’682 Personen in Zürich. Davon stammen 282’209 aus der Schweiz und 133’473 aus dem Ausland. Ein erster Blick in die Daten verrät, dass die Herkunft einer Person eine grosse Rolle bezüglich der Wohnungsgrösse spielt.
Die erste Abbildung zeigt neben dem Grössenunterschied, dass sich die Wohnungsgrössen der Personen nach dem Zuzug in die Stadt durch Umzüge zwischen den verschiedenen Herkunftsregionen über die Zeit nicht angleichen. Bei genauer Betrachtung dieser Abbildung erkennen wir, dass Personen aus Ozeanien offensichtlich die grössten Wohnungen und Afrikaner, mit etwas Abstand zu den anderen Gruppen, die kleinsten Wohnungen bewohnen. Die restlichen Herkunftsregionen liegen alle relativ dicht beieinander, mit Ausnahme der Schweizer, die sich nochmals etwas von den Ausländern absetzten können und den Personen aus Ozeanien recht nahe kommen.

Abbildung 1: Zeigt die Wohnungsgrösse der Personen als Punkte dar, sowie die durchschnittliche Wohnungsgrösse der verschiedenen Herkunftsregionen von 2008 bis 2016

Doch halten diese Erkenntnisse noch stand, wenn die Länder einzeln betrachtet werden, oder statt der Mittelwerte die Verteilung der Wohnungsgösse betrachtet wird?

Hierfür gilt es die nächste Grafik zu betrachten, welche die Verteilungen der Wohnungsgrösse aus den verschiedenen Herkunftsländern im Jahre 2008, 2012 und 2016 abbildet. Die Verteilung der Wohnungsgrösse ist für fast alle Länder nicht normalverteilt, am ehesten gilt dies noch für Kroatien, sowie für Sri Lanka. Alle anderen Herkunftsländer und Herkunftsregionen weisen entweder eine zu flache und zu breite Verteilung auf, wie Deutschland und die Schweiz oder besitzen gar Ausprägungen mit zwei Höckern, wie Ozeanien, Grossbritannien, Österreich und Frankreich.

Abbildung 2: Verteilung der Wohnungsgrössen für alle Herkunftsländer der Jahre 2008, 2012 und 2016 durch Ridge Plots dargestellt.

Diese verschiedenen Verteilungsformen, die von der Normalverteilung abweichen, deuten vor allem auf erhebliche sozioökonomische Unterschiede innerhalb der Zuzüger aus den jeweiligen Herkunftsländer hin.
Als erstes lässt sich erkennen, dass Personen die aus Ländern wie Brasilien, der Türkei, Mazedonien und der USA stammen, mehrheitlich in kleineren Wohnungen leben. Wobei ein kleinerer Teil ein breites Spektrum von grösseren Wohnungen bewohnt, die deutlich grösser als die des Medians der Gruppe sind. Andere Länder wie Ozeanien, Grossbritannien, Frankreich, Spanien, und Griechenland besitzen Verteilungen mit mehreren Höckern. Dies deutet darauf hin, dass die Personen aus diesen Ländern verschiedensten sozialen Gruppen angehören. Diese Gruppen müssen hierfür in grösserer Anzahl in der Stadt Zürich leben, um in der Grafik jeweils einen Höcker bilden zu können. Hierzu kommen noch Länder wie die Schweiz, die Niederlanden, Deutschland und Österreich, die eine sehr breite Verteilung aufweisen, woraus eine breite und zahlenmässig grosse Mittelschicht resultiert. Dementsprechend unterscheidet sich die Wohnungsgrösse von Herkunftsländer relativ stark, wobei gewisse Länder untereinander eine ähnliche Verteilungen aufweisen. Diese Beobachtungen stützen die Aussage der Abhängigkeit der Wohnungsgrösse des Herkunftslandes.

Wie entwickelt sich die Wohnungsgrösse der Herkunftsländer über die Zeit?

Dank der Animation sind die Veränderungen der Wohnungsgrössen von Jahr zu Jahr für jedes Herkunftsland sichtbar. Dabei lassen sich interessante Entwicklungen beobachten.
Bei Betrachtung der Balkanstaaten Bosnien und Herzegowina, die eine Ländergruppe darstellen, ist auffallend, dass aus diesen Ländern einwandernde Personen nach ihrer Niederlassung, über den gesamten Erhebungszeitraum, die kleinsten Wohnungen bewohnen. Ungeachtet dieses Trends verändert sich die Verteilung dieser Personen in der Stadt Zürich mit zunehmenden Jahren erheblich, da sich die Verteilungsform mit jedem Jahr recht stark verändert. Es fällt vor allem die anfänglich recht homogene Verteilung der Zuzüger auf, die sich dann aber im Laufe der Jahre auf immer unterschiedlicherer Wohnungsgrössen verteilen, wobei die Wohnungsgrösse anfänglich für diese Bevölkerungsgruppe abnimmt und erst gegen Mitte des Erhebungszeitraumes zu wachsen beginnt. Dies lässt darauf schliessen, dass sich aus einer anfangs homogenen Gruppe eine heterogenere Gruppe mit grösseren Unterschiedenen zwischen den einzelnen Personen bildet.
Diese spezielle Entwicklung der Verteilungsform wird von keinem anderen Land durchgemacht. Der Grund hierfür ist schwer zu eruieren, da die restlichen Einwanderungsgruppen dieser Region, wie Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien und Kroatien, diese Entwicklung nicht mittragen. Die restlichen Länder aus dem Balkan weisen von 2008 an eine breite Verteilung mit tendenziell eher abnehmendem Charakter auf. Eine mögliche Erklärung könnte die tiefere sozioökonomische Entwicklung von Bosnien und Herzegowina sein, welche etwas niedriger ist als jene der anderen Staaten dieser Region.

Abbildung 3: Diese Animation zeigt die Wohnungsgrössenverteilung von 2008-2016 der Stadt Zürich für die Top 20 Herkunftsländer

Die nächste interessante Gruppe kommt nicht aus einem einzelnen Land, sondern aus einer ganzen Region. Der Region Ozeanien, welche viele kleine Staaten im Pazifik umfasst, sowie Australien und Neuseeland. Dabei fällt die spezielle Form der Verteilung auf. Anfänglich weist Ozeanien zwei Kurven auf, die von 2008 bis 2012 bestehen bleiben, wobei eine Kurve mit jedem Jahr etwas schwächer wird, bis sie ab 2012 vollkommen verschwindet und die Verteilung nur noch eine Kurve links bei kleineren Wohnungen aufweist. Der Grund hierfür liegt vor allem an der Tatsache, dass es innerhalb Ozeaniens eine Zweiteilung der Staaten gibt. Auf der einen Seite stehen als hoch entwickelte Länder Australien und Neuseeland, während auf der anderen Seite die vielen kleinen Inselstaaten mit einem geringen Entwicklungsstand stehen. Weshalb diese zweite Kurve schlussendlich verschwindet, kann anhand der Daten nicht erklärt werden.
Betrachten wir nun zum Schluss einmal die westeuropäischen Staaten Deutschland, Frankreich und Spanien in Zusammenhang mit der Schweiz. All diese Länder weisen eine sehr breite  und relativ flach ausfallende Verteilung auf, wie sie auch die Schweiz selber aufweist. Diese Ähnlichkeit mit den zugezogenen Schweizern, über den gesamten Zeitraum, lässt darauf schliessen, dass aus allen sozioökonomischen Kreisen dieser Länder, Personen nach Zürich ziehen. Dies erklärt die Ähnlichkeit der Gruppen im Zuzugsjahr. Diese ähnliche Entwicklung lässt sich am besten mit den sehr ähnlichen Bildungsstandards dieser Ländern erklären. Entsprechend spielt die Herkunft für die Wohnungsgösse  tatsächlich eine Rolle, der Grund hierfür liegt schlussendlich in der finanziellen Situation in der sich die Wohnungsbesitzer jeweils befinden, welche je nach Herkunftsland ganz unterschiedlich ausfällt. Überdies verteilen sich die finanziellen Positionen auch ganz unterschiedlich in den Ländern, was Rückschlüsse auf die Verteilungsformen geben sollte.
Zum Schluss fällt auf, dass die Wohnungsgrösse für alle Herkunftsländer mit der Zeit etwas zunimmt, was sicherlich auf der starken baulichen Tätigkeit der Stadt zurückzuführen ist, die zu mehr und grösseren Wohnungen führt, sowie an dem allgemeinen Wachstum der Wirtschaft nach der Finanzkrise von 2008.

Methodische Anmerkungen

Daten:

Die Grafiken und Resultate der Untersuchung beruhen auf Daten des Statistikamtes der Stadt Zürich, die einer Vollerhebung der Einwohner der Stadt entsprechen. Daher war es möglich aus den Daten ein Panel zu bilden, welches alle Personen umfasst, die 2008 in die Stadt zogen und bis Ende 2016 in ihr blieben, was dem Endpunkt der Erhebung des Datensatzes entspricht. Die Herkunftsländer wurden mit historischen Staatsangehörigkeit gemäss der Nomenklatur des Bundesamtes für Statistik definiert, wobei hier nur die Top 20 Nationen einfliessen konnten, für den Rest nur der jeweilige Kontinent. Diese Top 20 wurden für die Übersichtlichkeit bei den Scatterplots noch einmal in verschiedene Regionen zusammengefasst.
Die Regionen setzten sich wie folgt zusammen: Schweiz (Schweiz), Asien (Asien / Indien / Sri Lanka), Europa (Europa, Türkei), Westeuropa (Deutschland / Österreich / Italien / Spanien / Portugal / Grossbritannien / Niederlande / Frankreich / Griechenland), Amerika (Amerika / USA / Brasilien), Afrika (Afrika), Ozeanien (Ozeanien), Balkanstaaten (Serbien / Bosnien und Herzegowina / Montenegro / Kosovo / Kroatien / Mazedonien).
Darüber hinaus wurde die Wohnungsgrösse aus dem Mittel der Wohnungsgrössen in jedem Gebäude ermittelt, da es vor 2013 nicht möglich war die Wohnungen den Personen zuzuweisen. Weshalb die Zahlen mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind.

Statistisches Modell:

Die Erkenntnis, dass die Wohnungsgrösse von der Nationalität abhängt, kann zusätzlich durch eine Regression untermauert werden. Hierbei zeigt sich, dass die Herkunftsregion in allen Fällen einen sehr signifikanten Effekt auf die Wohnungsgrösse aufweist.

Tabelle 1: Zeigt die linearen Regressionsmodelle für die abhängige Variable Wohnungsfläche, wobei die Schweiz als Referenz dient. Alle Koeffizienten mit Sternchen sind signifikant.

Gleichzeitig gilt es aber zu berücksichtigen, dass diese Modelle nur etwa 5 % der Varianz beschreiben können. Dies lässt auf andere Faktoren schliessen, die ebenso einen Einfluss auf die Wohnungsgösse haben. Über diese Faktoren, die die Wohnungsgrösse zusätzlich beeinflussen, lässt sich nur spekulieren, da keine Daten für die vielen infrage kommenden Faktoren vorhanden sind, die in die Regression mit einbezogen werden sollten, wie zum Beispiel den Bildungsstand oder das Einkommen.

Informationen zum Blogbeitrag

Verfasser: Maël Kubli, Matr. Nr: 10-929-297 | mael.kubli@uzh.ch

Abgabe am 17.12.2017 im Rahmen des Forschungsseminars Politischer Datenjournalismus (Herbstsemester 2017)

Dozierende: Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr.  Bruno Wüest und Alexandra Kohler

Wort-Anzahl:  1078

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