Mit Baby im Mobility-Umzugsvan: Wohin junge Zürcher Familien ziehen

Zürichs Innenstadt ist teuer und für Kinder nur bedingt geeignet. Manch ein Zürcher entscheidet sich daher bei der Familiengründung für einen Umzug innerhalb der Stadt. Die beliebtesten Ziele für junge Familien sind die Kreise 7, 11 und 12.

 

Umzug mit Baby, Symbolbild SBB (https://stories.sbb.ch/wp-content/uploads/2016/10/SBB-Mobility-Kinderzimmer-Zgeln-06.jpg [13.12.2017]).

Für junge Eltern kommen im urbanen und teuren Zürich bei der Familiengründung mindestens zwei Fragen auf: Ist unser Quartier kinderfreundlich genug? Und können wir uns den zusätzlich benötigten Wohnraum im jetzigen Quartier überhaupt noch leisten? Viele Eltern können mindestens eine dieser beiden Fragen nicht mit einem „Ja“ beantworten und entscheiden deshalb sich für einen Umzug. Anhand der Daten der Statistik Stadt Zürich lassen sich diese Umzugsbewegungen visualisieren.


Grafik 1: Umzugsbewegungen zwischen den Zürcher Stadtkreisen bei Geburt des ersten Kindes 1995-2014.

Lesehilfe: Die Pfeile zeigen die Umzugsrichtung an und werden breiter, je mehr Familien diese Bewegung absolviert haben. Der grosse hellblaue Pfeil zeigt beispielsweise die Bewegungen vom Kreis 3 in den Kreis 9.

Der Druck auf junge Familien – „Schatz, mir sötted zügle“

Dass Zürich kein billiges Pflaster ist, dürfte bekannt sein. Laut der Mietpreisanalyse des Preisvergleichsdienstes Comparis sind die Mieten in der Limmatstadt schweizweit am teuersten. Man bezahlt durchschnittlich 2324 Franken für eine 3 bis 3.5-Zimmerwohnung. Jedoch zeigt die City-Map der Wohnungsplattform Homegate auch, dass die Mietzinsen bei weitem nicht überall gleich hoch sind: Während man für 70 Quadratmeter an der Kreuzstrasse (Kreis 8) mit fast 3000 Franken rechnen muss, schlägt die Region um den Schwamendingerplatz (Kreis 12) mit lediglich 1700 Franken zu Buche.

Ausgehend von der Annahme, dass die Mietkosten ungefähr einen Drittel des Einkommens nicht überschreiten sollten, ist für viele junge Eltern ein Umzug in ein günstigeres Quartier naheliegend. Bei gleichem Einkommen muss schliesslich ein neues Familienmitglied mitfinanziert werden. Dazu kommt noch eine weitere, zentrale Überlegung: Der Traum vom Eigenheim mit Garten lässt sich im kinderfreundlichen Höngg einfacher erfüllen, als im urbanen und lauten Langstrassenquartier.

Ein Hinweis für diese Tendenz liefert die Stiftung „Wohnungen für kinderreiche Familien„, welche einen Grossteil Ihre Siedlungen am Stadtrand unterhält. Des Weiteren zeugt die deutliche Annahme (76% Ja-Stimmen) der Vorlage „Bezahlbarer Wohnraum in Zürich“ davon, dass sich die Zürcher Stimmbevölkerung für bezahlbaren und kinderfreundlichen Wohnraum ausspricht. Die Vorlage schreibt unter Anderem vor, dass bis 2050 ein Drittel aller Wohnungen in Zürich lediglich kostendeckend vermietet werden dürfen und dabei Rücksicht auf Kinder und Familien genommen werden muss. All diese Faktoren können dazu führen, dass sich ein Paar in die Augen schaut und sagt: „Schatz, mir sötted zügle“.

Von Wiedikon ins Zollfreilager

Doch wie bewegen sich die jungen Familien nun in der Stadt? Die nachfolgenden Grafiken zeigen die Umzüge für vier verschiedene Perioden auf. Dabei wurde analytisch wie folgt vorgegangen: Zuerst wurde ermittelt, wann eine Person ein Kind bekommen hat. Anschliessend wurde geprüft, ob bis zu zwei Jahre später ein Umzug stattgefunden hat. Die untersuchten Jahrgänge 1995-2014 wurden der Übersicht halber in vier Gruppen unterteilt.

Grafiken 2-5: Umzugsbewegungen der Eltern für vier verschiedene Perioden

 

In der Periode 1995-1999 zogen viele frisch gebackene Eltern von Wiedikon in den Kreis 9. Ausserdem war bereits damals  der Kreis 12 bei Eltern extrem beliebt. In keinem anderen Kreis zogen im Verhältnis zum Wegzug mehr Familien hin.

 


Auch 2000-2004 war die grösste Bewegung diejenige vom Kreis 3 in den Kreis 9. Öfters als in der Periode zuvor, wurde der Kreis 5 verlassen. Das beliebteste Ziel dieser Familien war der Kreis 11. Ansonsten blieben die Bewegungen konstant.


Wie auch früher war das Hauptziel der Wiediker 2005-2009  der Kreis 9. Zunehmend zogen auch Personen aus dem Kreis 10 in den Kreis 11, für den Kreis 7 bestätigt sich die konstante Beliebtheit bei jungen Familien.


In den Jahren 2010-2014 entdeckten die Familien aus dem Kreis 12 den Kreis 11 für sich. Beide Kreise  bleiben zusammen mit dem Kreis 7 die beliebtesten für die jungen Eltern. Der Umzug vom Kreis 3 in den Kreis 9 blieben langfristig beliebt: Die neue Überbauung im Zollfreilager, welche Platz für 2000 Menschen schaffte, könnte diese Tendenz mittelfristig noch verstärken.

Von der Langstrasse an den Idaplatz nach Albisrieden

Was kann man aus den Grafiken sonst noch ablesen? Der dominanteste Pfeil führt vom Kreis 3 in den Kreis 9. Die naheliegendste Erklärungen hierfür sind wohl die tieferen Mietpreise und die geringe geographische Distanz.

Interessanterweise ziehen die jungen Familien aus dem Kreis 4 gerne in den Kreis 3. Hier darf gefragt werden, ob eine Art Verdrängung oder doch ein „Ablöseeffekt“ vorherrscht: Es kann auch sein, dass die ehemaligen Bewohner des vierten Stadtkreises auch als Eltern ein Bedürfnis nach Urbanität haben.

Die Graphiken zeigen jedoch in erster Linie aber, dass die Bewegungen der Zürcher Familien konstant sind. Andererseit ist ersichtlich, dass  die Kreise 7, 11 und 12 deutlich beliebter als die Kreise 1, 4 und 5 sind.

Fluchtort City – Familienparadies Oerlikon

Die zentrale Frage dieses Artikels ist, welche Kreise die klassischen Aufbruchs- und Zielquartiere junger Zürcher Eltern sind. Die Antwort auf diese Fragen wird mit der folgenden Grafik gegeben.

Grafik 6: Aggregierte Umzugsbewegungen 1995-2015 für alle Zürcher Stadtkreise mit dem Verhältnis von Hinzug und Wegzug

Die Innenstadt ist bei jungen Eltern am unbeliebtesten. An keinem anderen Ort ziehen verhältnismässig mehr Familien weg als hin, mit einer Quote von fast 1:3. Dies ist wenig verwunderlich: Die Wohnungen in der City sind teuer, es stehen weniger Spielplätze und Wiesen als beispielsweise im Kreis 12 zur Verfügung. Auch die Kreise 4, 5 und 8 werden deutlich öfters verlassen als neu gewählt. Sie sind eher teuer und die ersten beiden wohl nur bedingt kinderfreundlich.

Einer konstanten Beliebtheit erfreuen sich die Kreise 7, 11 und 12. Nirgends ist das Hinzugsverhältnis höher, der Kreis 11 zieht sogar in absoluten Zahlen am meisten neue Familien an. Das erstaunt wenig: Diese Kreise sind tendenziell kinderfreundlich und die Mietpreise in den Kreisen 11 und 12 sind mitunter die günstigsten der Stadt.

Mit Fokus auf den Kreis 3 fällt weiter auf, dass Familien diesen eher verlassen, Wiedikon aber gleichzeitig zu den Top-2 Zielen für Familien aus dem Kreis 4 zählt. Auch dies spricht für den oben aufgeführten Verdrängungseffekt.

Familien an den Stadtrand

Es zeigte sich, dass sich trotz steigender Mietpreise das Umzugsverhalten der jungen Familien in Zürich wenig verändert hat. Über alle untersuchten Jahre hinweg verlassen die Familien die urbanen und teuren Kreise und ziehen an den Stadtrand.  Am Stadtrand ist  Wohnraum günstiger und es hat mehr Spielwiesen und Gspändli für die Kinder. Ob der effektive Grund für den Umzug nun das bezahlbare Einfamilienhaus mit Garten oder die vielbefahrene Badenerstrasse ist: Die Zürcher Familien ziehen um und die Stadt bleibt dynamisch.

Datengrundlage und Methodik

 

Die für die Umzugsgrafiken verwendeten Daten stammen allesamt aus dem Bevölkerungsdatensatz der Statistik Stadt Zürich, welcher eine Gesamterhebung der Jahre 1993-2016 darstellt. Da es sich hierbei um offizielle Daten handelt, kann die Legitimität der Daten kaum angegriffen werden. Durch die Anonymisierung sowie dem Fehlen sozioökonomischen Variablen ist eine tiefergehende Analyse dieser Thematik jedoch erschwert.

Die Mietpreisdaten, sowohl von Comparis als auch von Homegate sind auch aus einer vertrauenswürdigen, wenn auch privatwirtschaftlichen, Quelle. Sie beziehen sich jedoch nur auf inserierte Wohnungen: Gerade in der Stadt Zürich, mit ihrer grossen Dichter an Genossenschaftswohnungen und dynamischen Wohnmarkt, sind die Mietpreise tendenziell zu hoch ausgewiesen.

Es wurde mit R-Studio gearbeitet. Im Bevölkerungsdatensazt wurde für jede Person eruiert, ob sie zu einem Zeitpunkt kinderlos war und zu einem späteren Zeitpunkt Kinder hatte. Wenn dem so war, wurde das Geburtsjahr des ersten Kindes berechnet. Danach wurde der Wohnkreis zwei Jahre vor und zwei Jahre nach der Geburt verglichen. Wenn ein Unterschied festgestellt wurde, so galt dies als Umzug aufgrund Familiengründung. Diese Bewegungen wurden mit „circlize“ dargestellt. Weiter konnten mithilfe von „ggplot2“ dargestellt werden, wieviele hin- respektive wegzogen sind und was das Verhältnis dieser Kennzahlen für die Jahre 1995-2014 ist.

R-Skript_Schnell

Schliesslich muss darauf hingewiesen werden, dass die Analyse rein deskriptiver Natur ist und keine kausalen Aussagen zulässt.

Anhang und Literaturverzeichnis

 

Autor: Mathis Schnell (13-745-716)
Kontakt: Mathis.schnell@uzh.ch

Eingereicht am 17.12.2017
Anzahl Wörter (ohne Einleitung & Anhang): 1036

Im Rahmen des Forschungsseminars Politischer Datenjournalismus bei Alexandra Kohler, Prof. Dr. Fabrizio Gilardi und Dr. Bruno Wüest am Institut für Politikwissenschaften der Universität Zürich, im Herbstsemester 2017

Quellen:
– Zürcher Mietpreisindex, Basis 1993
(https://www.stadt-zuerich.ch/prd/de/index/statistik/themen/bauen-wohnen/mietpreise/mietpreisindex/mietpreisindex.html [13.12.2017]).
– Stadt Zürich, vergangene Abstimmungen
(https://www.stadt-zuerich.ch/portal/de/index/politik_u_recht/abstimmungen_u_wahlen/vergangene_termine/111127.html#gemeindeabstimmung [29.11.2017]).
– Stadt Zürich, Stiftung für Kinderreiche Familien
(https://www.stadt-zuerich.ch/fd/de/index/das_departement/departementssekretariat_aufgaben/stiftung_wohnungen_fuer_kinderreiche_familien.html [29.11.2017]).

Daten:
– Statistik Stadt Zürich, Bevölkerungsdatensatz
– Homegate, City-map Zürich
(https://blog.homegate.ch/de/wer-zahlt-wieviel-fuer-seine-stadtwohnung/ [29.11.2017]).
– Comparis, Mietpreisvergleich
(https://www.comparis.ch/comparis/press/medienmitteilungen/artikel/2016/immobilien/monatsmiete-vergleich/mietpreise-staedte [29.11.2017]).
– Titelbild: SBB, Mobility
(https://stories.sbb.ch/wp-content/uploads/2016/10/SBB-Mobility-Kinderzimmer-Zgeln-06.jpg [13.12.2017]).
– Zollfreilager, Geschichte
(https://freilager-zuerich.ch/quartier/geschichte/ [13.12.2017]).

Alle Aussagen beziehen sich auf alle Geschlechter.

 

 

1 comment

  1. Vielen Dank für den Blog. Zügeln vor allem mit Kindern ist nie günstig. Daher ist Planung und Organisation und Recherche wie Zum Beispiel bei einer passenden Zügelfirma immer vorteilhaft.

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