Twitter: Diese Themen beschäftigen unsere Parteien

Über welche Themen unterhalten sich Vertreter unserer Parteien auf Twitter am häufigsten? Eine Analyse von mehr als 1‘600 Schweizer Parteien-Accounts gibt Auskunft. 

Twitter Titelbild

 

Das Twitter-Universum ist riesig: 288 Millionen Nutzer hat der Mikroblogging-Service weltweit, alleine in der Schweiz sind schätzungsweise über eine halbe Million Accounts registriert. Um in diesem konstanten Strom von Nachrichten nicht den Überblick zu verlieren, kennzeichnen viele Twitter-Nutzer ihre Tweets mit Hashtags. So ordnen sie ihre Beiträge selbst einem oder mehreren Themen zu. Eben jene Hashtags erlauben es uns auch herauszufinden, was auf Twitter diskutiert wird. Betrachten wir also eine Auswahl von 1’645 Schweizer Parteien-Accounts, erhalten wir Auskunft darüber, welche Themen bei den einzelnen Parteien in den vergangenen Monaten die meisten Reaktionen auslösten.

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Darstellung: Die Hashtags werden in einer Wordcloud dargestellt. Je grösser ein Wort abgebildet ist, desto häufiger wurde es auf Twitter als Hashtag genutzt. Dargestellt sind alle Hashtags, die von den 1’645 analysierten Parteien-Accounts in den vergangenen Monaten verwendet wurden.

 

Der meistverwendete Hashtag der analysierten Twitter-Accounts ist #enld und bezieht sich auf die RTS-Radio-Sendung „En ligne directe“. Daneben sind mit #chvote und #abst14 zwei Hashtags vertreten, welche direkt auf die Volksabstimmungen in der Schweiz verweisen. Werden aber nur themenspezifische Hashtags berücksichtigt, ergibt sich ein aufschlussreicheres Bild:

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Darstellung: Diese Wordcloud berücksichtigt nur Themen. Nicht miteinbezogen wurden Verweise auf einzelne Parteien, politische Sendungen, Veranstaltungen und Orte.

 

Die Top Ten Themen

Fasst man verschiedene Hashtags (z.B. #ecopop#ecopopnein, etc.) zu gleichen Themen (z.B. Ecopop) zusammen, ergibt sich folgende Rangliste der meistdiskutierten Themen auf Twitter:

Thema Anzahl Hashtags
1. Ecopop 3865
2. Gripen 3741
3. Masseineinwanderung 1741
4. Charlie Hebdo 1737
5. Einheitskasse 1608
6. Mindestlohn 1562
7. Familieninitiative (CVP) 1464
8. Abschaffung der Pauschalbesteuerung 1005
9. Energie- statt Mehrwertsteuer 897
10. FC Basel 883

 

  1. Ecopop: Gemessen an den Hashtags erlangte kein anderes politisches Thema derart viel Aufmerksamkeit wie Ecopop. Obwohl keine der grossen Parteien eine Ja-Parole herausgab, wurde das Thema am häufigsten diskutiert. Dies widerspiegelt auch die äusserst hohe massenmediale Beachtung, die der Initiative gewidmet wurde. Nach der knappen Annahme der „Masseneinwanderungsinitiative“ ein halbes Jahr zuvor geriet die Diskussion um Ecopop auf Hochtouren. Schlussendlich wurde die Vorlage am 30. November 2014 vom Volk aber deutlich abgelehnt und das Thema verschwand bald wieder aus den Tweets.
  1. Gripen: Die Abstimmung um die Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen im Mai 2014 erregte die Gemüter fast genau so stark wie Ecopop. Wie ein Blick auf die Wordclouds  der einzelnen Parteien (siehe unten) zeigt, ist die starke Präsenz des Themas auf Twitter nicht zuletzt auch den Gripen-Gegnern zu verdanken. Während #gripen bei den Befürwortern (SVP, FDP, CVP) nur durchschnittlich häufig vertreten ist, landet er bei den Gegnern (SP, Grüne, GLP) jeweils auf den vordersten Plätzen der meistverwendeten Hashtags. Dies zeigt, wie sehr die linken Parteien den Abstimmungskampf dominierten. Gleich wie bei Ecopop wurde auf Twitter vor allem im Vorfeld über das Thema diskutiert.
  1. Masseneinwanderungsinitiative: Die starke Aufmerksamkeit, die der MEI auf Twitter gewidmet wurde, reflektiert zusammen mit Ecopop den starken Fokus auf die Zuwanderungsproblematik. Ähnlich wie bei der Ecopop-Initiative liess auch das Interesse an der MEI bis zum Abstimmungssonntag kaum nach, zumal Experten auch hier einen offenen Ausgang nahelegten. Im Gegensatz zu Ecopop führte die knappe und zuweilen überraschende Annahme bei dieser Vorlage dazu, dass das Thema auch nach der Abstimmung noch lange und häufig diskutiert wurde. In den Medien gehört die MEI zusammen mit der Abzockerinitiative vom März 2013 zu den am meistbeachteten Initiativen der letzten Jahre.
  1. Charlie Hebdo: Der Anschlag, die im Januar 2015 auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ in Paris verübt wurde, löste auf Twitter weltweit zahllose Reaktionen aus. Mit #jesuischarlie bekundeten Millionen von Menschen innerhalb von Stunden Solidarität mit den Opfern und machten den Hashtag zu einem der meistbenutzten in der Geschichte Twitters. In der Schweiz nutzen Twitterer aller Parteien einen solchen Hashtag, lediglich Vertreter der SVP hielten sich mit dem Hashtag zurück.
  1. Einheitskasse: Die von SP, Grünen sowie Patienten- und Konsumentenorganisationen eingereichte Initiative „Für eine öffentliche Krankenkasse“ hatte von Beginn an keinen einfachen Stand: Sie wurde von Mitte- und Rechtsparteien sowie Wirtschaftsverbänden geschlossen und vehement bekämpft. Auf Twitter traten insbesondere Vertreter der FDP als Gegner der Vorlage auf. Auch von den Medien wurde sie überdurchschnittlich stark beachtet. Der Initiative wurden aber schon im Vorfeld eher geringe Chancen zugerechnet und so wurde sie dann im September 2014 von fast zwei Dritteln der Bevölkerung abgelehnt.
  1. Mindestlohn: Die Initiative „Für den Schutz fairer Löhne“ verlor den Kampf um die Aufmerksamkeit des Stimmvolks gegen die Gripen-Vorlage, über welche am gleichen Tag abgestimmt wurde. Wie schon bei der Einheitskasse traten auf Twitter auch hier vor allem die Gegner in Erscheinung – allen voran Vertreter der FDP. Auch in den Massenmedien kam der Initiative grosse Beachtung zuteil, im Vergleich zu früheren Abstimmungsvorlagen zur Lohnproblematik war die Aufmerksamkeit aber relativ schwach. Da selbst das linke Lager nicht geschlossen hinter der Vorlage stand, scheiterte der Mindestlohn an der Urne schliesslich an einem 76,3 Prozent Nein-Anteil.
  1. Familieninitiative (CVP): Von den 2148 Hashtags, die dem Thema Familieninitiative zugeordnet werden können, beziehen sich schätzungsweise 68 Prozent auf die CVP-Familieninitiative, über welche im März 2015 abgestimmt wurde. Der Rest steht im Bezug zur SVP-Vorlage vom November 2013 mit dem Titel «Familieninitiative: Steuerabzüge auch für Eltern, die ihre Kinder selber betreuen». Der CVP-Initiative wurden anfangs gute Chancen zugerechnet, aber je näher der Abstimmungstermin rückte, desto geringer wurde der Rückhalt in der Bevölkerung. Ein Blick auf die einzelnen Parteien zeigt, dass die überwältigende Mehrheit der #familieninitiative von CVP-Twitterern versendet wurde. Für die anderen Parteien war die Vorlage kein grosses Gesprächsthema. Auch in den Medien fand die Initiative kaum Beachtung. Schlussendlich wurde die Vorlage vom Volk mit 75,4 Prozent deutlich abgelehnt.
  1. Abschaffung der Pauschalbesteuerung: Obwohl die SP und die Grüne die Initiative der Alternativen Linke befürworteten, taucht das Thema bei ihnen nicht in den meistbenutzten Hashtags auf. Lediglich die FDP, welche sich klar gegen die Initiative stellte, nutzte #forfaitsfiscaux, um für ein Nein zu werben. Medial stand die Vorlage zwar deutlich im Schatten von Ecopop, fand aber dennoch überdurchschnittliche Beachtung. Während sich zu Beginn des Abstimmungskampfes noch keine eindeutige Tendenz zeigte, zeichnete sich gegen Ende eine Niederlage für die Initianten ab.
  1. Energie- statt Mehrwertsteuer: Die erste Volksinitiative der Grünliberalen stand seit Beginn unter einem schlechten Stern: Die GLP konnte keine der grossen Parteien von der Vorlage überzeugen. Auf Twitter widerfuhr der GLP ein ähnliches Schicksal wie der CVP zur gleichen Zeit mit der Familieninitiative: Bereits im Vorfeld als chancenlos abgestempelt und medial grösstenteils ignoriert, interessierte sich auch auf Twitter kaum jemand für die Vorlage. Die GLP versuchte verzweifelt, mit #viesm (Volksinitiative Energie- statt Mehrwertsteuer) Befürworter zu gewinnen. Die Vorlage erwies sich aber als zu radikal und fuhr der jungen Partei eine historische Niederlage ein.
  1. FC Basel: Der Fussballclub, auf welchen sich #rotblaulive bezieht, geniesst besonders unter den Basler Sozialdemokraten grosse Beliebtheit. Unter den Fans befindet sich auch SP-Nationalrätin Silvia Schenker, die regelmässig Tweets mit dem Hashtag kennzeichnet.

 

Ecopop, MEI und Gripen bei allen Parteien ein grosses Thema

Folgende Grafiken zeigen, wie häufig die jeweiligen Parteien auf Twitter auf einzelne Themen verweisen: (Zum Vergrössern auf das Bild klicken)

 

Drei Arten von Vorlagen

Die Analyse der Hashtags ergibt, dass sich Vertreter der Parteien auf Twitter grösstenteils über nationale Abstimmungsvorlagen unterhalten. Dabei kann hauptsächlich zwischen drei verschiedenen Arten von Vorlagen unterschieden werden:

  • Die Umstrittenen: Ecopop, Gripen und die Masseneinwanderungsinitiative erwiesen sich als Themen, die auf Twitter polarisierten. Gleichzeitig gehören sie bei allen Parteien zu den am häufigsten diskutierten Themen – egal ob die Parteien im Abstimmungskampf nun als Befürworter oder Gegner auftraten. Das grosse Interesse widerspiegelte auch die ausserordentliche Medienaufmerksamkeit, welche diesen Vorlagen zuteil kam.
  • Die Bekämpften: Die Initiativen zur Einheitskasse, zum Mindestlohn und zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung haben gemeinsam, dass sie einerseits von den Medien überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit geschenkt bekamen. Andererseits wurden die Diskussionen auf Twitter eindeutig von den Gegnern der Vorlagen dominiert, während sich die Befürworter wenig dazu äusserten.
  • Die Verzweifelten: Bei den Initiativen „Energie- statt Mehrwertsteuer“ und „Familie stärken“ handelt es sich um Vorlagen, denen bereits im Vorfeld nur geringe Chancen zugesprochen wurden. Massenmedial fanden diese Themen kaum Beachtung und auch auf Twitter kam keine Diskussion zwischen den verschiedenen Parteien zustande. Lediglich die Initianten versuchten die Vorlagen mit dem häufigen Gebrauch gewisser Hashtags zu thematisieren.

 



Autor: Pascal Burkhard
Blog im Rahmen des Forschungsseminars „Policy Analyse: Politischer Datenjournalismus“ (HS15)
Dozent: Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Michael Hermann, Dr. des. Bruno Wüest, Dr. Sarah Bütikofer
Daten: Universität Zürich
Worte: 1303

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