FDP – Sieger unter den Abstinenten

Die FDP macht aus ihrem moderaten Anteil am Twitter-Traffic am meisten für den Abstimmungskampf und schlägt sogar die aktivere SPS. Doch scheint Twitter kaum eine breit akzeptierte Plattform für den Abstimmungskampf zu sein.

Mit der Verbreitung der Sozialen Medien hat der Abstimmungskampf neue Plattformen erhalten. Neben Inseraten, Flyern und Plakaten sind neue Kanäle entstanden, um Abstimmungskampf zu betreiben. Im „regulären“ Abstimmungskampf spielt Geld eine wichtige Rolle. Dies entfällt bei den Sozialen Medien und ermöglicht den Politikern über kostenfreie Kanäle mit den Abstimmenden zu kommunizieren und so Abstimmungskampf zu betreiben.
Spätestens die Masseineinwanderungsinitiative vom 09. Februar 2014 hat gezeigt, dass Twitter auch für die Schweiz nicht vernachlässigt werden kann. An Abstimmungssonntagen werden tausende Tweets veröffentlicht. An diesen Tagen ist das politische Gezwitscher besonders gross. Dies gipfelte im tweet-Rekord vom 09. Februar 2014 zum Hash-Tag „#abst14“ mit über 9000 Tweets. Doch wie sieht das Twitterverhalten der PolitikerInnen im Abstimmungskampf vor den entscheidenden Wochenenden aus? Um diese Frage zu beantworten, wurden die Abstimmungskämpfe zu den vier eidgenössischen Abstimmungsterminen 2014 analysiert. Betrachtet wurde immer der Monat vor dem Abstimmungswochenende.

Abstimmungskampf auf Twitter

Überraschend verbuchte die FDP mit einem Anteil von 17.7% die meisten Tweets zu den Themen der Abstimmungen. Knapp geschlagen wurde die SPS, die mit 17.6% nur hauch dünn den Spitzenplatz verpasste. Dieses Ergebnis überrascht.

Grafik 1 (Quelle: Twitter/Datensatz Bruno Wüest, IPZ UZH)

Die NZZ vermochte zu zeigen, dass die Bundesparlamentarier der linken Parteien, insbesondere der SPS, auf Twitter besser vernetzt und aktiver sind, als ihre bürgerlichen KollegInnen. Der hier verwendete Datensatz geht jedoch weiter und bezieht nicht nur BundesparlamentarierInnen in die Untersuchung mit ein, sondern alle PolitikerInnen mit bekanntem Twitteraccount. Für die breitere Basis der PolitikerInnen lässt sich dieser Befund nur bedingt übertragen, dass die Linke aktiver als die anderen Parteien ist. Wie in Grafik 1 dargestellt, twitterte die SPS mit einem Anteil von 21.9% in den Zeiträumen der Abstimmungskämpfe, wie zu vermuten war, am meisten. Doch bereits auf Platz 2 folgt die SVP, die mit einem Anteil von 16.6% am gesamten Twitteraufkommen der PolitikerInnen, die CVP (14.9%) auf den 3. Platz verweist. Wenn nun nicht das Total der Tweets betrachtet wird, sondern die Tweets zu den abstimmungsrelevanten Themen der Vorlagen, zeigt sich ein anderes Bild.

FDP als Spitzenreiter bei abstimmungsrelevanten Tweets

Stammen lediglich 12.2% des allgemeinen Twitteraufkommens der PolitikerInnen aus dem Lager der FDP, was nur dem 5. und drittletzten Platz gleichkommt, so sind sie mit einem Anteil von 17.7% an abstimmungskampfrelevanten Tweets die Spitzenreiter (Grafik 1). Die SPS kommt, wie Grafik 1 zeigt, mit einem Anteil von 17.6% der abstimmungsrelevanten Tweets nur knapp geschlagen auf den 2. Platz. Doch ist sie neben der SVP eine der zwei Parteien, die zum Abstimmungskampf prozentual weniger twittert, als sie am gesamten Twitter-Aufkommen beteiligt ist. Der dritte Platz kann die SVP für sich verbuchen und kommt auf einen Anteil von 16.0%.

Twitter noch keine alternative Abstimmungskampf-Plattform

Grafik 2 (Quelle: Twitter/Datensatz Bruno Wüest, IPZ UZH)

Die Analysen zur Twitter-Nutzung der Parteien im Wahlkampf müssen aber mit einer gewissen Skepsis genossen werden. Wie Grafik 2 illustriert, sind von den 126’728 Tweets, welche die PolitikerInen in den Untersuchungsperioden veröffentlichten, lediglich 9109 Tweets dem Abstimmungskampf zuzurechnen. Dies überrascht, da bereits die allgemeingebräuchlichen Hash-Tags „#CHvote“ und „#abst14“ die Tweets dem Abstimmungskampf zuordneten. Auch mit erweiterter Suche über die abstimmungsspezifischen Hash-Tags und der Einbezug von Stichworten zu den Abstimmungen blieb die Anzahl der Tweets, welche dem Abstimmungskampf zugerechnet werden können sehr klein. 9109 Tweets in 4 Perioden à einem Monaten Abstimmungskampf sind nicht viel und diese Tatsache wirft die Frage auf, ob Twitter für die Schweizer Parteien im Wahlkampf überhaupt als seriöse, alternative Plattform für Abstimmungskampf betrachtet wird. Dieser Befund deckt sich mit dem Befund zum Wahlkampf und lässt den Schluss zu, dass Twitter in der Schweizer Politik noch eher stiefmütterlich behandelt wird.

Untersuchungszeitraum:
Für die Untersuchung des Abstimmungskampfes wurde vor jedem Abstimmungswochenende jeweils 1 Monat betrachtet.
Periode 1: 09.01.2014 – 07.02.2014
Periode 2: 18.04.2014 – 16.05.2014
Periode 3: 28.08.2014 – 26.09.2014
Periode 4: 30.10.2014 – 28.11.2014

Datensatz:
Die Untersuchung beruht auf dem Datensatz von B. Wüest (IPZ UZH), der die Tweets und Daten von 1645 Twitter-Accounts von schweizer PolitikerInnen kummuliert

Autor: Thomas Müller / 03-708-815 / thoeme.m@gmail.com
Für: Seminar Policy-Analyse: Politischer Datenjournalismus (FS 2015)
Dozenten: Dr. S. Bütikofer, Prof. Dr. F. Gilardi, Dr. M. Hermann und Dr. des. B. Wüest.
Abgabedatum: 29.03.2015
Worte: 580

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