Die Bundesratswahlen 2015 – Ein Gewitter in den Medien, ein laues Lüftchen auf Twitter

Die Bundesratswahlen 2015 versprachen nach den Nationalratswahlen im Oktober Spannung vor und während des Wahltages. Auch auf Twitter wurde darüber spekuliert, wer zu den Wahlen antritt und wer sich am Schluss Bundesrat nennen darf. Folgend wird dargestellt, welche Hashtags am meisten benutzt wurden und welche nur wenig Anklang auf dem sozialen Netzwerk fanden. Ein Rückblick auf die Wahlen und die Wochen zuvor aus der Sicht von Twitter und den verwendeten Hashtags.

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Nationalrätin Natalie Rickli am Mobiltelefon (Bild: Keystone/Alessandro Della Valle)

Nach den National-und Ständeratswahlen am 18. Oktober 2015 begannen die Spekulationen und Gerüchte um die anstehenden Bundesratswahlen vom 9. Dezember 2015. Die SVP machte sich nach ihrem Sitzgewinn von 11 Sitzen bemerkbar und forderte vehement einen zweiten Sitz im Bundesrat. Es wurden von der SVP selbst und auch von allen anderen Parteien Namen von möglichen Kandidaten ins Spiel gebracht. Nicht nur in der Wandelhalle des Bundeshauses werden die zukünftigen Bundesräte unter die Lupe genommen. Auch die wichtigsten Print- und Onlinemedien untersuchen das Kandidatenkarusell und heben den einen oder anderen Politiker bereits virtuell in das Amt des Bundesrates. Ebenso geben auf Twitter die Politiker, Journalisten und Politikwissenschaftler ihre Kommentare zu den bevorstehenden Bundesratswahlen und den möglichen taktischen Spielereien mit verschiedensten Kandidaten ab. Dazu werden zur Kennzeichnung der Wortmeldungen unterschiedliche Hashtags benutzt, welche Gegenstand der Untersuchung sind. In den sozialen Medien brodelt normalerweise die Volksseele und es werden emotionale Tweets abgesetzt. Der Vergleich der Stimmungen zeigt üblicherweise eine nüchterne Darstellung in den klassischen Medien und eine hoch emotionale Angelegenheit in den sozialen Medien. In diesem Fall zeigt die Analyse der untersuchten Tweets aber ein anderes Bild.

Bereits am Wahlsonntag wurde die BDP mit der Frage konfrontiert, wie es mit ihrer Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf weitergeht, ob sie nochmals antritt und wenn ja, wie sie sich ihre Wahlchancen ausrechnen. Es wurde stets abgeblockt und auf die Bundesrätin selbst verwiesen. Eveline Widmer-Schlumpf vertröstete die Journalisten auf einen späteren Zeitpunkt. Dies heizte die Spekulationen in den Medien umso mehr an. Es wurde bereits vom sicheren Rücktritt geschrieben und was dies für die Bundesratswahlen im Dezember bedeutet. Gleichzeitig gab es auch Stimmen in den Medien, welche immer noch mit Widmer-Schlumpf als amtierende Bundesrätin bei den Wahlen rechneten. Am 28. Oktober 2015 platzt dann die Bombe: Eveline Widmer-Schlumpf tritt auf Ende des Jahres 2015 zurück. Auf Twitter sorgt nur die Medienkonferenz von Widmer-Schlumpf für Furore. Die Anzahl Tweets stiegen nach der Ankündigung der Konferenz an und erreichten am Tag des Rücktritts mit 311 Tweets zu den Stichworten #EWS und #Widmer-Schlumpf ihren Zenit. In den Tagen davor bleibt es im Vergleich mit der Medienlandschaft ruhig. Es wurden nur wenige Tweets zu Widmer-Schlumpf verfasst. Auch bereits am Tag danach wurden mit 81 Wortmeldungen deutlich weniger gezwitschert.

Nur am Tag der Bundesratswahlen selbst wurden noch einmal einige Tweets, nämlich genau 98, zu diesen Stichworten versendet. Diese zahlreichen Tweets entstanden wohl auch als Reaktion der Abschiedsrede der abtretenden Bundesrätin. Die Reaktionen fielen nicht nur positiv aus, was dieser Tweet zeigt:

Ebenfalls am Wahlsonntag wurde der Sieg der SVP mit 11 Sitzen gefeiert. Die Ansprüche der grössten Partei im Nationalrat wuchsen und es wurde einen zweiten Sitz gefordert. Die Kandidatensuche lief danach aber nicht ganz reibungslos ab. Es wurden nicht nur etliche Namen innerhalb der SVP diskutiert. Auch die Ausschlussklausel aus der SVP im Falle einer Annahme der Wahl als nicht-offizieller Kandidat und dann das Dreierticket nach der Bestimmung eben dieser Kandidaten galt als wichtiges Thema in den Medien zur Bundesratswahl 2015. Nur auf Twitter kam diese Meldung nicht an. Die Bemerkungen im sozialen Netzwerk zu diesen Themen waren sehr spärlich. Nach der Fraktionssitzung der SVP am 20. November wurde das bereits erwähnte Dreierticket offiziell und die Kandidaten waren bestimmt. Die Wortmeldungen zu den Stichworten „Ausschlussklausel“, „Dreierticket“ und „SVP Bundesrat“ waren von Beginn weg sehr spärlich vorhanden. Sie fanden auch zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Dreiertickets nur wenig Anklang und wurden erst am 9. Dezember zur Wahl mehr als 20 Mal verwendet. Obwohl die Ausschlussklausel in den Medien breit ausgeschlachtet wurde, ging diese auf Twitter also völlig vergessen.

Auch die drei offiziellen Kandidaten der SVP Aeschi, Gobbi und Parmelin erzielten am 20. November mit 70 Tweets pro Tag ein erstes Zwischenhoch. Wirklich wichtig wurden die Hashtags der Kandidaten erst am 9. Dezember mit 355 Erwähnungen. Das Interesse auf Twitter stieg zu Beginn des Tages der Bundesratswahlen stark an, flachte aber bereits am nächsten Tag wieder merklich ab. Der Online Blog Politan untersuchte bereits die Verteilung der Hashtags unter den einzelnen Kandidaten in der Woche direkt vor den Bundesratswahlen. Dabei konnte festgestellt werden, dass Aeschi fast 70 Prozent der Tweets zu den offiziellen Kandidaten für sich verbuchen konnte. Der später gewählte Bundesrat Parmelin musste sich mit Gobbi die restlichen Erwähnungen teilen. Bei der Betrachtung der Anzahl Tweets zu den drei Kandidaten über einen längeren Zeitraum wird ein ähnliches Bild ersichtlich. Im Gegensatz zur Grafik von Politan wurde in der folgenden Darstellung auch der Wahltag selbst und die folgenden Tage berücksichtigt. Dabei ist klar, dass Guy Parmelin als neu gewählter Bundesrat stark oben ausschwingt. Über ihn wurden mehr als doppelt so viele Tweets geschrieben, wie über den zweitplatzierten Thomas Aeschi.


Anzahl Tweets zu drei offiziellen SVP-Kaniddaten

Die übrigen Kandidaten der SVP und die mögliche Sprengkandidatin Viola Amherd wurden auf Twitter bereits früh aus dem Rennen geschrieben. Obwohl die Medien noch den einen oder anderen Politiker als möglichen Überraschungsbundesrat sahen, fanden sie alle keine grosse Beachtung unter den Twitterern. Einzig am 9. Dezember wurden 35 Tweets zu diesen Stichworten abgesetzt. Diese gehen vor allem auf das Konto der bisher eher unbekannten Viola Amherd. Sie wurde in der Twittergemeinde aber nicht als ernstzunehmende Kandidatin für den Bundesrat betrachtet. Die ihr geschenkte Aufmerksamkeit beruht vor allem auf dem Tweet von Reto Vogt, welcher sich unter den untersuchten Accounts grosser Beliebtheit erfreute.

Die Bundesratswahlen spielten sich auf Twitter vor allem über ein Stichwort ab: „Bundesratswahl“. Es wurden zu keinem Stichwort so viele Tweets abgeschickt, wie zu den verschiedenen Hashtags zur Bundesratswahl 2015. Am Vortag und am Tag der Bundesratswahlen selbst wurden zusammen fast 750 Tweets verfasst. Keine andere Person, weder abtretende Bundesrätin, noch möglicher zukünftiger Bundesrat konnte mit diesen Hashtags mithalten. Auffallend ist neben der starken Zunahme auch die rasche Abnahme der Anzahl Tweets. Die Schnelllebigkeit als Zeichen des sozialen Mediums wird hier gut sichtbar. So schnell die Aufmerksamkeit für die Bundesratswahlen gekommen ist, so schnell war sie auf Twitter auch wieder vorbei. Bereits zwei Tage nach der Wahl dominieren bereits wieder andere Themen die Twittergemeinde. In der untenstehenden Darstellung können die verschiedenen Hashtags durch Klick in der Legende ein- und ausgeblendet werden.


Anzahl Tweets zu den Bundesratswahlen

Obwohl die Bundesratswahlen 2015 im Vorfeld mit einem Rücktritt und möglichen Ausschlüssen für Aufregung in der Medienlandschaft sorgen konnte, liefen die Wahlen auf Twitter ohne grosse Erwähnungen und Überraschungen ab. Der Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesrat war unbestritten. Die drei offiziellen Kandidaten erhielten von einigen Kollegen zwar das Label „nicht wählbar“. Doch aufgrund der Ausschlussklausel der SVP, welche von allen Kandidaten der internen Findungskomission unterschrieben wurde, wurde die Versuchung einen Sprengkandidaten zu finden klein gehalten. Durch den mehr oder weniger reibungslosen Ablauf ohne grosse Überraschungen am Tag der Bundesratswahlen hielten sich auch die Wortmeldungen auf Twitter dazu in Grenzen und sorgten für weniger Gesprächsstoff, als die in den klassischen Medien der Fall war.

Um die Bundesratswahlen auf Twitter zu untersuchen wurde ein Datensatz des Forschungsseminars „Politischer Datenjournalismus“ benutzt. Darin enthalten sind ungefähr 2100 Accounts von Politikern, Parteien und anderen politisch wichtige Personen. Es wurden ca. 1.2 Millionen Tweets zusammengetragen. Von dieser Auswahl wurden die Tweets zwischen dem 18.10.2015 um 11:00 Uhr (Schliessung der Urne am Wahlsonntag) und dem 20.12.2015 12:00 Uhr extrahiert. Diese Tweets wurden danach auf verschiedenste Hashtags und Stichworte geprüft:
Für das Stichwort „Eveline Widmer-Schlumpf“ wurden die Hashtags #EWS und #Widmer-Schlumpf untersucht. Für das Stichwort „SVP-Bundesrat“ wurden die Hashtags #Dreierticket, #Ausschlussklausel und #SVPBundesrat zusammengefasst. In der Stichwortsuche „SVP-Kandidaten“ wurden die Hashtags zu den drei offiziellen Kandidaten #Aeschi, #Gobbi, #Parmelin ermittelt. Unter dem Stichwort „Bunderats-Kandidaten“ wurden alle übrigen Kandidaten #Brand, #Rösti, #Hurter, #Germann und #Amherd zusammengefasst. Ebenfalls wurde unter dem generellen Stichwort „Bundesratswahl“ die Hashtags #BRW15, #BRWahl15, #BRWahlen, #BRWahl, #brw zusammengetragen.

Autor: Lukas Möhr / lukas.moehr@uzh.ch / 11-722-568 / Abgabedatum 17.04.2016
Blog: Im Rahmen des Forschungsseminars Policy Analyse: Politischer Datenjournalismus
Dozenten:  Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Michael Hermann und Dr. des. Bruno Wüest
Wörter: (1090 exkl. Lead, Infobox und Infos)

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