ÖV-Befürworter werden mit mehr Verspätungen bestraft

In der Stadt Zürich werden neue Tramfahrzeuge bestellt und die alten ins Museum geschickt. Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) modernisiert ihre Fahrzeugflotte. Gleichzeitig soll auch die Pünktlichkeit der Verkehrsmittel verbessert werden. Dabei sind die Trams und Busse der Stadt Zürich pünktlicher als man vielleicht glauben mag. Trotzdem werden vor allem die Befürworter des öffentlichen Verkehrs mit höheren Verspätungen bestraft.

Tram
Ein Tram der Linie 17 der Verkehrsbetriebe Zürich kämpft sich durch den Schnee

Der herangeeilte Passagier drückt den Einstiegsknopf, doch das Tram blinkt bereits und fährt ab. An der Bushaltestelle stehen die Wartenden bereits geschlagene 10 Minuten und nerven sich über den zu spät kommenden Bus. Solche Szenen kommen in der Stadt Zürich häufig vor. Der öffentliche Verkehr steht vor allem dann in der Diskussion, wenn er nicht funktioniert. Anfangs Winter, beim ersten Schnee und den daraus resultierenden Verspätungen oder wenn die Fahrzeuge aufgrund hohem Verkehrsaufkommen die Zeit im Fahrplan verpassen. Doch sind die öffentlichen Verkehrsmittel wirklich so oft zu spät? Und wo treten am meisten Verspätungen auf?

Im November 2015 öffnete die VBZ ihre Datenbestände und die Abteilung Open Data Zürich des statistischen Amtes der Stadt Zürich bereitete die Daten für die Öffentlichkeit auf. So wurde jede Fahrt eines Trams oder eines Buses sowie die Soll- und Ist-Ankunftszeit erfasst. Auch die geplanten und tatsächlichen Abfahrtszeiten der jeweiligen Fahrzeuge wurden gesammelt. So konnten die entstandenen Verspätungen pro Haltestelle berechnet werden. Die erhobenen Daten reichen vom 13.09.2015 bis zum 16.04.2016. Über diese Zeit wurde von jeder Woche die durchschnittliche Verspätung berechnet, welche an einer Haltestelle entstanden ist. Diese Verspätungen wurden in einer sogenannten Heatmap dargestellt. Alle Wochen aneinandergereiht, sind diese in folgendem GIF ersichtlich:

Verspätungen_neu
Darstellung der Verspätungen vom September 2015 bis April 2016

In den Wochen 43 bis 45 des Jahres 2015 sind erhöhte Verspätungen ersichtlich. Vom 18. Oktober 2015 bis zum 08. November 2015 wurden im ganzen Netz der VBZ Verspätungen verzeichnet. Obwohl zu dieser Zeit die klimatischen Bedingungen nicht unbedingt zum Nachteil der Fahrzeuge herrschten, mussten die Verkehrsbetriebe Zürich an ihren Haltestellen Zeitverluste beklagen. Auch in den letzten drei Wochen des Jahres 2015 vom 13. bis zum 31. Dezember mussten verspätete Abfahrten in Kauf genommen werden. Ebenfalls können hier die leitenden Personen des VBZs nicht das Wetter für die zu spät kommenden Verkehrsmittel verantwortlich machen.

Zu Beginn des Jahres 2016 sind die Trams und Busse der Stadt Zürich nicht mit einer erhöhten Verspätung unterwegs. Erst gegen Ende Januar mussten grössere Zeitverluste festgestellt werden. In der Woche vom 28. Februar bis zum 5. März 2016 wurden zwischen dem Bahnhof Stettbach und Schwamendingen ein erheblicher Zeitverlust aufgezeichnet. Dies kann auf die Tramlinie 7 zurückgeführt werden, welche in dieser Woche aufgrund technischen Problemen eine Verspätung verursacht hat. Auch in den Wochen von Ende März bis zum Ende der Datenerfassung am 16. April 2016 gab es auf dem gesamten Netz der VBZ eine spätere Abfahrtszeit als geplant.
In den verschiedenen Heatmaps ist auch sehr gut ersichtlich, dass die Verspätungen vor allem an den Knotenpunkten des Tram- und Busnetzes der Stadt Zürich entstehen. Aber auch die Innenstadt Zürichs ist von dem hohen Verkehrsaufkommen betroffen. Die Strassen sind natürlich neben dem öffentlichen Verkehr durch Trams und Busse, auch durch die Autos des Individualverkehrs besetzt.

Der begrenzte Platz auf der Strasse sorgt natürlich immer wieder für politische Diskussionen. Auch wenn die Stadt Zürich, wie die meisten grösseren Schweizer Städten, die politischen Entscheidungen eher für den öffentlichen Verkehr gefällt hat, gibt es zwischen den verschiedenen Wahlkreisen Unterschiede. Aus den letzten vier Abstimmungen der Stadt Zürich in den Jahren 2014 und 2015 zu dem öffentlichen Verkehr wurde ein Zustimmungs-Index jedes Wahlkreises berechnet. Die Ja-Stimmen in diesen Wahlkreisen bilden aufgrund der folgenden Abstimmungen den Index zur Untersuchung der Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber dem öffentlichen Verkehr. Es wurde sowohl die Fabi-Abstimmung, wie auch die Abstimmung über die Tramverbindung über die Hardbrücke aus dem Jahr 2014 untersucht. Weitere Abstimmungen folgten dann im Jahr 2015 mit der Entscheidung an der Urne über die Limmattalbahn, die städtische Veloinitiative und deren Gegenvorschlag, welche in den Berechnungen vorhanden sind. In folgender Grafik wurde die durchschnittliche Verspätung über die ganze Zeit der Datenerhebung von September 2015 bis zum April 2016 berechnet und dementsprechend dargestellt.

Mittels den Zoom-Buttons kann auf einzelne Bereiche der Karte fokussiert werden. Per Klicken können die genauen Haltestellen und deren durchschnittliche Verspätung angezeigt werden.

Aus obenstehender Karte ist ersichtlich, dass vor allem die Wahlkreise 1+2, 3, 4+5 und 6 eine höhere Zustimmung zum öffentlichen Verkehr aufweisen, als die anderen Kreise. Natürlich geniesst der ÖV auch in den anderen Teilen der Stadt eine hohe Akzeptanz. Besonders die Kreise 4 und 5 stimmten für den Erhalt und Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Stadt. Die Analyse der Haltestellen mit einer erhöhten Verspätung ergibt, dass vor allem in der Innenstadt in den Kreisen 1, 4 und 5 die verspäteten Abfahrten auftreten. Es sind genau diejenigen Kreise von der Unpünktlichkeit des VBZs betroffen, welche sich an der Urne für den öffentlichen Verkehr aussprechen. Die Kreise, welche leicht ausserhalb der Stadt Zürich liegen, haben weniger Verspätungen zu beklagen. Sie können grundsätzlich auf die Verlässlichkeit der Schweizer öffentlichen Verkehrsmittel zählen. In der Karte sind die durchschnittlichen Verspätungen über mehrere Monate dargestellt. Das heisst, dass über diese Zeit auch eine negative Zahl entstehen kann. So kommt an diesen Stationen das Fahrzeug eher zu früh, als dass es zu spät von der Station abfährt. Auch die absoluten Zahlen zeigen, dass die Transportmittel nie mehr als eine Minute Verspätung pro Haltestelle anhäufen.

Die Korrelation der Abstimmungsergebnisse zu Vorlagen bezüglich des öffentlichen Verkehrs und den Verspätungen der Verkehrsmittel kann natürlich nicht einfach so hergestellt werden. Es spielen natürlich noch weitere Faktoren eine wichtige Rolle. Die tatsächliche Korrelation zu berechnen, war in diesem Rahmen mit den vorhandenen Daten leider nicht möglich. Wahrscheinlich würde die Korrelation bei genauerer Berechnung mit Kontrollvariablen nicht sehr stark ausfallen.

So kann aber zusammengefasst gesagt werden, dass die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich eine gute Bilanz aufweisen. Die entstandenen Verspätungen halten sich in einem akzeptablen Rahmen. Überraschenderweise sind es die starken Befürworter des ÖVs der Innenstadt, welche besonders stark unter Verspätungen der Fahrzeuge leiden. Die Bewohner der äusseren Kreise der Stadt haben dagegen weniger Verspätungen zu beklagen.

Die Daten stammen aus den Datenbanken der Abteilung „Open Data Zürich“ des statistischen Amtes der Stadt Zürich. Diese Abteilung bereitete die Daten des VBZs auf und stellte sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Die Verarbeitung und Aufbereitung der Rohdaten zu einer Karte wurde mittels der Plattform CartoDB bewerkstelligt.

Autor: Lukas Möhr / lukas.moehr@uzh.ch / 11-722-568 / Abgabedatum 23.05.2016
Blog: Im Rahmen des Forschungsseminars Policy Analyse: Politischer Datenjournalismus
Dozenten:  Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Michael Hermann und Dr. des. Bruno Wüest
Wörter: (930 exkl. Lead, Infobox und Infos)

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