Fake News und andere (Un)Wahrheiten – Über das Medienvertrauen von Herrn und Frau Schweizer

„Fake News“, „Lügenpresse“! – Obwohl kein neues Phänomen wird seit 2016 weniger etablierten aber vor allem auch traditionsreichen Medienhäusern vermehrt die Verbreitung von Unwahrheiten unterstellt. Als prominenteste Vertreter dieser umfangreichen Mediendenunziation lassen sich US-Präsident Donald Trump oder die „Alternative für Deutschland“ (AfD) nennen. Auch in der Schweiz sprach die Weltwoche im Hinblick auf ihre medialen Mitstreiter von „Schweinejournalismus“. Zwischen Wahrheit und Diskreditierung – wird den Medien überhaupt noch vertraut? 

Diffamierung der Medien – Stichwort ‚Fake News‘ (Bild: Imago via NZZ)

 
Nicht zufälligerweise lassen sich die Medien in einer Demokratie als vierte Gewalt beschreiben, stehen sie doch im Dienste der Öffentlichkeit. Sie dienen der Gesellschaft als beobachtendes, aufklärendes, Transparenz schaffendes und kommentierendes Organ und können somit das Vertrauen der Bevölkerung in Staat und Demokratie stärken. Politik und Medien stellen durch ihre wechselseitige Abhängigkeit ihre Legitimierung sicher. Mit Trump und Co. tanzt die Politik in den letzten Jahren jedoch vermehrt aus der Reihe. Die sogenannte Mainstream-Presse wird durchgehend der Lügerei bezichtigt – und kämpft scheinbar (erfolglos?) um das Vertrauen ihrer Leserschaft.

Medien erhalten tiefsten Wert

Die aktuellsten Zahlen der repräsentativen Studie „Sicherheit 2017“ der Militärakademie an der ETH und des Centers for Security Studies, bei der im Januar 2017 Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hinsichtlich ihres Vertrauens befragt wurden, zeigen nennenswerte Diskrepanzen zwischen den Institutionen auf: Das Vertrauen des Schweizer Stimmvolks in die Behörden ist gegenüber des Vorjahres signifikant gestiegen. Vor allem der Bundesrat (7.1), die Gerichte (7.4) und die Polizei (7.9) geniessen in der Bevölkerung hohes Vertrauen (gerundete Mittelwerte, Skala: 1=wenig Vertrauen, 10=hohes Vertrauen). Auch dem Parlament (6.6), der Armee (6.8) und der Wirtschaft (6.8) wird vertraut. Wie auf der unten stehenden Grafik (‚Vertrauen in Institutionen‘) ersichtlich, ist jedoch das Vertrauen in die Medien und die politischen Parteien (jeweils 5.5) verhältnismässig tief und liegt weit unter dem Gesamtmittelwert (6.7).

Den Trend der letzten zehn Jahre betrachtend, lässt sich diese Differenz zwischen Medienvertrauen und Vertrauen in die übrigen Institutionen stetig beobachten. Daraus schlussfolgernd lässt sich erkennen, dass die Medien sich trotz – oder besser: aufgrund – des konzentrierten Anschwärzens etwa seitens populistischer Politiker wohl generell betrachtet nicht in einer Krise befinden, brachten ihnen doch Herr und Frau Schweizer während der letzten Dekade generell konstant nur mässiges Vertrauen entgegen.

Demokratiebündel

Die Finanzkrise ab 2007 beeinflusste auch in der Schweiz das generelle Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, nehmen wie auf der zuvor schon erwähnten Grafik (‚Vertrauen in Institutionen‘) die Vertrauenswerte aller Institutionen bis mindestens 2009 ab. Interessanterweise lässt sich anhand des 10-Jahre-Trends erkennen, dass die Vertrauenswerte aller erfragten Institutionen gleichermassen ab- wie zunehmen. Es scheint, dass Vertrauen in Behörden und Institutionen als Paket betrachtet werden kann. Die Kurve des Medienvertrauens lässt darauf schliessen, dass das Schweizer Stimmvolk auch die Medien in dieses Paket mit einbinden und somit als unverzichtbaren Teil einer demokratischen Gesellschaft wahrnehmen.

Das Internet und Social Media – same same, but different

Das ausgedehnte Angebot an Informationsbeschaffung der sogenannten neuen Medien bietet auch den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern Chancen deliberativer Partizipation und individueller Meinungsbildung. Doch die professionelle Produktion klassischen Journalismus‘ wird zunehmend vom massenteilhabenden Laientum neuer Medien konkurriert, die inhaltliche Wahrnehmungsverantwortung wird vom Produzenten auf den Konsumenten übertragen. Das Internet und Social Media wurden zu Häfen vermeintlicher Fake News, Filter Bubbles und alternativen Fakten – wird den neuen Medien deswegen weniger vertraut?

Unterschiede zwischen links und rechts

Eine vertiefte Analyse der Daten lässt Schlussfolgerungen über Vertrauensdifferenzen hinsichtlich der politischen Einstellung des Schweizer Stimmvolks zu. Aufgrund statistischer Berechnungen, bei denen jeweils die erwarteten Vertrauenswerte in die Medien generell, ins Internet als Informationsmedium und in Social Media anhand der politischen Einstellung und kontrolliert auf Geschlecht, Alter, Bildungsniveau, Region und das Vertrauen in die sieben anderen zuvor diskutierten Institutionen berechnet wurde, lassen sich Tendenzen etwaiger politischer Einflussnahme ermitteln.

Die untenstehende Grafik ‚Medien generell‘ zeigt auf, dass eher links eingestellte Bürgerinnen und Bürger den Medien allgemein mehr vertrauen als eher rechts eingestellte Bürgerinnen und Bürger, wobei das Vertrauen knapp vor der politischen Mitte unter den Mittelwert von 5.46 absinkt. Der Einfluss der politischen Einstellung auf das generelle Medienvertrauen kann als statistisch relevant betrachtet werden.

Das Internet als Informationsmedium zeigt eine ähnliche Tendenz bezüglich der links-rechts-Diskrepanz auf: Politisch links eingestellte Schweizerinnen und Schweizer vertrauen dem Internet eher als politisch rechts eingestellte Bürgerinnen und Bürger, wobei der Vertrauenswert bei rechts-aussen sich positionierenden Schweizerinnen und Schweizern wieder steigt. Der Einfluss der politischen Einstellung ist auch in dieser Analyse statistisch relevant.

Ganz anders sieht es bei Social Media als Informationsmedien aus. Sich links Positionierende bringen diesen Medien geringeres Vertrauen entgegen als rechts eingestellte Bürgerinnen und Bürger. Das Vertrauen Linkspolitischer liegt unter dem Mittelwert von 3.53, während das Vertrauen rechts eingestellter Bürgerinnen und Bürger über dem im Vergleich zu anderen Medien sehr tiefen Vertrauensmittelwert liegt.

…zeigt das Bashing doch Wirkung?

Vorwiegend wird von rechts-konservativen und rechts-populistischen Politikerinnen und Politikern, Parteien und Medien berichtet, die etablierte Medienhäuser als Fake News-Produzenten oder als Lügenpresse benennen – vielleicht liegt es gar an der Prominenz der Figuren, die die Einseitigkeit so offensichtlich macht. Summa summarum kann aufgrund der Datenanalyse bestätigt werden, dass rechts eingestellte Personen den Medien generell weniger Vertrauen, jedoch den Social Media höheres Vertrauen entgegenbringen als links eingestellte Bürgerinnen und Bürger. Ob sich diese Vertrauensdiskrepanzen aufgrund des konservativen Wunschbildes des eigenständigen Bürgers, der Effekte der Echokammern, Filter Bubbles und des Selective Exposure in den Social Media oder tatsächlich infolge des Einflusses der politischen Elite entfalten, kann aus dieser Analyse jedoch nicht erschlossen werden.

 

Die hier verwendeten Daten stammen aus der Studie „Sicherheit 2017“ des Centers for Security Studies, ETH Zürich und der Militärakademie an der ETH Zürich (MILAK). Die Jahresstudien „Sicherheit“ dienen der Trendermittlung in der aussen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsbildung in der Schweiz. Sie stützen sich auf im Jahresrhythmus durchgeführte repräsentative Befragungen der Schweizer Stimmbevölkerung. Die diesjährige Datenerhebung fand zwischen dem 4. Januar und dem 23. Januar 2017 statt. Insgesamt wurden 1209 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in allen Sprachregionen (Deutschschweiz, Westschweiz, Südschweiz) der Schweiz telefonisch durch das Meinungsforschungsinstitut LINK befragt.Skalen
Vertrauen: 1=wenig Vertrauen, 10=hohes Vertrauen
Politische Einstellung: 0=links, 10=rechts

‚Vertrauen in Institutionen‘
Es wurden pro Jahr die jeweiligen Vertrauensmittelwerte der verschiedenen Institutionen, daraus resultierend der Gesamtmittelwert berechnet.

Modell
Multivariate Least Squares Regressionsanalyse mit „Zelig package“ in R, 95% Confidence Interval
Erhaltene „expected values“ wurden als Medianwerte zusammengefasst und mit „ggplot2 package“ in R visualisiert.

‚Medien generell‘
Unabhängige Variable: Politische Einstellung: -0.194*, Politische Einstellung^2: 0.013.
Kontrollvariablen: Bundesrat: 0.152***, Parlament: -0.003, Gerichte: 0.091**, Polizei: 0.090**, Armee: -0.061**, Wirtschaft: 0.043, Parteien: 0.187***, Internet: 0.259***, Social Media: 0.070**, Geschlecht: -0.115, Alter: 0.105***, Bildung: -0.084, Region: -0.011, Constant: 0.983*.
F Statistics: 28.350***(df=15; 954). R2 = 0.308, Adjusted R2 = 0.297.

‚Internet‘
Unabhängige Variable: Politische Einstellung: -0.252**, Politische Einstellung^2: 0.021**.
Kontrollvariablen: Bundesrat: -0.003, Parlament: -0.041, Gerichte: -0.111***, Polizei: 0.011, Armee: 0.043, Wirtschaft: 0.114***, Parteien: 0.041, Medien: 0.269***, Social Media: 0.411***, Geschlecht: 0.115, Alter: -0.058*, Bildung: 0.0001, Region: 0.422***, Constant: 2.239***.
F Statistics: 39.045***(df=15; 954). R2 = 0.380, Adjusted R2 = 0.371.

‚Social Media‘
Unabhängige Variable: Politische Einstellung: 0.361***, Politische Einstellung^2: -0.023**.
Kontrollvariablen: Bundesrat: -0.035, Parlament: 0.090*, Gerichte: -0.005, Polizei: -0.092**, Armee: 0.006, Wirtschaft: 0.059, Parteien: 0.160***, Medien: 0.082**, Internet: 0.463***, Geschlecht: -0.025, Alter: -0.050, Bildung: -0.153, Region: 0.082, Constant: -1.044*.
F Statistics: 34.783***(df=15; 954). R2 = 0.354, Adjusted R2 = 0.343.

R Code

plots Rmd

tables Rmd

 

Studie „Sicherheit 2017“
Szvircsev Tresch, Tibor (Hg.); Wenger, Andreas (Hg.); De Rosa, Stefano; Ferst, Thomas; Moehlecke de Baseggio, Eva; Schneider, Olivia; Scurrell, Jennifer Victoria (Center for Security Studies, ETH Zürich; Militärakademie an der ETH Zürich (MILAK)) (2017): Sicherheit 2017. Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitische Meinungsbildung im Trend. (http://www.css.ethz.ch/content/specialinterest/gess/cis/center-for-securities-studies/de/publications/sicherheit/details.html?id=/s/i/c/h/sicherheit_2017 [26.05.2017]).

Literatur
Fischer, Tin (Neue Zürcher Zeitung (NZZ)) (2017): Wir Zwerge unter Datenriesen. (https://www.nzz.ch/feuilleton/filterblasen-und-aufgeblasene-thesen-wir-zwerge-unter-datenriesen-ld.144971 [27.05.2017]).

Misik, Robert (Neue Zürcher Zeitung (NZZ), Gastkommentar) (2014): Mainstream-Kritik ist der neue Mainstream. (https://www.nzz.ch/meinung/debatte/realitaet-oder-phantasma-1.18419957 [27.05.2017]).

Stadler, Rainer (Neue Zürcher Zeitung (NZZ)) (2016): Überdrehte Thesen von Fake News und Filterblasen. (https://www.nzz.ch/feuilleton/medien/in-medias-ras-ueberdrehte-thesen-von-fake-news-und-filterblasen-ld.131653 [14.05.2017]).

Zimmermann, Kurt W. (Die Weltwoche) (2017): Der Schweinejournalismus. (http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2017-3/artikel/der-schweinejournalismus-die-weltwoche-ausgabe-32017.html [16.05.2017]).

 
Bildquelle: Imago via Neue Zürcher Zeitung (NZZ) (2016). (https://www.nzz.ch/feuilleton/medien/fake-news-geprueft-und-nicht-fuer-gut-befunden-ld.136555 [13.05.2017]).

„Fake News und andere (Un)Wahrheiten – Über das Medienvertrauen von Herrn und Frau Schweizer“
Abgabedatum: 28.05.2017
Autorin: Jennifer Victoria Scurrell, jennifer.scurrell@uzh.ch, 04-400-156
Veranstaltung: Forschungsseminar Politischer Datenjournalismus
Dozenten: Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Michael Hermann, Dr. Bruno Wüest
Wortanzahl: 813 (exkl. Lead, Anhänge und Literaturverzeichnis)

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