Es sind hauptsächlich junge Leute, die es in die Stadt Zürich zieht. Doch nicht alle Quartiere sind für Junge gleich attraktiv.
Im vergangenen Jahr zogen 23’773 Leute im Alter von 20 bis 35 in die Stadt Zürich. Keine andere Altersgruppe verzeichnete ähnlich hohe Zahlen. Dies ergab eine Analyse der Daten von Statistik Stadt Zürich zur Bevölkerungszusammensetzung und Wohnsituation der Zürcher Stadtbürger.
Unter den jungen Neuzuzügern ist auch Corina Wiher. Die 22-jährige Studentin, die im Bezirk Horgen aufgewachsen ist, zog vor etwas mehr als einem Jahr in die Stadt. Gemeinsam mit einer Studienkollegin hat sie eine Wohngemeinschaft im Stadtquartier Werd im Kreis 4 gegründet. „Ich bin vor allem wegen des Studentenlebens nach Zürich gezogen“, sagt sie. Für das Werd-Quartier würden einerseits die guten Anbindungen an den öffentlichen Verkehr, die zentrale Lage und das grosse Angebot an Bars und sonstigen Lokalen im näheren Umkreis sprechen.
Grosse Unterschiede zwischen den Quartieren
Das Quartier Werd ist äusserst beliebt bei jungen Leuten, wie die Daten zeigen. Neben den Quartieren Escher Wyss, Hard, Hochschulen, Langstrasse und Oerlikon gehört es zu den Stadtquartieren, die im Jahr 2016 einen überdurchschnittlich hohen Anteil an jungen Bewohnern aufweisen. Über 33 Prozent der Einwohner je Quartier sind zwischen 20 und 35 Jahre alt.
Doch nicht alle Quartiere sind gleich beliebt bei den jungen Leuten. So verzeichnen etwa die Quartiere Fluntern, Friesenberg, Hirslanden, Leimbach und Witikon mit Anteilen unter 23 Prozent – also rund 5 Prozentpunkte unter dem Gesamtzürcher Durchschnitt – die tiefsten Anteile junger Leute im Jahr 2016.
Witikon hatte bisher das Nachsehen
Mit Ausnahme von Leimbach (+0.08%), haben die Anteile der Jungen in den bei Jungen weniger beliebten Quartieren Friesenberg, Hirslanden, Leimbach und Witikon über die Jahre hinweg abgenommen. Besonders frappant ist die Entwicklung im Quartier Fluntern, wo der Anteil Junger von 1993 bis 2016 um 4.5 Prozent abgenommen hat.
Ein Grund für die sinkende Attraktivität des Quartiers Fluntern bei jungen Leuten könnten die hohen Mietpreise im Zürichberg sein. Auch die etwas abgeschiedene Lage, die fehlenden Beizen und die relativ schlechte Versorgungslage könnten Gründe dafür sein, dass seit einigen Jahren nur noch wenige Junge in den Fluntern wohnen. Immer wieder gibt es Versuche, das Gebiet zu beleben. Das pulsierende Leben findet jedoch meist noch immer ausserhalb des Villenquartiers statt.
Mit einem Anteil von gerade mal 16 Prozent wohnen 2016 anteilsmässig am wenigsten Junge in Witikon. Eine Erklärung dafür könnte die schlechte Verbindung des öffentlichen Verkehrs in die Innenstadt sein. Witikon ist das einzige Stadtquartier ohne direkte Verbindung ins Stadtzentrum: Die Reise bedingt stets ein Umsteigen am Klusplatz. Seit den1980er Jahren kämpft die Quartierbevölkerung für eine bessere Anbindung an den öffentlichen Verkehr, lange erfolglos. Erst 2013 konnten sich die kantonalen Behörden mit den Witikern einigen und eine Lösung erarbeiten. Seit dem Fahrplanwechsel vom 10. Dezember fährt die Buslinie 31 neu bis nach Witikon. Was dies für die Entwicklung des Quartiers und die Anziehungskraft auf junge Leute bedeutet, wird sich zeigen.
Langstrasse bleibt attraktiv
Auch in den Quartieren, in denen überdurchschnittlich viele Junge wohnen, gibt es grosse Unterschiede. So wohnen im Quartier Hochschulen mittlerweile rund neun Prozent weniger Junge als noch vor 20 Jahren. Auch die Anteile im Werd-Quartier haben um rund sieben Prozent abgenommen. Diese Entwicklung könnte damit zusammenhängen, dass andere Quartiere für die jungen Leute massiv an Attraktivität gewonnen haben.
Denn in die entgegengesetzte Richtung geht der Trend in den Quartieren Escher Wyss, Hard und Oerlikon, die immer mehr Junge beheimaten. Wenig überraschend ist die Zunahme im Escher Wyss, wo seit den 1990er Jahren viel in die Wiederbelebung des Quartiers investiert wurde, mit fast acht Prozent zwischen 1993 und 2016 am Grössten, gefolgt von den Quartieren Hard (+6.6%) und Oerlikon (+5.3%). Einzig rund um die Langstrasse bleibt der Anteil Junger über die Jahre hinweg konstant bei rund 40 Prozent.
Wie Corina Wiher entscheiden sich laut den Ergebnissen also viele junge Erwachsene für Quartiere, die gut an den öffentlichen Verkehr angebunden und voller Leben sind. Der hohe Anteil Junger in Oerlikon und im Quartier Hochschulen könnte mit der Nähe zur Universität im Zentrum und zu den Universitätsgebäuden in Oerlikon zusammenhängen.
Die restlichen Gebiete, die hohe Anteile an Jungen aufweisen, liegen alle in den Kreisen 4 und 5. Hier befindet sich mit der Langstrasse das Zentrum der Zürcher Ausgangskultur. Kein Viertel weist laut Quartierspiegel der Stadt Zürich mehr Gastronomiebetriebe auf als die Langstrasse, die ihr Image als Multikulti-Quartier seit Jahren aufrechterhalten kann.
Auch Corina Wiher war es wichtig, so nahe wie möglich an der Langstrasse und somit den bei Studenten beliebten Ausgangsgebieten zu wohnen. Da sie ihre WG jedoch im Rahmen der Juwo gründete, also des Jugendwohnnetzes Zürich, welches Wohnungen an junge Erwachsene in der Ausbildung vermietet, war sie nicht gänzlich frei in der Wahl des Wohnviertels. „Wir hatten Glück, dass wir eine Wohnung im Kreis 4 erhielten“, sagt Wiher.
Längerfristig in der Stadt zu leben, kann sie sich jedoch trotzdem nur schwer vorstellen. „Ich habe immer gesagt, dass ich wieder an den Zürichsee zurückziehe, sollte ich irgendwann eine Familie gründen“, sagt Corina Wiher. „Das Familiäre, Nachbarschaftliche, das ich von meiner Heimat her kenne, sucht man in Zürich leider meistens vergeblich.“
Natalie Wenger
Informationen zum Blogbeitrag
Verfasser: Natalie Wenger, Matrikel Nr: 14-705-206 | natalie.wenger@uzh.ch
Abgabe: 17.12.2017
Forschungsseminar Politischer Datenjournalismus (Herbstsemester 2017)
Dozierende: Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Bruno Wüest und Alexandra Kohler
Wort-Anzahl: 814
Hinweise zu den Daten und zur Literatur
Die Daten, auf denen der Beitrag basiert, stammen vom Statistischen Amt der Stadt Zürich. Die Daten wurden dem Institut für Politikwissenschaften Zürich der Universität Zürich im Rahmen des Forschungsseminars Politischer Datenjournalismus zur Verfügung gestellt. Der Datensatz beinhaltet Individualdaten zu sozidemographischen Merkmalen der Zürcher Bevölkerung, zu Wohnort und Wohnsituation, sowie zu Zuzügen, Wegzügen und Umzügen. Zusätzlich ist auch die Wohngrösse im Datensatz enthalten. Die Daten decken den Zeitraum von 1993 bis 2016 ab, wobei jedoch beachtet werden muss, dass nicht alle Variablen während des gesamten Zeitraumes erhoben wurden. Die Daten entsprechen einer Vollerhebung der Einwohner der Stadt Zürich. Die Daten wurden anonymisiert. Rückschlüsse auf die Personen sind daher nicht möglich.