Als die Nachricht vom Ende der Credit Suisse die Schlagzeilen erreichte, war die Finanzwelt in Aufruhr. Die Übernahme der CS durch die Konkurrentin UBS hat nicht nur die Anleger*innen in Panik, sondern auch die Medien in einen Fieberzustand versetzt. Eine Analyse der Berichterstattung in ausgewählten Deutschschweizer Medien gibt nun Aufschluss darüber, wie über das Wackeln und den Fall des Finanzgiganten berichtetet wurde.
Am Abend des 19. März kommunizierte der Bundesrat die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS. Doch das Ende der Grossbank hat eine lange Vorgeschichte. Für die CS sind Skandale und Krisen keine unbekannten Gefilde, denn immer wieder bringen eigene Fehler der Bank die CS in Kritik. Allein im Zeitraum seit Anfang letzten Jahres sind einiges an Krisen zusammengekommen. Wie und wieviel die unterschiedlichen Medien tatsächlich darüber berichteten, soll in diesem Beitrag mit der Analyse entsprechender Zeitungsartikel beantwortet werden.
Ausgewertet werden sämtliche Zeitungsartikel ausgewählter Deutschschweizer Medien, die seit Anfang letzten Jahres erschienen sind. Die dazu erforderlichen Daten wurden aus dem digitalen Archiv der Schweizer Mediendatenbank (SMD) bezogen.
Auf und Ab: Die mediale Achterbahnfahrt der Credit Suisse
Bereits anfangs 2022 gelangt die Grossbank mit zwei Skandalen in negatives mediales Rampenlicht. Nach mehrfachen Quarantäneverstössen tritt António Horta-Osório im Januar als Verwaltungsrat der CS zurück und wird durch Axel Lehmann ersetzt. Nur einen Monat später kommt das Datenleck «Suisse Secrets» ans Tageslicht. Hunderte Millionen Franken wurden von der Schweizer Bank für Autokraten, Geheimdienstbeamte, sanktionierte Manager, Schwerverbrecher und Foltergeneräle verwahrt.
Die Skandale zeichnen sich auch in der medialen Berichterstattung ab. Knapp 10 Prozent der analysierten Zeitungsartikel aus 20 Minuten, Blick, Tagesanzeiger, NZZ, WOZ und Weltwoche nennen die Credit Suisse. Die Berichterstattung ging jedoch nach ein paar Tagen wieder auf ein tiefes Niveau zurück. Der Anteil an Zeitungsartikel über die CS stieg vorerst nicht, selbst nachdem das Bundesgericht die Bank im Juni wegen Geldwäscherei für die bulgarische Drogenmafia schuldig sprach.
Grafik 1: Die Grafik zeigt den Anteil an Artikeln, welche das Schlagwort «Credit Suisse» oder «CS» enthielten.
Aufwind bekam das Thema «Credit Suisse» in den Medien erst im letzten Oktober. Mit der Beteiligung der Saudischen National Bank (SNB) an der Credit Suisse wurde die Bank aus dem Nahost ihre grösste Aktionärin und die CS war wieder in aller Munde. Nun stieg der Anteil an Credit Suisse Artikeln über 10 Prozent an. Als die Bank dann im neuen Jahr einen Verlust von über sieben Milliarden bekannt gab, nahm die mediale Berichterstattung ein neues Ausmass an. Zum Zeitpunkt der Übernahme durch die UBS erwähnten fast 30 Prozent der Deutschschweizer Artikel die Bank, die nun ihr Ende fand.
Der Tages-Anzeiger und die NZZ berichtet am meisten über die Credit Suisse in ihrer finalen Krise
Ein näherer Blick auf die Tage vor und nach der Übernahme der Credit Suisse durch ihre Konkurrentin zeigt, dass nicht alle der sechs ausgewählten Medien gleich stark über die letzten Tage der CS berichteten. Am wenigsten mediale Aufmerksamkeit bekam die Grossbank von der 20 minuten und der Wochenzeitung; Von den gesamten Artikeln, die sie in dieser Zeit veröffentlichten, berichteten oder nannten nur knapp 8 Prozent die CS. Während diesen turbulenten Tagen wurde die CS am häufigsten von der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) und vom Tages-Anzeiger genannt. In beiden Medien enthielten 14 Prozent aller Artikel eine namentliche Nennung der Grossbank.
Grafik 2: Die Grafik links zeigt für jede Zeitung den Anteil von Artikeln, welche das Schlagwort «Credit Suisse» oder «CS» enthalten. Die Grafik rechts zeigt die Anzahl CS-Artikel pro Rubrik (für die 14 häufigsten Rubriken).
Mit dem Ende der CS fand eine Schweizer Traditionsbank ihr Ende. Es ist daher nicht überraschend, dass insbesondere in der Wirtschaftsrubrik umfassend über das Thema berichtet wurde. Am häufigsten taucht die CS in Artikeln der Rubriken «Wirtschaft» und «Bankenkrise» auf. Das Ausmass der Krise führte sogar dazu, dass spezielle Rubriken geschaffen wurden, wie zum Beispiel «CS-Aus» und «CS-Krise». Doch das Ende der Credit Suisse schockierte nicht nur die Wirtschaftswelt, sondern sorgte auch für umfangreiche Berichterstattung ausserhalb der Finanzbranche. Auch in den Rubriken betreffend Sport und Kultur fand die Tragödie des Finanzgiganten ihren Platz.
So schrieb die NZZ am 19. März:
Den Partnern im Sport droht ein Kahlschlag: Von Roger Federer über die Fussballnati bis zur Sporthilfe: Die Credit Suisse ist mit ihrem breiten Engagement ein wichtiger Partner des Schweizer Sports. – NZZ
Wie haben sich die unterschiedlichen Medien in ihrer Berichterstattung über die CS unterschieden?
Die Analyse zeigt, dass seit dem Rücktritt von Horta-Osório in den ausgewählten Deutschschweizer Zeitungen viel über die unterschiedlichen CS-Krisen berichtet wurde. Doch wie haben die Medien über die CS berichtet und wie unterschieden sie sich voneinander in ihrer Berichterstattung? Hat die linke Wochenzeitung andere Worte verwendet in ihren Artikeln über die CS als die Weltwoche? Und wie unterschied sich die Berichterstattung der als wirtschaftsliberale Zeitung bekannte NZZ von den anderen Medien? Diese Fragen sollen hier mit einer Keyness-Analyse beantwortet werden.
Mit der Keyness-Analyse wird die Häufigkeit eines Wortes in den CS-Artikel einer Zeitung mit ihrer Häufigkeit in CS-Artikel der restlichen Zeitungen verglichen. So kann die relative Bedeutung eines Wortes für die CS-Berichterstattung einer Zeitung bestimmt werden. Mit dem Chi-Quadrat-Assoziationsmass wird berechnet, wie typisch ein Wort für eine Zeitung ist.
Grafik 3: Die Grafik zeigt die typischen Wörter für die NZZ, die Weltwoche und die Wochenzeitung gemessen an ihrem Chi-Quadrat-Assoziationsmass (chi2).
Auffällig ist, dass oftmals Personennamen unter den typischen Wörtern zu finden sind. So ist das typischste Wort der linken Wochenzeitung «Noser» und nimmt Bezug auf Rudi Noser, FDP Ständerat und Verwaltungsrat einer Tochterfirma der Credit Suisse. Zu den typischen Wörtern gehört für die WOZ auch «bürgerlichen». Beide Wörter finden sich gleich zusammen in einem kritischen Artikel:
Dabei stellen sich auch strukturelle Fragen zur Verfilzung der bürgerlichen Politiker:innen mit der Grossbank: Was wusste etwa FDP-Ständerat Ruedi Noser über die Greensill-Geschäfte, die er als Verwaltungsrat einer Tochterfirma der Credit Suisse verantwortete und die zum Vertrauensverlust der Bank beitrugen? – WOZ
Am typischsten für die CS-Berichterstattung in der Weltwoche ist hingegen das Wort Pierin «Vincenz», früherer Bankmanager der Raiffeisen Schweiz, der im letzten Jahr unter anderem wegen Veruntreuung und Betrug zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. In der Wirtschaftszeitung NZZ liegt der Fokus nicht auf der Politik, sondern unter den typischsten Wörtern finden sich Wörter wie «banking», «investment», sowie der Schweiz-Chef der CS, «André» Helfenstein.
Die Krise der CS wird zweifellos als einschneidendes Kapitel in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte eingehen. Ihr Niedergang hinterlässt nicht nur Fragen zur Stabilität des Bankensektors, sondern auch zur Verflechtung mit Politik und Gesellschaft, wie ein genauerer Blick auf die mediale Berichterstattung aufzeigt.
Informationen zum Blogbeitrag
Autorin: Céline Strüby
E-Mail: celine.strueby@uzh.ch
Lehrveranstaltung: Forschungsseminar „Politischer Datenjournalismus“ (FS2023)
Dozierende: Alexandra Kohler, Valeria Vuk und Bruno Wüest
Abgabedatum: 18.06.2023
Anzahl Worte: 998 (excl. Lead, Anhänge und Literaturverzeichnis)
Daten und Methoden:
Die für die Analyse benötigten Daten wurden aus der Schweizer Mediendatenbank (SMD) mit Hilfe von Swissdox@LiRI bezogen. Die Zeitungsartikel beschränken sich auf sämtliche deutschsprachige Artikel, die in dem Zeitraum vom 1.1.2022 bis zum 30.4.2023 publiziert wurden. Die Analyse beschränkt sich zudem auf folgende Zeitungen: Die Wochenzeitung (WOZ), die Weltwoche, Neue Zürcher Zeitung (NZZ), 20 minuten, Blick und Tages-Anzeiger.
Die Daten enthalten nicht nur die Zeitungsartikel und die Namen der entsprechenden Zeitungen, sondern auch die Rubriken, in welcher die Artikel erschienen und das Publikationsdatum.
Die statistischen Berechnungen und die Visualisierungen wurden mithilfe des Statistikprogramms R in der Rstudio IDE erstellt. Für die Textanalysen wurde insbesondere das R-Package «quanteda» verwendet. Der Code kann hier eingesehen werden.
In einem ersten Schritt wurden die Textdaten der Zeitungsartikel in einen Korpus umgewandelt und die Texte in einzelne Wörter tokenisiert. Auch wurden Stopwörter entfernt mittels der deutschen Stopwörter-Sammlung von Quanteda. In einem zweiten Schritt wurde ein Dictonairy erstellt, um die Credit Suisse Wörter identifizieren zu können. Der Dictionary wurde sodann auf die vorbereiteten Textdaten angewendet. Für die Keyness Analyse wurde die Keyness-Funktion des «quanteda»-Packages genutzt.
Referenzen:
Bräuer, Sebastian (2023): Den Partnern im Sport droht ein Kahlschlag. (https://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/credit-suisse-den-partnern-im-sport-droht-ein-kahlschlag-ld.1731178?reduced=true [18.06.2023]).
Brönnimann, Christian und Cornehls, Svenson (2023): Die dreistesten Versprechen der CS: «Verantwortung liegt in unserer DNA.» (https://interaktiv.tagesanzeiger.ch/2022/credit-suisse-gebrochene-versprechen/#2022 [18.06.2023]).
Drucker, Jesse und Hubbard, Ben (2022): Vast Leak Exposes How Credit Suisse Served Strongmen and Spies. (https://www.nytimes.com/2022/02/20/business/credit-suisse-leak-swiss-bank.html [18.06.2023]).
Eidgenössisches Finanzdepartement EFD (2023): Übernahme der Credit Suisse durch die UBS. (https://www.efd.admin.ch/efd/de/home/finanzplatz/uebernahme-credit-suisse-ubs.html#1814046918 [18.06.2023]).
Horowitz, Liz (2022): Die Credit Suisse und das Geld aus Saudi-Arabien. (https://www.srf.ch/news/wirtschaft/finanzhilfe-aus-nahost-die-credit-suisse-und-das-geld-aus-saudi-arabien [18.06.2023]).
Schürpf, Thomas, Baches, Zoé, Müller, André, Honegger, Lorenz und Bachmann, Dieter (2022):Die Affäre Vincenz: Gericht verurteilt Ex-Raiffeisen-Chef zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten. (https://www.nzz.ch/wirtschaft/pierin-vincenz-erhaelt-freiheitsstrafe-von-3-jahren-und-9-monaten-ld.1394412?reduced=true [18.06.2023]).
SRF Schweizer Radio und Fernsehen (2022): António Horta-Osório tritt als CS-Verwaltungsratspräsident zurück. (https://www.srf.ch/news/wirtschaft/ruecktritt-bei-der-grossbank-cs-ant-nio-horta-os-rio-tritt-als-cs-verwaltungsratspraesident-zurueck [18.06.2023]).
SRF Schweizer Radio und Fernsehen (2022): Bundesstrafgericht verurteilt Credit Suisse zu 2-Millionen-Busse. (https://www.srf.ch/news/wirtschaft/kokain-und-geldwaescherei-bundesstrafgericht-verurteilt-credit-suisse-zu-2-millionen-busse [18.06.2023]).
Surber, Kaspar (2023): Nie wieder Notrecht. (https://www.woz.ch/2323/banken-puk/nie-wieder-notrecht/!XSJAW1V64PR4 [18.06.2023]).