Warum Kreis 5 nicht gleich Kreis 5 ist

Ein Kreis, zwei benachbarte Quartiere und trotzdem grosse Unterschiede. Nicht nur in der Entwicklung der Bevölkerungszahl, auch strukturell unterscheiden sich die Quartiere Escher Wyss und Gewerbeschule im Kreis 5 erheblich voneinander.

Das Gesicht des Escher Wyss Quartiers hat sich seit 1993 stark gewandelt. Dies ergab eine Untersuchung der Daten von der Statistik Stadt Zürich zur Wohnsituation und soziodemografischen Zusammensetzung der Stadtzürcher Bevölkerung. Ein Blick auf die Einwohnerzahl im Escher Wyss zeigt, dass diese im Zeitraum von 1993 bis 2016 von 1547 auf 5825 Personen angestiegen ist. Die Bevölkerung hat sich somit in den vergangenen 20 Jahren mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 6.2% pro Jahr mehr als verdreifacht. Demgegenüber hat sich im selben Zeitraum die Einwohnerzahl im benachbarten Quartier Gewerbeschule, mit Ausnahme von ein paar wenigen Fluktuationen, kaum verändert. Tatsächlich ist die Bevölkerungszahl mit einem durchschnittlichen Wachstum von -0.15% pro Jahr sogar geringfügig zurückgegangen. Wie lassen sich die Unterschiede in den zwei Quartieren erklären?

Laut einer Publikation der Stadt Zürich hat sich die ehemalige Industriebrache Escher Wyss schrittweise zum Trendquartier etabliert. Im Umkreis von Hardturm und Escher-Wyss-Platz wurden in den letzten 20 Jahren viele Neubauten geschaffen. Es entstanden nicht nur eine Vielzahl an Arbeitsplätzen, sondern auch zahlreiche Wohnungen. In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Wohnungen etwa vervierfacht, was sich im Bevölkerungswachstum im Escher Wyss Quartier niederschlägt.

Insbesondere ab dem Jahr 2012 gab es einen markanten Anstieg in der Einwohnerzahl. Laut der Stadt Zürich wurde im Herbst 2011 auf dem Maag-Areal Plus der Mobimo Tower eingeweiht und ab 2012 entstand die Wohnüberbauung Maaghof. Aber auch das zwischen Limmatplatz und Escher-Wyss-Platz liegende Löwenbräu-Areal wurde von 2010 bis 2013 ausgebaut und erweitert. Das Areal wurde für Wohnungen, Dienstleistungen und kulturelle Nutzungen überbaut. Dank einer Tramlinie, die Ende 2011 in Betrieb genommen wurde, ist das Gebiet nun auch besser erschlossen.

Die Realisierung verschiedener Bauprojekte im Escher Wyss ist einer der Gründe für die Zunahme der Bewohner und Bewohnerinnen im Jahr 2012. Durch die Aufwertung des Quartiers ist jedoch nicht nur die Einwohnerzahl angestiegen, auch die Bevölkerungszusammensetzung hat sich verändert.

Mehr ledige und junge Menschen

Im Jahr 1993 lebten etwa gleich viele ledige wie verheiratete Menschen, also je rund 45%, im Escher Wyss Quartier. Jedoch hat der Anteil der ledigen Personen in den letzten 20 Jahren stark zugenommen und beträgt im Jahr 2016 schon fast zwei Drittel.

Aber auch die Altersstruktur im Escher Wyss hat sich verändert. Der Anteil der 35- bis 44-jährigen und derjenige der 45- bis 54-jährigen ist zwar von 1993 bis 2016 angestiegen, hat sich aber in den letzten paar Jahren für beide auf einem Niveau von rund 24% bzw. 15% eingependelt. Zudem ist der bereits tiefe Anteil an älteren Menschen und Kindern weiter gesunken. Die deutlich grösste Zunahme kann beim Anteil der 25- bis 34-jährigen verzeichnet werden. Dieser hat im Zeitraum von 1993 bis 2016 um insgesamt um 12.27% zugenommen. Im Jahr 2016 macht diese Altersgruppe 34% der Gesamtbevölkerung im Escher Wyss aus und stellt den grössten Anteil an der Einwohnerzahl im Quartier dar. Im Vergleich dazu scheint die Veränderung im Anteil der 25- bis 34-jährigen in der Gewerbeschule weniger ausgeprägt zu sein. Schwankungen zwischen 1993 und 2016 sind zwar zu erkennen, die anteilsmässige Zunahme der Jungen beträgt jedoch lediglich 0.44%.

Nachdem es gemäss dem Quartierspiegel 2015 in den 1970er Jahren zum allmählichen Niedergang des Industriesektors im Escher Wyss kam, wurde das Quartier Jahre später wiederbelebt. Insbesondere ab Ende der 1990er Jahre entstanden Wohnsiedlungen wie das West-Side oder die Genossenschaftsüberbauung Kraftwerk. Aber auch Geschäftshäuser wie das Puls 5 oder der Bluewin Tower und mehrere Hotels öffneten ihre Tore. Hinzu kamen Restaurants mit speziellen Konzepten wie „Sphères“ oder „Les Halles“. All diese Entwicklungen sind vermutlich für die starke Zunahme der Jungen im Zeitraum von 1998 bis 2002 verantwortlich. Ab dem Jahr 2012 kam es dann erneut zu einem steilen Anstieg im Anteil der 25- bis 34-jährigen. Dieser ist wahrscheinlich hauptsächlich mit dem neu verfügbaren Wohnraum zu erklären.

Etliche Gastronomieangebote, ein abwechslungsreiches Nachtleben, die kulturelle Vielfalt aber auch die gute Vernetzung mit dem Stadtkern machen das Escher Wyss Quartier wahrscheinlich gerade für die jüngere Generation besonders attraktiv. Doch auch die Wohnsituation könnte ein Grund sein, warum es viele Junge ins Escher Wyss Quartier zieht.

Grosse Wohnungen im Escher Wyss

Die Analyse der Daten zur Wohnfläche ergab, dass die 25- bis 34-jährigen im Escher Wyss in Wohnungen mit grösserer Wohnfläche leben als diejenigen im Quartier Gewerbeschule. Im Escher Wyss wohnen die Jungen oft in Wohnungen mit einer Fläche von rund 100 Quadratmetern. Im Gegensatz dazu müssen die meisten Jungen in der Gewerbeschule mit etwa 75 Quadratmetern auskommen.

Die Unterschiede hängen damit zusammen, dass laut der Limmattaler Zeitung im Escher Wyss primär Wohnungen mit viel Wohnfläche gebaut wurden. Diese sind mit durchschnittlich 49.69 Quadratmetern pro Person einiges grösser als diejenigen in der Gewerbeschule. Dort umfasst die Wohnfläche im Durchschnitt nämlich nur etwa 37.81 Quadratmeter pro Person. Die Wohnungen im Escher Wyss sind jedoch nicht nur überdurchschnittlich gross, sondern auch sehr teuer. Während eine 3-Zimmer-Wohnung im Jahr 2000 noch etwa 975 Franken pro Monat kostete, so sind es heute durchschnittlich 2370 Franken. Daraus lässt sich schliessen, dass Escher Wyss im Vergleich zur Gewerbeschule vor allem 25- bis 34-jährige mit hohem Einkommen anzieht. Die Jungen in den beiden Quartieren unterscheiden sich offenbar sehr voneinander. Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten.

Zweipersonenhaushalte bevorzugt

Eine Untersuchung des Haushaltstyps ergab, dass die meisten Jungen im Jahr 2016 sowohl im Escher Wyss als auch in der Gewerbeschule mit 36.66% bzw. 35.71% in Zweipersonenhaushalten wohnen. Während ein grosser Anteil von 27.02% dieser Altersklasse im Escher Wyss auch in Wohngemeinschaften lebt, ist dieser mit 21.04% in der Gewerbeschule ein wenig kleiner. Ähnlich viele 25- bis 34-jährige, das heisst ein Anteil von 20.51%, wohnen in der Gewerbeschule auch in Einpersonenhaushalten. Im Escher Wyss Quartier liegt dieser bei nur 15.07%.

Die Jungen in den beiden Quartieren unterscheiden sich also weniger im Hinblick auf den Haushaltstyp indem sie wohnen, als in Bezug auf die bevorzugte Grösse der Wohnung. Doch ob dieser Aufwärtstrend der 25- bis 34-jährigen im Escher Wyss so weitergeht oder ob es für sie bald zu teuer wird, das wird die Zukunft zeigen.

Tanja Burri

Hinweise zu den genutzten Daten

Der Blogbeitrag basiert auf Daten der Statistik Stadt Zürich. Diese durften im Rahmen des Forschungsseminars Politischer Datenjournalismus am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich ausgewertet werden. Die im Datensatz enthaltenen Informationen beruhen auf einer Gesamterhebung der Bewohner und Bewohnerinnen der Stadt Zürich. Im Datensatz sind Individualdaten von 1993 bis 2016 zu soziodemografischen Eigenschaften der Stadtzürcher Bevölkerung, zur Wohnsituation und -fläche sowie Zuzügen, Wegzügen und Umzügen enthalten. Allerdings wurden nicht alle Daten für den ganzen Zeitraum erhoben. Da die Daten anonymisiert wurden, sind keinerlei Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich.

Informationen zum Blogbeitrag

Titel: Warum Kreis 5 nicht gleich Kreis 5 ist
Verfasserin: Tanja Burri, 13-716-071 | tanja.burri@uzh.ch
Abgabedatum: 17. Dezember 2017 im Rahmen des Forschungsseminars Politischer Datenjournalismus
Dozierende: Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Bruno Wüest, Alexandra Kohler
Anzahl Wörter (excl. Lead, Anhänge und Literaturverzeichnis): 987

Literaturverzeichnis

Limmattaler Zeitung (2017): Weniger Ausländer, kaum Alte und Kinder: Wie die rasante Entwicklung Zürich-West verändert hat. (https://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/weniger-auslaender-kaum-alte-und-kinder-wie-die-rasante-entwicklung-zuerich-west-veraendert-hat-131905399 [Stand: 02.12.2017]).

Stadt Zürich (2014): Escher Wyss: Von der Industriebrache zum Dienstleistungszentrum. (https://www.stadt-zuerich.ch/prd/de/index/statistik/publikationen-angebote/publikationen/webartikel/2014-09-03_Escher-Wyss_Von-der-Industriebrache-zum-Dientleistungszentrum.html [Stand: 02.12.2017]).

Stadt Zürich (2015): Quartierspiegel 2015. Escher Wyss. (https://www.stadt-zuerich.ch/content/dam/stzh/prd/Deutsch/Statistik/Publikationsdatenbank/quartierspiegel/pdf/Quartierspiegel_052-Escher-Wyss_2015.pdf [Stand: 06.12.2017]).

Stadt Zürich: Projekte realisiert. (https://www.stadt-zuerich.ch/hbd/de/index/entwicklungsgebiete/zuerich_west/projekte_realisiert.html [Stand: 03.12.2017]).

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