Jugend ohne Klub: Schweizer Klubs schliessen, die Feierlust bleibt

Mark Blum

Seit Ende der Pandemie haben Zürcher Medien vermehrt über die abflauende Ausgangskultur und das daraus folgende Klubsterben berichtet. Das Phänomen bahnt sich schon länger an als gedacht.

Bild: Linn Stählin

Aus «Sender» wird «Ender», berichteten Tagi, ZS und Tsüri.ch, als das Musiklokal an der Langstrasse vergangenen Februar seine Schliessung ankündigte. Aufs Neue startete die Suche nach Gründen, weshalb immer mehr Lokale ihre Türen schliessen müssen. Veranstalter*innen sprachen von tieferen Einnahmen an der Bar und das Ausbleiben der jüngsten Generation von Partygänger*innen, die sich wegen des Lockdowns nie in das Nachtleben einsozialisieren konnten. Danach erhofften sich die Betreiber*innen eine Erholung der Lage. Doch die Daten zeigen, dass Corona diese Tendenz nicht verursachte, sondern höchstens beschleunigte.

Das Klubsterben in Zahlen: Seit 2011 hat sich die Anzahl Tanzlokale in der Schweiz beinahe halbiert.

Lesebeispiel: 2013 registrierte der Kanton Zürich 91 Tanzlokale. Acht Jahre später waren es noch 46.
Hervorgehoben sind die klubdichte Kantonen Zürich, Genf und Bern, die den höchsten Rückgang erlebten.

Quelle: BFS: Statistik der Unternehmensstruktur (STATENT)

Nach einem regelrechten Klub-Boom in den Nullerjahren begannen die Klubs in der Schweiz seit 2013 wieder zu verschwinden. Besonders in Kantonen mit hoher Klubdichte ist diese Entwicklung ersichtlich. Um zu verstehen, wie die Klub-Blase platzen konnte, lohnt sich vorerst ein Blick in die Demografie der Klubgänger*innen. Wer geht wie oft in den Klub und wer nicht oder nicht mehr?

Häufigkeit von Klubbesuchen nach Alter und Befragungsjahr

Lesebeispiel: 2007 gaben 34.5% der Befragten zwischen 15 und 24 an, mindestens einmal in der Woche einen Klub zu besuchen. 2022 waren es noch 8.7%

Quelle: Schweizerischer Haushaltspanel, Wellen 2-24

Das Schweizerische Haushaltspanel ermöglicht die Analyse von individuellem Ausgehverhalten nach Alter und Befragungsjahr. Grundsätzlich gehen Menschen mit dem Alter immer seltener tanzen. Die Mehrheit aller Personen, die einmal im Monat oder häufiger in Klub gehen, sind unter 30 Jahre alt. Allerdings machen die Längschnittsdaten der Befragung auch erkennbar, dass seit 2008 die Häufigkeit von Klubbesuchen unter den jüngeren Befragten stetig abnimmt.

Dieser Rückgang alleine erklärt das Klubsterben noch nicht. Wo weniger Klubs sind, können Menschen auch weniger tanzen gehen. Wir gehen deshalb nochmal einen Schritt zurück und fragen uns: Gehen junge Menschen nur nicht mehr in Klubs, oder gehen sie allgemein seltener aus?

Häufigkeit von Bar- und Restaurantbesuche nach Alter und Befragungsjahr

Lesebeispiel: 2010 gaben 64.1% der Befragten zwischen 15 und 24 an, mindestens einmal in der Woche eine Bar oder Restaurant zu besuchen. 2022 waren es noch 38%.

Quelle: Schweizerischer Haushaltspanel, Wellen 2-24

Auch hier zeigt das Schweizerische Haushaltspanel eine Abnahme im Ausgehverhalten unter jungen Menschen: Im Jahr 2000 ging die grosse Mehrheit der Befragten unter 25 mindestens einmal wöchentlich aus. Im Laufe der 2010er Jahre findet allerdings eine eindeutige Abnahme der Häufigkeit statt. Wohlbemerkt sehen wir in den Befragungsjahren 2019 und 2022 einen Rückgang unter allen Altersgruppen aufgrund der Pandemie, aber der Abwärtstrend war schon in den Jahren zuvor erkennbar und verstärkt sich bei den jüngeren Kohorten.

Dem Mythos «Gesunde Generation Z» auf der Spur

Wir halten fest: Seit Jahren gehen junge Menschen immer weniger häufig aus. Nun stellt sich die Frage, woran das liegt. Handelt es sich hier um eine rein ökonomische Entwicklung, oder um eine kulturelle? Ist die Generation Z einfach gesundheitsbewusster? Um diese Frage nachzugehen, werfen wir zunächst einen Blick auf den Alkoholkonsum. Diese Daten wurden in der schweizerischen Gesundheitsbefragung erfasst.

Häufigkeit von Alkoholkonsum nach Befragungsjahr und Alterskohort (mit 95% VI)

Quelle: BFS, Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB 2022)

Tatsächlich nimmt Abstinenz in der jüngsten Kohorte im Zeitfenster zwischen 2012 und 2017 um 5.7 Prozentpunkte zu. Ausserdem nimmt regelmässiger Alkoholkonsum zwischen den letzten Befragungswellen ab, während die Angabe, «weniger als einmal die Woche» Alkohol zu trinken, im Anteil steigt.

Ein Einblick darüber, wie das Trinkverhalten an einem bestimmten Abend aussieht, liefern die erhobenen Daten zu Rauschtrinken. Unter Rauschtrinken wird der Konsum von fünf oder mehr alkoholische Getränke an einem gegebenen Abend verstanden.

Häufigkeit von Rauschtrinken nach Befragungsjahr und Alterskohort (mit 95% VI)

Quelle: BFS, Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB 2022)

Bei allen Kohorten nimmt zwischen 2007 und 2017 der Anteil Befragungspersonen ab, die angeben, sich nie einen Rausch anzutrinken. Dies relativiert die Aussage, dass junge Menschen weniger konsumieren. Die Auffächerung nach Alter ergibt, dass seit Corona bei der Altersgruppe der 25-34 Jährigen tatsächlich eine Tendenz zu gemässigteren Konsum zu beobachten ist, allerdings hält sich die Verteilung in der Altersgruppe der 15-24 Jährige stabil und weist sogar ein verbreiteteres Rauschtrinkverhalten auf als die Befragungswelle 2007.

Im Nachtleben ist der Konsum nicht nur auf den Alkohol beschränkt und umfasst noch viele weitere Substanzen. In der nächsten Grafik ist die Entwicklung des Konsumverhaltens von jeglichen Substanzen (Cannabis, Kokain, Ecstasy sowie andere Drogen, z. B. Heroin, Speed, LSD, Amphetamine und halluzinogene Pilze) dargestellt.

Drogenkonsum nach Alter, Befragungsjahr und Substanz (mit 95% VI)

Quelle: BFS, Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB 2022)

Wir beobachten einen generelle Zunahme an Menschen in jeder Alterskohorte, die mit den erfragten Substanzen Erfahrungen gemacht haben. Konsument*innen von Kokain und Ecstasy bilden weiterhin einen sehr kleinen Anteil der Bevölkerung, aber trotzdem ist ein Zuwachs im letzten Jahrzehnt ersichtlich, der besonders bei der Kohorten der 25-34-Jährigen ausgeprägt ist.

Generell scheint das Konsumverhalten – trotz höherer Abstinenzrate – auch bei der jüngsten Kohorte nicht unbedingt zurückgegegangen zu sein. Substanzkonsum nimmt in der Tendenz zu und Menschen trinken sich häufiger einen Rausch an. Das spricht dafür, dass bei der Generation Z eine genauso wilde Party-Kultur vorhanden ist wie bei vorherigen Generationen. Nur findet der Alkoholkonsum weniger regelmässig statt, und weniger in Bars und Klubs. Hier könnte Geld eine Rolle spielen: Das Klubsterben fällt zeitlich zusammen mit der Entwicklung der Krankenkassenprämien. Steigende Lebenskosten aufgrund der wachsende Schere zwischen Krankenkassenprämien und Löhnen, wie im Bund ausführlich aufbereitet, trifft vor allem Menschen mit tiefem Einkommen. Möglicherweise ist das Klubsterben ein Symptom des schrumpfenden verfügbaren Einkommens junger Erwachsener.


Informationen zum Blogbeitrag:
Verfasser: Mark Blum
Kontakt: mark.blum@uzh.ch
Seminar: Politischer Datenjournalismus (FS 2024)
Dozierende: Lucas Leeman, Karsten Donnay, Jacqueline Büchi, Reto Mitteregger
Abgabedatum: 24.06.2023 (überarbeitete Fassung: 12.08.2024)

Validität
Die verwendeten Daten stammen aus dem Schweizerischen Haushaltspanel, der BFS Statistik der Unternehmerverkehr sowie der Schweizerischen Gesundheitsbefragung. Die individuellen Daten vom BFS sind nicht öffentlich zugänglich, sind aber in Tabellen mit 95% Vertrauensintervalle aufgeführt. Diese Tabellen wurden visuell aufbereitet und sind unter der jeweiligen Grafik verlinkt. Die Daten aus dem Schweizerischen Haushaltspanel wurden gefiltert nach Alter (Personen zwischen 15 und 80). Der prozentuale Anteil der Antwortkategorien wurden nach Alter und Befragungsjahr errechnet. Den verwendeten Code findest du hier.