#srfarena: Was regt Diskussionen an und wer führt sie?

Die SRF-Arena wird nicht nur vor dem Fernseher mit der Familie, sondern auch in den sozialen Medien besprochen. Eine Analyse von Twitterdaten zeigt, dass die online-Diskussion einige Gemeinsamkeiten mit den Debatten am Leutschenbach hat.

Ein beliebiger Freitagabend, kurz vor halb elf, SRF1. Zu dramatischer Musik bewegen sich geschriebene Wörter über den Fernsehbildschirm, prallen aufeinander und zersplittern wie spröder Beton. Die Musik setzt zum Höhepunkt an, die Bruchstücke formieren sich zu einem neuen Wort: Arena. «Heute in der Arena…» verkündet eine Frauenstimme aus dem Off. Sie wird gleich die Gäste vorstellen, die in den nächsten 70 Minuten unterschiedliche Standpunkte zu einem aktuellen politischen Thema vertreten. Willkommen in der bedeutendsten Politshow des Landes.  Während sich die Gäste in der Arena die Argumente um die Ohren schlagen, sich gegenseitig ins Wort fallen und Allianzen schmieden, findet andernorts ebenfalls eine Diskussion statt: Unter dem Hashtag «#srfarena» wird die Debatte auf Twitter weitergeführt.

Wie die Debatte im SRF-Studio am Leutschenbach aussieht, wissen wir. Doch wie ist das auf Twitter? Was bewegt? Wer beteiligt sich? Eine Auswertung von Twitterdaten aus dem Zeitraum von 2016 bis Anfang 2019 geht diesen Fragen auf den Grund (Details zum Vorgehen in der Infobox). Wie sich zeigt, ist die Twitter-Debatte gar nicht so anders als jene im Fernsehen.

Publikum als Live-Kommentator

Wie in den Daten schön zu erkennen ist, entstehen die meisten Tweets freitags zwischen 21:00 und 24:00 Uhr. Ungefähr in diesem Zeitraum wird die Arena in der Regel ausgestrahlt. Somit gibt Twitter den Zuschauer*innen die Möglichkeit, die Sendung von der heimischen Couch aus in Echtzeit zu kommentieren. Nach dem Freitag gibt es am Samstag und Sonntag noch einige wenige Tweets unter #srfarena. Danach ist die Anzahl Tweets aber beinahe bei null. Am Donnerstag zeichnet sich ab, dass für den Freitag die Gäste und das nächste Thema angekündigt werden, grosse Diskussionen löst dies jedoch noch nicht aus.

Nicht nur entstehen die Tweets zu #srfarena meist zeitgleich zur Ausstrahlung, bisweilen ist sogar der Moderator online derselbe wie im Fernsehstudio. Jonas Projer, der vor kurzem zu Ringier gewechselt hat, hat mit wenigen Ausnahmen alle Arena-Sendungen im untersuchten Zeitraum moderiert. Nach eigenen Angaben ist Projer im Büro ständig online. Das zeichnet sich auch in seiner Twitternutzung ab. Obwohl er freitags mit der Produktion der Sendung beschäftigt war, hat er von 2016 bis 2018 über 1500 Tweets mit #srfarena gepostet. Einerseits hängt das natürlich damit zusammen, dass er jeweils Werbung für die kommende Sendung machte. Andererseits scheint Projer die Rolle als Moderator auch online zu behagen. Ein perfektes Beispiel dafür ist der Tweet, für den er die meisten Likes erhalten hat:

Gleichstellung und No-Billag-Initiative bewegen, Landwirtschaft und Parteien lassen kalt

Neben einem gewissen Promibonus, den Projers beliebtester Tweet durch die Erwähnung des Glamour-Paares Dominique Rinderknecht und Tamy Glauser hat, dürfte die grosse Anzahl Likes damit zusammenhängen, mit welchem Thema sich die Sendung befasst. Die Arena hatte den Titel «Sollen Tamynique heiraten dürfen?». Dabei geht es natürlich um die in der Schweiz nach wie vor nicht erlaubte Eheschliessung homosexueller Paare. In der Arena wurde seit 2016 nicht nur die Gleichstellung von LGB-Personen, sondern auch die Gleichstellung zwischen Mann und Frau einige Male thematisiert. Diese Sendungen stiessen auf Twitter durchschnittlich auf die grössten Reaktionen. Das liegt sicher auch an der Sendung mit Titel «Frau am Herd?» vom 10. Juni 2016. Der Titel dieser Arena hat für einen mittleren Shitstorm in den sozialen Medien geführt, da viele Personen – vor allem Frauen – die Fragestellung als rückwärtsgerichtete Provokation empfanden. Sichtbar wird das an der Anzahl Tweets pro Sendung: «Frau am Herd?» ist die mit klarem Abstand meistdiskutierte Ausgabe der Arena.

Die Themen Medienpolitik und Migration stiessen ebenfalls auf ein relativ grosses Echo auf Twitter. Das Thema Migration war besonders im Jahr 2016 dominant: Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, die Durchsetzungsinitiative und die Asylgesetzrevision polarisierten 2016 die Schweizer Bevölkerung. Die dazugehörigen Arena-Sendungen wurden auf Twitter jeweils vergleichsweise rege diskutiert. Das Thema Medienpolitik wird dominiert von den Sendungen über die No-Billag-Initiative. Diese hat sowohl vonseiten der Gegner, aber vor allem vonseiten der Befürworter auf Twitter mobilisiert. Die Arena war zudem in einer kniffligen Situation: sie musste als SRF-Erzeugnis neutral über die Abschaffung ihrer Finanzierung berichten. Dieser Umstand hat sicherlich auch auf Twitter für Diskussionsstoff gesorgt.

Sachthemen bewegen auf Twitter offensichtlich stärker als Sendungen zu Wahlen und Parteien wie etwa die „Elefantenrunden“ mit den Parteipräsidenten und -präsidentinnen oder der Rückblick auf Wahlen. Ausgenommen von dieser Regel sind die Themen Wirtschaft und Landwirtschaft, zu denen durchschnittlich noch weniger getweetet wird. Das könnte damit zusammenhängen, dass Diskussionen zu Wirtschaftsthemen häufig komplex und technisch sind, was kurze, pointierte Kommentare erschwert.

Das Thema Umwelt und Energie befindet sich im Mittelfeld. Hier muss berücksichtigt werden, dass die Klimabewegung zu einem Zeitpunkt Fahrt aufgenommen hat, der in den Daten für diese Auswertungen nicht mehr berücksichtigt wird.

Männlich, Journalist und politisch interessiert

Da Gleichstellung ein derart beliebtes Diskussionsthema ist, interessiert, wie es denn mit der Gleichstellung auf Twitter bestellt is. Von welchem Geschlecht gibt es wie viele Tweets mit #srfarena? Natürlich haben viele Profile in den sozialen Medien kein Geschlecht, so etwa die Accounts von Parteien, Organisationen und Zeitungen. Betrachtet man nur die Twitter-User, die man eindeutig einem Geschlecht zuordnen kann, wird ersichtlich, dass die Männer deutlich in der Überzahl sind. Dies gilt auch beim Thema Gleichstellung, auch wenn dort Frauen stärker vertreten sind als über alle Sendungen betrachtet.

Über die Tweetenden lässt sich mehr herausfinden, als nur das Geschlecht. Das Twitterprofil gibt den Usern die Möglichkeit, sich selbst kurz zu beschreiben. Ein Blick auf die kurzen Selbstbeschriebe der Twitterprofile, die den Hashstag #srfarena genutzt haben, gibt einiges über die typischen Arena-Kommentierenden preis. Viele interessieren sich für Politik, Musik und Social Media und kommen wenig überraschend aus der Schweiz. Auffällig viele Studierende scheinen sich trotz Streaming für lineares Fernsehen zu interessieren. Zudem erklären die Selbstbeschriebe, weshalb Sendungen zur No-Billag-Initiative derart bewegten. Viele User beschreiben sich selbst als Journalisten und wären daher direkt von dieser Initiative betroffen gewesen. Die hohe Platzierung des Wortstammes «presid» lässt darauf schliessen, dass viele User ein wichtiges Amt in einer Partei oder einer ähnlichen Organisation haben. Beinahe hundert Mal kommt das Wort «council», zu Deutsch «Rat» vor. Diese Personen sitzen mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Parlament – sei es auf Bundes-, Kantons- oder Gemeindeebene. Im Grunde sind die Personen, die sich auf Twitter zur Arena äussern, den Gästen im Leutschenbach gar nicht unähnlich. Etwas überspitzt: Auf Twitter diskutieren Journalisten mit Politikern über eine Sendung, in der Journalisten Politiker diskutieren lassen.

Daten, Methoden und Validität
Die Daten für die vorliegenden Analysen stammen von verschiedenen Quellen. Informationen über die Inhalte und Ausstrahlungstermine von Arena-Sendungen sind einem Datensatz mit den Untertiteln der einzelnen Sendungen entnommen, welcher diesem Kurs vom Digital Democracy Lab zur Verfügung gestellt wurde. Die Twitterdaten wurden vom Autor selber gescrapt. Den dokumentierten Code dazu und zu den einzelnen Analysen finden Sie hier.
Die Zuteilung der Tweets zu einer Arena-Sendung ist so gehalten, dass alle Tweets von Donnerstag bis Mittwoch zu der dazwischenliegenden Sendung gehören. Die Verteilung der Tweets lässt darauf schliessen, dass dies die sinnvollste Zuteilung ist. Es ist allerdings durchaus denkbar, dass einige Tweets bereits früher oder erst später auf eine Sendung Bezug nehmen. Fehler in der Zuteilung sind daher nicht auszuschliessen.
Die Bestimmung des Geschlechts der Tweetenden wurde automatisiert und ist ebenfalls Fehleranfällig. So gibt es Namen, die gleichermassen für Frauen als auch für Männer genutzt werden können (z.B. Andrea), zudem ist die angewendete Methode nicht auf Namen aus der Schweiz optimiert. Für einen einordnenden Überblick sollte die Analyse jedoch präzise genug sein.
Da User-Beschriebe in verschiedenen Sprachen verfasst sind (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch…), wurden für die bessere Vergleichbarkeit alle Twitter-Biografien mittels DeepL ins Englische übersetzt. Englisch wurde gewählt, da die meisten Programme zur Textauswertung die englischen Sprache am präzisesten bearbeiten.

Bloginformationen
Titel: #srfarena: Was regt Diskussionen an und von wem werden sie geführt?
Autor: Jonas Glatthard
Email: jonas.glatthard@uzh.ch
Matrikelnr.: 15-709-652
Abgabedatum: 16.06.2019
Vorlesung: Forschungsseminar Politischer Datenjournalismus (HS18)
Dozierende: Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Alexandra Kohler, Theresa Gessler
Anzahl Worte: 992 (exkl. Titel, Lead,  Anhänge und Referenzen)
Selbstständigkeitserklaerung

Referenzen
Huber, Sarah (2018): „Jonas Projers Kinder bekommen noch lange kein Handy“. In: Schweizer Illustrierte (https://www.schweizer-illustrierte.ch/stars/schweiz/jonas-projer-arena-reporter-moderator-im-interview-ueber-smartphone-und-kinder [16.6.19])
Hanimann, Carlos (2016): „Journalismus im Schraubstock“. In: Die Wochenzeitung, Nr. 24. (https://www.woz.ch/-7db3 [16.6.19])

1 comment

  1. Beim Lesen der Zeitschrift active und live vom Oktober 2020 ist mir ein Artikel auf gefallen Trockene Luft,
    Jetzt eine Frage warum wird das nicht kommuniziert. Denn wer in der Nacht bei Offenen Fenster
    Schläft Trocknet seine Atemweg und Bronchen aus da geht der Schutz des Körber aus, durch das ist es für Viren einfacher eine Person zu infizieren.
    Wäre es nicht an Zeit die Bevölkerung darauf hin zu weisen das wäre sicher auch ein mittel zum
    Eindämmen des Virus.

    Mit freundlichen grüssen
    Hans Ulrich Mathys
    E-Mail:hu-mathys@bluewin.ch

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