Dass es schwierig ist, die eigenen politischen Forderungen im Alltag konsequent anzuwenden, sollte seit den Klimaprotesten gemeinhin klar sein. Doch wie steht es ums Familienleben? Sind Wähler:innen linker Parteien tatsächlich gleichgestellter unterwegs, wenn es um Hausarbeit und Kinderbetreuung geht?
Albert Rösti habe, so erzählte es seine Ehefrau, bereits am ersten Date angekündigt, dass er keine Zeit haben werde, um sich um die künftigen Kinder zu kümmern. Was Mitte der 1980er noch eher üblich war, würde heute wohl beim Gegenüber zu mehr Stirnrunzeln führen. Schliesslich ist die Verteilung der Arbeit im Haushalt und in der Kinderbetreuung seit geraumer Zeit ein Politikum, dessen mediale Präsenz in den vergangenen Jahren nur noch gewachsen ist.
Nach Zahlen des Bundesamtes für Statistik von 2020 investieren Frauen deutlich mehr Zeit in die Haus- und Familienarbeit als Männer: 28.7 zu 19.1 Stunden pro Woche. Für Haushalte mit Kindern kamen zusätzlich 23 Stunden für Frauen und 14.8 Stunden für Männer dazu. Auch politisch sind die Fronten klar: Massnahmen für eine ausgeglichenere Verteilung unbezahlter Arbeit im Haushalt und in der Kinderbetreuung sind Kernforderungen linker Parteien. Von bürgerlicher Seite werden Eigenverantwortung in der Organisation des Familienlebens angeführt, in welchem der Staat nichts verloren habe. Spiegeln sich diese Ansichten in der Organisation der Wählerinnen und Wähler wider? Oder anders gefragt: Organisieren Herr und Frau Schweizer ihr Familienleben nach Parteicouleur? Welche politische Präferenz geht mit der egalitärsten Verteilung von Hausarbeit und Kinderbetreuung einher?
Die vorliegende Analyse basiert auf Daten aus dem Jahr 2021 des Schweizer Haushalt-Panel, einer jährlichen Befragung von Privathaushalten zur Beobachtung der Veränderungen der Lebensbedingungen in der Schweiz. Sie vergleicht die politischen Wahlabsichten der Befragten mit ihren Angaben zur Verteilung der Haus- und Kinderbetreuungsarbeit. Die Angaben stammen jeweils von einer Person pro Haushalt. Die Auswertung beschränkt sich dabei auf die fünf grössten Parteien: Grüne, SP, GLP, Die Mitte, FDP sowie die SVP. Teilnehmende wurden gefragt, wer in verschiedenen Bereichen der Haushaltsarbeit und der Kinderbetreuung am meisten beiträgt. Diese Angaben wurden auf je eine Grösse für Hausarbeit und für die Kinderbetreuung aggregiert.
Klare Muster in der Hausarbeit
Für Paare ohne Kinder ergeben sich klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Verteilung folgt dabei bedingt der politischen Position. Personen, welche angaben, die sozial konservativeren SVP und Mitte wählen zu wollen, haben den tiefsten Wert für ausgeglichene Hausarbeit bei etwas mehr der 20% der Befragten. FDP, SP und Grüne sind ähnlich auf bei etwas mehr als 30% der Befragten, welche eine ausgeglichene Verteilung der Hausarbeit angeben. Obenaus ist die GLP mit 44%. Festzuhalten gilt hier, dass die Befragten ohne Kinder verglichen mit den Paaren mit Kindern im Durchschnitt deutlich älter sind (62.2 Jahre gegenüber 44.8 Jahre). Traditionellere Rollenaufteilungen spielen daher in dieser Gruppe eine stärkere Rolle und führen zu klareren Geschlechterunterschieden.
Die Verteilung der Hausarbeit bei Paaren mit Kindern ändert sich klar und unterscheidet sich über die Parteipräferenz hinweg. Die ausgeglichenste Verteilung findet sich nun bei den jenen, welche angaben, die Grünen wählen zu wollen mit 37%. Am tiefsten ist der Wert bei der FDP und der Mitte mit 17%. SVP (25%), GLP (23%) und SP (27%) liegen im Mittelfeld der ausgeglichenen Haushaltsarbeit.
Mehr Ausgleich in der Kinderbetreuung
Die Kinderbetreuung ist wiederum ausgeglichener organisiert als der Haushalt. Der Anteil an Haushalten, in welchen Eltern gleich involviert sind darin, den Hausaufgaben zu helfen, im Krankheitsfall für die Kinder zu sorgen oder mit den Kindern zu spielen ist höher als bei der Hausarbeit. Auch hier scheinen die Wahlabsichten zur Organisation des Familienlebens zu passen: Befürworter:innen linker Parteien teilen sich die Kinderbetreuung gleichmässiger auf als die Bürgerlichen. Ausreisser sind bei der GLP zu finden: Nur 21% der Frauen, mit der Absicht, die GLP zu wählen, geben an, dass die Kinderbetreuung gleichmässig verteilt sei gegenüber 39% der Männer.
Liegt es wirklich an der Partei?
Dieser Beschrieb von Zusammenhängen zwischen Parteienpräferenz und der Aufteilung von Haushalts- und Betreuungsarbeit liefert noch keine Anhaltspunkte, dass ersteres tatsächlich letzteres beeinflussen würde. Eine Untersuchung der Relevanz der Parteienpräferenz gepaart mit weiteren Einflüssen ergibt, dass andere Faktoren (welche wiederum ihrerseits die politische Einstellung mitbeeinflussen) eine wichtigere Rolle spielen. Allen voran sind hier das Geschlecht, das Alter und der Bildungsabschluss zu nennen. Folgemässig sind auch Faktoren wie, ob eine Person arbeitstätig ist, zu welchem Pensum und in welchem Berufsfeld massgebliche Einflüsse auf die Aufteilung von Haus- und Betreuungsarbeit innerhalb eines Haushalts. Einer ausgeglichenen Aufteilung von Hausarbeit und Betreuung zuträglich ist weiter, ob man für diese Aufgaben externe Unterstützung erhält.
Wird alles gleich verbucht?
Da die zugrundeliegenden Daten auf Eigenaussagen basieren, sind sie mit etwas Vorsicht zu geniessen. Gleichwohl kann man allgemein festhalten: Frauen und Männer sind sich nicht ganz einig in der Verbuchung. So geben Männer verglichen mit Frauen konstant häufiger an, die Verantwortung der Hausarbeit wie auch der Kinderbetreuung sei innerhalb des Paares gleichmässig verteilt. Die Unterschiede in der Einschätzung sind statistisch signifikant und besonders ausgeprägt bei der Verteilung der Hausarbeit in kinderlosen Paaren. Rund 36% der Männer geben an, diese sei gleichmässig verteilt gegenüber nur 26% der Frauen. Dieser Unterschied von 10 Prozentpunkten sinkt bei der Frage nach der Kinderbetreuung (41% zu 36%) und schliesslich der Hausarbeit bei Paaren mit Kindern (29% zu 25%). Wer nun beklagen möchte, dass die Männer von heute noch immer eine verzerrte Wahrnehmung haben, sei beruhigt: Wie bereits erwähnt, dürfte diesem Unterschied insbesondere der höhere Altersdurchschnitt der kinderlosen Paaren zugrunde liegen.
Haus- und Betreuungsarbeit bleiben ein politisches Thema
Die Unterschiede sprechen gleichwohl dafür, dass Haus- und Betreuungsarbeit auf absehbare Zeit Gegenstand politischer Debatten bleiben werden. Und während Parteienfarbe damit verbunden ist, ist sie wohl weniger Ursache als eher Resultat ähnlicher Einflüsse. Ob Bundesrät:in in spe oder nicht – früher oder später sollte das Thema bei Frischverliebten auf den Tisch kommen. Es darf aber wohl auch erst beim zweiten Date sein.
Informationen zum Blogbeitrag:
Verfasser: Lorenzo Zambelli
Kontakt: lorenzovalerio.zambelli@uzh.ch
Seminar: Forschungsseminar Politischer Datenjournalismus (FS 2024)
Verantwortliche: Lucas Leemann, Karsten Donnay, Jacqueline Büchi, Reto Mitteregger
Abgabedatum: 30.06.2024 (überarbeitete Fassung: 10.09.2024)
Anzahl Worte: 610 (überarbeitete Fassung: 976)
Methoden, Analyse
Der Beitrag basiert auf Daten des Swiss Household Panels aus dem Jahr 2021. Die Variablen zu Haushaltarbeit und Kinderbetreuung basieren auf einzelnen Items (Hausarbeit: kochen, putzen/aufräumen, einkaufen, waschen/bügeln, Administratives; Kinderbetreuung: Verantwortung im Krankheitsfall, spielen, zur Schule/zum Kindergarten bringen, bei den Hausaufgaben helfen). Von den Antworten („vorallem ich“, „vorallem mein:e Partner:in“, „beide gleich“) wurde der Modus als aggregierte Antwort einer Person genommen. Die Antworten wurden auf Haushaltsebene gegeben, andere Mitglieder eines selben Haushaltes im Datensatz wurden aus der Analyse weggelassen, um eine Fremdzuschreibung der Einschätzung zu vermeiden. Die ebenfalls vorhandene Antwort option „andere Lösung“ wurde aus der Untersuchung weggelassen, wegen sehr kleiner Fallzahlen, wenn aggregiert (siehe Code). Observationen ohne Angabe zu Parteipräferenz und/oder Hausarbeit/Kinderbetreuung wurden aus der Analyse weggelassen.
Validität
Für die Grafiken sowie die im Text gemachten Aussagen wurden die im SHP-Datensatz enthaltenen Gewichte berücksichtigt. Die Konstruktion der aggregierten Variablen für Hausarbeit und Kinderbetreuung beruht auf Eigenaussagen der Panelteilnehmenden. Sie berücksichtigt ausserdem nicht die Unterschiede im Zeitaufwand zwischen einzelnen Arbeiten (bspw. Unterschiede im Zeitaufwand zwischen administrativen Arbeiten im Haushalt und der Mahlzeitzubereitung). Die Fallzahl für die Untersuchung beläuft sich auf 3149 Beobachtungen für Haushalte ohne Kinder und 899 Beobachtungen für Haushalte mit Kindern. Wie im Blogbeitrag erwähnt unterscheiden sich Paare mit und ohne Kinder insbesondere in Bezug auf ihr Altersprofil, was bei Vergleichen berücksichtigt werden muss (hinzugefügt in überarbeiteter Fassung).
Quellen
Antal, Erika. 2017. “Frequently Asked Questions about Weights in the SHP Technical Report.”
Blick.ch (2023): Das sagte Albert Rösti beim ersten Date zu seiner Theres (https://www.blick.ch/politik/bundesratsgattin-ganz-privat-das-sagte-albert-roesti-am-ersten-date-zu-seiner-theres-id19290118.html, accessed last 30.06.2024).
Bundesamt für Statistik (2021): Haus- und Familienarbeit. (https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/erwerbstaetigkeit-arbeitszeit/vereinbarkeit-unbezahlte-arbeit/haus-familienarbeit.html, accessed last 30.06.2024).