Ältere Menschen benutzen das Internet immer noch weniger häufig als jüngere. Für Politiker im höheren Alter könnte so eine wichtige Plattform für Kommunikation und Wahlkampf verloren gehen. Dieser Beitrag untersucht die Unterschiede bei der Internetpräsenz verschiedener Altersgruppen im Nationalrat.
Der digitale Graben (engl. Digital Divide) ist ein Konzept, das die Unterschiede bei der Internetnutzung und beim Internetzugang beschreibt. Ein solcher Graben ist auch in der Schweiz zu finden, der Grey Gap, also die abnehmende Internetnutzung mit zunehmendem Alter. Es ist allgemein bekannt, dass auch in der Schweiz ältere Menschen das Internet immer noch weniger häufig nutzen, auch die Zahlen des Bundesamts für Statistik untermauern diese Aussage.
Bereits als Normalbürger hat die Nichtverwendung des Internets Folgen, viele einfache Tätigkeiten werden dadurch erschwert. Doch besonders Politiker könnten die Folgen spüren. Denn das Internet bietet nicht nur die Möglichkeit, sich einfach mit den potentiellen Wählern zu unterhalten, sondern stellt auch eine wichtige Plattform für den Wahlkampf dar. E-Campaigning ist bereits heute ein wichtiger Begriff und wird in Zukunft sicher noch mehr an Bedeutung gewinnen. Sollten ältere Politiker das Internet also tatsächlich weniger zur Selbstdarstellung nutzen, könnten sie so wertvolle Reichweite und damit Wählerstimmen verlieren.
Im Zentrum dieses Beitrags stehen nun die unterschiedlichen Internetauftritte der verschiedenen Altersgruppen im Schweizer Nationalrat. Untersucht wird der Auftritt anhand von drei Ebenen: Das Vorhandensein einer persönlichen Homepage, einer Facebookseite und einem Twitterprofil. Ob nun der Parlamentarier die Profile selbst verwaltet, lässt sich natürlich nur schwer herausfinden. Das Vorhandsein spricht aber wenigstens dafür, dass das Internet für den jeweiligen Parlamentarier kein Neuland mehr ist und er sich über die Relevanz des Internets im Wahlkampf bewusst ist.
Altersverteilung im Nationalrat
Bevor man sich ins Internet stürzt und die verschiedenen Auftritte betrachtet, muss zuerst die Altersverteilung im Nationalrat genauer angeschaut werden. Der Nationalrat reicht vom 27-jährigen Mathias Reynard, bis zum 83-jährigen Jacques Neirynck. Für die Untersuchung wurden nun vier Altersgruppen gebildet. Mit 40,5% aller Sitze, also insgesamt 81 Nationalräte, ist die Gruppe zwischen 50 und 59 am grössten. Das Schlusslicht bilden die Nationalräte bis 39, welche nur 13,5% aller Sitze haben.
Homepage
Eine persönliche Homepage war lange das Aushängeschild für den eigenen Internetauftritt, diese Beudeutung ist aber mit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke gesunken. Trotzdem bietet eine Homepage immer noch attraktive Möglichkeiten für Politiker. So ist natürlich alles nach eigenen Wünschen editierbar und die Beiträge können unbegrenzt lang sein. In diesem Schritt wurde nur das Vorhandensein einer Homepage überprüft, technische oder ästhethische Kriterien wurden nicht beachtet. Die Verteilung zwischen den Altersgruppen sieht folgendermassen aus:
Auf den ersten Blick überrascht die Grafik, denn persönliche Homepages sind deutlich häufiger vorhanden, als man annehmen würde. Sogar bei der ältesten Gruppe besitzen immer noch knapp Dreiviertel der Nationalräte eine eigene Homepage. In Führung liegt die Altersgruppe 40+, jedoch gibt es sowohl bei dieser, wie auch bei der Gruppe bis 39 jeweils nur eine Person ohne Homepage. Der grösste Unterschied gibt es hier zwischen der 40+ und der 50+ Gruppe.
Für den zweiten Schritt werden noch die vier grössten Nationalratsparteien betrachtet: Die CVP, die FDP, die SP und die SVP. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob es nicht nur zwischen den Altersgruppen, sondern auch zwischen den Parteien Unterschiede gibt.
Bei der CVP und der SVP verhält es sich, wie man es gemäss der Grey Gap Theorie annehmen würde: Die Parlamentarier der beiden jüngeren Altersgruppen besitzen ausnahmslos eine eigene Homepage. Ab 50 nimmt der Anteil ab, bleibt aber besonders bei der SP auch mit zunehmendem Alter hoch. Die FDP ist ein Sonderfall: Ausser in der 50+ Gruppe besitzen alle Nationalräte eine Homepage, nur 2 Nationalräte haben keine. Ein Nachholbedarf zeigt sich bei der SVP. Bereits bei den zwei jüngeren Altergruppen hinken sie den anderen Parlamentariern deutlich hinterher. Von der ältesten Gruppe haben nur 57,1% der SVP-Parlamentarier, also 12 Nationalräte insgesamt, eine persönliche Homepage.
In der Schweiz liegt Twitter zwar immer noch deutlich hinter Facebook, das soziale Netzwerk wird aber auch hier mehr und mehr zu einem beliebtem Sprachrohr für Politiker. Durch die Einschränkung der Beitragslänge ist ein Tweet schnell verfasst, zudem lassen sich vorallem durch die Twittercards fremde und eigene Beiträge ästhetisch ansprechend teilen. Twitter dient für viele ausserdem als Aggregator für Neuigkeiten, so kann man sich schnell über die eigenen Interessen und das eigene Umfeld informieren. Die Twitternutzung im Nationalrat sieht folgendermassen aus:
Insgesamt nutzen 98 Nationalräte Twitter. Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen werden hier aber bereits deutlicher, als es bei den Homepages der Fall war. Bereits ab 40 nimmt der Prozentanteil deutlich ab, der grösste Unterschied gibt es aber zwischen der 50+ und 60+ Gruppe (-20%). Betrachtet man wieder die vier Parteien, sieht es folgendermassen aus:
Bereits die jüngste Gruppe twittert sichtbar häufiger, als die zweitjüngste, dann geht es steil bergab. Überraschenderweise ist liegt die 60+ Gruppe aber noch vor der 50+ Gruppe. Dies ist besonders aktiven Nationalräten wie Susanne Leutenegger Oberholzer und Silvia Schenker zu verdanken. Aber auch bei der 50+ Gruppe gibt es trotzdem einige besonders aktive Twitternutzer, erwähnenswert ist hier Jacqueline Badran.
Die jungen SVP-Nationalräte haben zwar wenige Accounts (siehe oben), aber trotzdem durchschnittlich am meisten Tweets. Nachholbedarf gibt es für alle vier Parteien besonders in der 50+ Gruppe. Ein richtiger Verlauf gemäss Theorie gibt es hier aber nur bei der FDP.
Das Untersuchen von Facebook stellt sich komplizierter dar, als bei Twitter. Während bei Twitter alle die gleiche Art von Account haben, gibt es bei Facebook Profile, Gruppen, Seiten und sogar automatischgenerierte Seiten mit Wikipediainhalten. Viele Politiker benutzen nach wie vor ein Profil, obwohl eigentlich eine Seite empfehlenswerter wäre. Eine Seite ist nicht nur von Grund aus öffentlich, sondern bietet dem Nutzer zusätzliche Funktionen. So können mehrere Personen eine Seite verwalten, man hat tiefgreifende Statistiken und sogar das Aufschalten von Werbung ist damit möglich. Aus diesen Gründen wurden hier nur die Seiten beachtet, Profile wurden ignoriert.
Mit einem Unterschied von 40% zwischen der 40+ und der 50+ Gruppe, wird hier der digitale Graben noch deutlicher als vorhin. Nationalräte über 50 nutzen die Facebookseiten zu selten, so geht eine wertvolle Möglichkeit verloren, um den eigenen Wahlkampf zu verbreiten.
Die ältesten FDP-Nationalräte, welche vorhin bei Twitter kaum noch zu finden waren, stehen hier in einem guten Licht. Denn bei den Facebookseiten sind es besonders die CVP und die SVP, die unter dem Grey Gap leiden. Die SP erreicht zwar in keiner Altersgruppe die 50%-Marke, Optimierungsbedarf besteht hier aber besonders in der 50+ Gruppe.
Fazit
Ein digitaler Graben zwischen den Altersgruppen ist im Nationalrat tatsächlich zu finden, jedoch muss man stark zwischen den verschiedenen Möglichkeiten der Selbstdarstellung im Internet unterscheiden. Bei den persönlichen Homepages nimmt die Anzahl zwar auch ab 50 ab, trotzdem sind auch älteren Nationalräte hier gut vertreten. Hier muss man aber bedenken, dass Homepages seit den 90er-Jahren existieren, also viel länger als die sozialen Netzwerke.
Bei Twitter sieht man einen klaren Unterschied zwischen den Altersgruppen. Von den ältesten 51 Nationalräten besitzen nur 15 einen Twitteraccount. Und obwohl die Gruppe 60+ mehr tweetet als die Gruppe 50+, liegen beide noch weit hinter den Jungen. Da Twitter in der Schweiz immer noch viel Wachstumspotential hat, sollten auch die älteren Semester vermehrt auf den Zug aufspringen.
Überraschenderweise ist es Facebook, wo der Graben am deutlichsten sichtbar sind. Von den Nationalräten über 50 besitzen noch knapp ein Viertel eine Facebookseite, bei denen über 60 ist es noch knapp ein Fünftel.
Gleichzeitig gibt es auch Unterschiede zwischen den Parteien. Die SVP leidet unter einem Homepagemangel, die älteren FDP-Nationalräte sind zu wenig auf Twitter aktiv und die CVP braucht mehr Facebookseiten in der 60+ Gruppe. Auch die SP muss bei Facebookseiten noch zulegen, dies besonders in der 50+ Gruppe.
Autor: Mario Egloff | 09-722-869 | egloff.mario@gmail.com
Für: Seminar Policy-Analyse: Politischer Datenjournalismus (Frühlingssemester 2015)
Dozenten: Dr. Sarah Bütikofer, Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Michael Hermann und Dr. des. Bruno Wueest.
Abgabedatum: 29.03.2015
Wörter: 1276 (exkl. Lead)