FDP überholt SP – „Mission Possible“?

Die FDP hat nach den gewonnenen kantonalen Wahlen in Zürich, Luzern und Baselland neues Selbstvertrauen gefunden. Aufgrund der wiedererlangten Stärke wurden die Ziele umgehend nach oben korrigiert und so will die FDP im Herbst bei den nationalen Wahlen zweitstärkste Kraft im Land werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste sie die SP überflügeln. Wie realistisch ist dieses Ziel?

Die FDP sieht den kommenden National- und Ständeratswahlen optimistisch entgegen. Die Formkurve der einst gebeutelten Partei zeigt wieder nach oben. So konnte die FDP bei den bisherigen kantonalen Wahlen des Jahres 2015 unerwartete Erfolge einfahren. Den grössten Coup landete sie im April im Kanton Zürich und vermochte mehr Wähleranteile zurückzugewinnen, als sie im Jahre 2011 verloren hatte. Diese jüngsten Wahlerfolge scheinen die FDP zu beflügeln.
Parteipräsident Philipp Müller setzte an der Delegiertenversammlung der FDP die Ziele für die kommenden Wahlen denn auch so fest: „Wir müssen die SP überholen und die zweitstärkste Kraft des Landes werden.“ (NZZ, 25.04.2015)

Doch wie realistisch ist dieses Ziel? Hat die FDP wirklich noch Luft nach oben? Anhand der Panaschierstatistik der Kantonsratswahlen des Kantons Zürich, soll der Versuch unternommen werden, diese Frage zumindest für den Kanton Zürich zu beantworten.

Grafik 1 (Eigene Darstellung, Quelle: Statistisches Amt des Kt. Zürich)

Verlierer der Zürcher Wahlen vom April 2015 waren Grüne, GLP und BDP. Die Verluste der GLP und der BDP ebneten der FDP die Siegesstrasse (TagesAnzeiger, 17.04.2015). Zudem konnte die FDP, wie Grafik 1 zeigt, nicht nur Sitzgewinne einfahren, sondern sie vermochte auch im Panaschierranking den Spitzenplatz, welchen 2011 die Grünen innehatten, zu übernehmen. Dieser Spitzenplatz bedeutet nichts anderes, als dass die FDP-KandidatInnen und ihre Partei am meisten Wähler der anderen Parteien überzeugen konnten, sie auf ihrer Liste zu platzieren.

Grafik 2 (Eigene Darstellung, Quelle: Statistisches Amt des Kt. Zürich)

Grafik 2 (oberer Teil) verdeutlicht, welche Wähler aufgrund ihres Panaschierverhaltens der FDP am nächsten stehen. Allen voran panaschierten die BDP-Wähler mit 493.3 Panaschierstimmen pro 1000 Wähler am häufigsten zu Gunsten der FDP. Auf dem 2. Platz folgten die GLP-Wähler, welche die FDP mit 302.7 Panaschierstimmen pro 1000 Wähler unterstützten. Somit sind auch die beiden Parteien, welche bei den Kantonsratswahlen 2015 Wähleranteile an die FDP verloren hatten, nach wie vor die Parteien, welche die FDP mit Panaschierstimmen am meisten unterstützten.

Wenn man nun die relativen Veränderungen von 2011 zu 2015 in der Grafik 2 (unterer Teil) betrachtet, so sieht man, dass der Support der FDP seitens der BDP-Wähler um 11.3% eingebrochen ist. Der Abgang von BDP-Wählern zur FDP scheint das Panaschierpotential schrumpfen zu lassen. Anders sieht es bei den GLP-Wählern aus. Trotz an die FDP verlorener Wähler, ist das Potential bei den Panaschierstimmen um 10.7% gestiegen. Den grössten relativen Gewinn konnte die FDP bei den SP-Wählern verbuchen. Aber trotz einer Steigerung von 29.9% belegen diese immer noch den zweitletzten Platz. (Nur die Grünen panaschieren noch weniger FDP-KandidatInnen auf ihre Liste als die SP.) Diese grosse Steigerung auf sehr tiefem Niveau dahingehend auszulegen, dass die FDP über Potential verfüge, bei der SP in zukünftigen Wahlen Wähler zur eigenen Partei zu holen, scheint wenig realistisch. Lediglich 98.3 Panaschierstimmen pro 1000 SP-Wähler und ein sehr konstanter Wähleranteil der Partei über die letzten Jahre, lassen dies als unwahrscheinlich erscheinen.

Die FDP konnte – ausser bei der BDP und den Grünen – bei den Wahlen 2015 mehr Panaschierstimmen pro Wähler gewinnen, als vier Jahre zuvor. Die FDP und ihre KandidatInnen scheinen mehr Anklang bei den Wählern fremder Parteien zu finden, als dies 2011 noch der Fall war. Somit konnte die FDP nicht nur beim Wähleranteil zulegen, sondern auch bei den Panaschierstimmen.

Grafik 3 (Eigene Darstellung, Quelle: Statistisches Amt des Kt. Zürich)

Um hinter der SVP zweitstärkste Kraft zu werden, bleibt der FDP – sollte die SP nicht anderweitig Wähleranteile verlieren – nur die Hoffnung, Stimmen bei der BDP und der GLP zu holen. Grafik 3 zeigt das Panaschierverhalten der BDP-, GLP- und SP-Wähler: Dabei wird ersichtlich, dass die FDP den grössten Teil der Panaschierstimmen der BDP-Wähler auf sich vereint. Auf Rang 2 folgt die SVP. Die anderen Parteien bekommen keinen vergleichbaren Anteil der Panaschierstimmen der BDP-Wähler. Die BDP-Wähler geben keiner anderen Partei so viele Panaschierstimmen wie der FDP. Zugleich bekommt die FDP von keiner andern Partei mehr Panaschierstimmen pro Wähler als von der BDP. Somit profitiert die FDP am meisten vom Panaschierverhalten der BDP-Wähler. Die BDP bleibt trotz des Einbruches der Panaschierstimmen an die FDP das wahrscheinlichste „Opfer“ einer potentiell noch stärker werdenden FDP.

Punkto Panaschierverhalten der GLP-Wähler, befindet sich die FDP, von der SP knapp geschlagen, auf dem zweiten Platz. Anders als bei der BDP können hier keine klaren Präferenzen ausgemacht werden: Die GLP-Wähler verteilen ihre Panaschierstimmen zu fast gleichen Teilen an SP, FDP und die Grünen. Bei den GLP-Wählern ist anhand der Panaschierstatistik deshalb kein eindeutiges Potential zugunsten der FDP auszumachen. Die GLP scheint somit weit weniger gefährdet, Wähleranteile an die FDP zu verlieren, als die BDP.

Sollte bei den GLP-Wählern nichts mehr zu holen sein, so müsste die FDP fast 90% der rund 7500 BDP-Wähler der Zürcher Kantonsratswahlen 2015 für sich gewinnen, um im Kanton Zürich zur SP aufschliessen zu können. Dies scheint, von der Panaschierstatistik her beurteilt, unrealistisch. Nur für den Kanton Zürich betrachtet, scheint die national gewählte Zielsetzung der Parteileitung eher eine „Mission Impossible“ zu sein.

Info

Die in Grafik 2 und 3 verwendete Grösse berechnet sich wie folgt:
Panaschierstimmen der Herkunftspartei für KandidatInnen einer Zielpartei / Anzahl Wähler der Herkunftspartei * 1000

Beispiel:
Panaschierstimmen der BDP-Wähler für FDP-KandidatInnen / Anzahl BDP-Wähler * 1000
Die Grösse beziffert nun, wie viele Panaschierstimmen pro 1000 BDP-Wähler auf die KandidatInnen der FDP fallen.

Autor: Thomas Müller / 03-708-815 / thoeme.m@gmail.com
Für: Seminar Policy-Analyse: Politischer Datenjournalismus (FS 2015)
Dozenten: Dr. S. Bütikofer, Prof. Dr. F. Gilardi, Dr. M. Hermann und Dr. des. B. Wüest.
Abgabedatum: 24.05.2015
Worte: 778 (exkl. Lead)

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