SVP-Wähler sind so rechts, wie SP-Wähler links

Ein Rechtsrutsch ging durch die SVP-Basis und setzt sich weiter fort. Die Untersuchung der Vox-Befragungen von 1992-2012 zeigt, dass sich SVP-Sympathisanten  seit 1997 immer stärker rechts einstufen. Die Gründe für diese neue Selbstwahrnehmung basieren wahrscheinlich auf der gewollten Abgrenzung vom bürgerlichen Rest, der Verdrängung kleinerer rechtsaussen Parteien und nicht zuletzt auf dem von den Medien gezeichneten Bild der SVP .

Sie hat gut lachen, die Sonne auf dem Logo. Denn sie repräsentiert die erfolgreichste Schweizer Partei seit dem Ende des Kalten Krieges – die Schweizerische Volkspartei (SVP). Die Sonne wurde zum Markenzeichen einer Partei, die mit einer blendend funktionierenden rechtsaussen Strategie Parteieliten und Bundesrat wiederholt auf dem linken Fuss erwischte und damit beim Stimmvolk punkten konnte. 2007 wählte beinahe jeder dritte Urnengänger die SVP, wobei es 1992 noch jeder zehnte war.

Die mediale Debatten beschäftigten sich vorwiegend mit den Exponenten, dem Politikstil sowie der politischen Gesinnung der SVP und der Frage, wie weit rechts die heute grösste Partei der Schweiz ist. Die Basis der Partei stand meist weniger im Fokus. Wie stark rechts die Wählerschaft der grössten Rechtspartei der Schweiz ist, zeigt die folgende Untersuchung. Anhand der Vox-Analysen (repräsentative Umfragen nach Abstimmungen) zwischen 1992 und 2012 ist ersichtlich, dass die SVP-Basis in den vergangenen Jahren stark nach rechts rückte – zumindest in ihrer Selbstpositionierung auf einer Links-Rechts-Skala.

Darstellung der Grafik mit Unsicherheiten (Konfidenzintervallen)

Die Daten zeigen, dass sich die Befragten des bürgerlichen Lagers (SVP, CVP und FDP) 1992 noch kaum unterschieden haben. Der Durchschnitt positionierte sich selbst rechts der Mitte. 2012 zeichnet sich ein anderes Bild. Die Basis der SVP bog nach rechts ab, während Sozialdemokraten und Grüne sowie FDP- und CVP-Wähler ihrer Positionierung nahezu treu blieben. 2012 schätzen sich die SVP-Sympathisanten im Schnitt so rechts ein, wie sich die Sozialdemokraten links einschätzen. Es fand also eine einseitige Polarisierung in der Wählerschaft statt.

Wertefragen können nur einen Teil erklären

Die Selbstpositionierung auf der Links-Rechts-Achse visualisiert die Veränderung deutlich. Grund genug zur Annahme, dass sich der Rechtsrutsch auch in den Grundwerten der SVP-Basis widerspiegelt. Das heisst, dass sich auch ihre Haltung bezüglich der Bewahrung der Schweizer Traditionen, der Öffnung der Schweiz, Staatsinterventionismus oder der Chancengleichheit von Ausländern gegenüber radikalisiert haben sollte, sind dies doch Kernthemen der SVP. Analysiert man jedoch die Vox-Umfragen im Hinblick auf diese Wertefragen sieht man, dass die Werte seit der Erfassung der Daten auf dem gleichen Niveau verharren. 


Das bedeutet, dass sich die SVP-Wähler in den 1990er in etwa gleich viel Bevorzugung von Schweizern gegenüber Ausländern (Chancengleichheit), Bewahrung von Schweizer Werten (Tradition), Abschottung der Schweiz vom Ausland (Öffnung) und Wettbewerb in der Wirtschaft wünschten wie 2012. Trotzdem empfindet sich die Basis heute deutlich weiter rechts als die Mitte.

Ein möglicher Grund dafür ist, dass die Wähler der anderen bürgerlichen Parteien sich von der Position der SVP entfernt und ihre Werte geändert haben, was zu einer veränderten Wahrnehmung auf der Links-Rechts-Skala hätte führen können. Und tatsächlich: Zwischen 1995 und 2004 entsteht bezüglich der Haltung gegenüber Ausländern eine neue Kluft zwischen der SVP-Basis und jener der CVP und FDP. Also fast zeitgleich mit dem oben beschriebenen Rechtsrutsch. Was deshalb durchaus als möglichen Faktor für die Veränderung in Betracht gezogen werden muss.

Chancengleichheit

Im Bezug auf die anderen Werte lässt sich jedoch keine ähnliche Entwicklung feststellen. Es kann daher angenommen werden, dass die Werte alleine die starke Veränderung auf der Links-Rechts-Skala nicht erklären können.

Neulinge von aussen Rechts und Verdacht auf Rechtsextremismus

Für den Rechtsrutsch erachte ich zwei zusätzliche Faktoren als plausibel und wichtig, wenn auch anhand der Vox-Daten nicht empirisch belegbar. Erstens verdrängte die SVP mit ihrem Erfolg kleinere rechtsaussen Parteien wie  die Freiheits-Partei der Schweiz (FPS) und die Schweizer Demokraten (SD) und absorbierte deren Wählerschaft . Die Mobilisierung der Wähler am rechten Rand schlug sich vermutlich in der Selbstpositionierung auf der Links-Rechts-Achse nieder. 

 

Grund für den erfolgreichen Stimmenfang rechtsaussen war unter anderem der provokative und teils radikale Politstil der SVP. Mit dem damit verbundenen Erfolg der Partei liess sie kaum mehr Raum für eine andere Partei, welche sie rechts überholen hätte können. Genau in diesem Punkt sehe ich den zweiten wichtigen Faktor, der zu der Veränderung in der Selbstwahrnehmung der SVP-Basis führte.

Viele Medien und politische Gegner brachten die SVP ab Mitte der 1990er immer wieder in Verbindung mit der rechtsextremen Szene. Vor allem im Vorfeld der Wahlen 1999 war das Thema Rechtsextremismus und SVP sehr präsent. Dies unter anderem aufgrund von Äusserungen prominentester Exponenten der Partei. So machte der SonntagsBlick Christoph Blochers Lob für ein Buch des Holocaust-Leugner Jürgen Graf publik und in einem Interview mit der SonntagsZeitung verteidigte der heutige Bundesrat Ueli Maurer den wegen Rassendiskriminierung gebüssten Rimuss-Produzenten Emil Rahm. In diesem Abschnitt von 1997 bis 2000 ist der markanteste Rechtsrutsch der SVP-Sympathisanten auszumachen. Es kann daher gut sein, dass die mediale Debatte zu einem Umdenken in der Selbstpositionierung führte. Das heisst, dass sich die Bürgerinnen und Bürger, die sich mit der SVP identifizierten neu weiter rechts einstuften, da ihre Partei von den Medien ebenfalls sehr rechts dargestellt wurde. Zudem wollten sich die Wähler wahrscheinlich, wie oben erwähnt, aufgrund der Ausländerpolitik klar von der Mitte distanzieren.

Die Mischung dieser drei Faktoren erachte ich als eine plausible, wenn auch nicht empirisch überprüfte Erklärung für den Rechtsrutsch der SVP-Basis um die Jahrtausendwende und für den kontinuierliche Trend danach. Denn der mediale Diskurs um die SVP hält weiter an. So distanziert sich die SVP stets von der Mitte und gibt sich als „letzte bürgerliche Partei“. Und auch die Diskussionen um die Fremdenfeindlichkeit und Extremität der Partei dauern an. Immer wieder fallen Exponenten der SVP auf, lancieren die Diskussionen erneut (siehe hierhierhier, hier und hier oder hier) und werfen einen Schatten auf die sonst von der lächelnden Sonne geprägten Welt der wählerstärksten Schweizer Partei.

Von Patrice Siegrist
07-920-150
patrice.siegrist@uzh.ch

Blogbeitrag im Rahmen des Forschungsseminars: Politischer Datenjournalismus
Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Michael Hermann, Dr. des. Bruno Wüest

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