Neuste Zahlen des Städteverbands zeigen: Die SVP und Grünen konnten in den Städten seit 1983 stark zulegen. Das Nachsehen haben die FDP, CVP und SP, welche an politischem Terrain verlieren. Der Anteil Mandate dieser Parteien in städtischen Exekutiv- und Legislativgremien ist rückläufig.
Der Aufstieg der SVP ist nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in den Städten bemerkenswert. Zwischen 1983 und 2014 konnte sie ihre urbane Legislativmacht verdreifachen. 1983 war die heute wählerstärkste Volkspartei relativ unbedeutend. Bei den damaligen Nationalratswahlen erlangte sie 11 Prozent der Wählerstimmen. Während sie in den Stadtregierungen zu 10 Prozent – also fast ihrem damaligen Wähleranteil entsprechend – vertreten war, konnte sie in den Legislativgremien nur 5 Prozent der Sitze auf sich vereinen.
Auch die Grünen befinden sich auf einem regelrechten Siegeszug durch städtische Regierungen und Parlamente. So haben sie in den urbanen Entscheidungsgremien massiv an Einfluss gewonnen: Seit 1983 haben die Grünen ihre legislative Mandatsstärke vervierfachen können, während sie in den Exekutiven heute gar zehnmal stärker vertreten sind.
Mandatsverluste der FDP, CVP und SP in den Städten
Seit Jahren im Negativtrend befinden sich die FDP, CVP und SP. Besonders schmerzhaft ist dieser für die FDP. War sie 1983 mit 34 Prozent aller Mandate in städtischen Parlamenten die weitaus stärkste politische Kraft, sank dieser Anteil binnen 30 Jahren auf 23 Prozent. Damit ist sie heute gleich stark wie die SP. Diese tut sich ebenfalls schwer, ihre Mandate in urbanen Entscheidungsgremien zu halten. Bemerkenswert ist dies deshalb, weil die Wählerbasis der SP auf nationaler Ebene hauptsächlich in den Städten zu finden ist. Dennoch ist die Parteistärke der SP in diesen Gebieten – zumindest was die lokale Ebene anbelangt – rückläufig. Schwer wiegt der Verlust politischer Einflussnahme auch für die CVP: 1983 hielt sie 15 Prozent aller Legislativsitze, heute sind nur noch 10 Prozent davon christlich-demokratisch besetzt. Wie der obigen Grafik zu entnehmen ist, ergibt sich für die Exekutivgremien ein sehr ähnliches Bild.
Grossstädte werden linker
Der Städteverband teilt die Städte in vier Grösseklassen ein (vgl. Infobox). Vergleicht man die Entwicklung der Parteistärken zwischen den verschiedenen Kategorien zeigt sich: Grossstädte werden tendenziell linker. Die folgende Grafik schlüsselt die Daten nach Grösseklassen auf.
Der grüne Aufstieg war in den Grossstädten am erfolgreichsten. In dieser Kategorie konnte sich auch die SP behaupten und legte gegenüber 1983 sogar leicht zu. Die GLP vermochte seit ihrer nationalen Gründung im Jahr 2007 in den mittelgrossen und grossen Städten am stärksten zu wachsen. Dies geschah vor allem auf Kosten der FDP, welche in diesen Städten am meisten an politischem Terrain verlor.
Parteien stagnieren in Kleinstädten
In kleinen und mittleren Städten konnte die SVP von allen Parteien bis 2009 am stärksten zulegen. Interessanterweise stagnieren in diesen Kategorien die Mandatsstärken sämtlicher Parteien aber seit einigen Jahren. In fast der Hälfte aller Kleinstädte wird die legislative Gewalt gar nicht in Stadtparlamenten, sondern an Gemeindeversammlungen ausgeübt. Mit knapp 27’000 Einwohnern und Einwohnerinnen ist Rapperswil-Jona heute die grösste Stadt, die nicht über ein gewähltes Parlament verfügt. Dreimal jährlich entscheidet dort die Bürgerversammlung über Anträge des Stadtrats und Anliegen aus der Gemeinde.
Beständige EVP
Aus den Daten des Städteverbands wird ausserdem ersichtlich, dass die Kleinstpartei EVP seit über 30 Jahren 3 Prozent der städtischen Mandate innehält. Weder hat sich ihre Mandatsstärke über die Zeit verändert, noch treten gewichtige Unterschiede zwischen den verschiedenen Stadtgrössen zum Vorschein. Eine solch aussergewöhnliche Beständigkeit weist keine andere Partei auf.
SP nach wie vor stärkste politische Kraft in Städten
Über alle Städtekategorien gesehen haben die FDP, CVP und SP wie beschrieben empfindliche Verluste ihrer politischen Einflussstärke erlitten. Trotzdem sollte nicht vergessen werden, dass diese drei Parteien nach wie vor eine bedeutende Rolle bei der Bestellung von Volksvertretern und -vertreterinnen für urbane Entscheidungsgremien spielen. Die aktuellsten Daten des Jahres 2014 zeigen, dass die SP eine klare Vormachtstellung geniesst. Ausser in den Kleinstädten, wo die FDP den Ton angibt, steht die SP an der Spitze. Die folgende Grafik schlüsselt die aktuellen Parteistärken in städtischen Legislativen nach Kategorien auf.
Wo die Parteien toppen und floppen
Aus Sicht der Parteien sind Städte erstrebenswerte Orte ihrer Machtausübung. Was dort im Kleinen an Politikinhalten, Wahlkampfstrategien oder kommunikativem Auftreten in der Öffentlichkeit experimentiert wird, kann – falls erfolgreich – im grösseren Rahmen, sei es auf dem kantonalen oder nationalen Level, Anwendung finden. Die nachfolgende Grafik stellt für die acht grössten Parteien dar, in welchen Städten sie am Zenit ihres Erfolgs angelangt sind beziehungsweise wo noch Aufholbedarf besteht.
FDP beherrscht das Val-de-Ruz (NE)
Die einzige Ortschaft mit mehr als 10’000 Einwohnern, in der eine einzige Partei die absolute Macht auf sich vereinen kann, ist die im Neuenburger Jura gelegene Talschaft Val-de-Ruz. Hier stellt die FDP gleich zwei Mehrheiten: Im Conseil Général (Legislative) sind 22 von 41 Abgeordneten FDP-Mitglieder, im Conseil Communal (Exekutive) drei von fünf. Ganz anders sieht es beispielsweise in Delémont (JU) aus, wo die FDP mit drei von 41 Legislativmandaten und exekutiver Exklusion über alle Städte gesehen am schwächsten ist. Die Parteiensysteme dieser beiden Kantone sind aber grundsätzlich verschieden; so wird die FDP im sozialdemokratisch dominierten Jura wohl kaum an politischem Einfluss gewinnen können. Will die FDP aber ihren generellen Negativtrend in den Städten stoppen, sind dringende Änderungen lokaler Wahlkampfstrategien nötig. Bei der CVP und SP gilt dies, wie im Blogbeitrag aufgezeigt werden konnte, im Übrigen ebenso.
Daten
Die Daten wurden vom Städteverband erhoben und sind beim Bundesamt für Statistik abrufbar (Exekutiven und Legislativen). Stichtag der Datenerhebung war der 1. August 2014. Daher kann es sein, dass sich die Parteizusammensetzung in den Gremien aufgrund von zwischenzeitlich in einzelnen Ortschaften erfolgten Ersatz- oder Gesamterneuerungswahlen (leicht) verändert hat.
Kategorisierung
Als Stadt gilt jede Ortschaft ab 10’000 Einwohner und Einwohnerinnen. Der Städteverband weist dabei vier Städtekategorien aus:
1. Grossstädte (ab 100’000 Einwohner und Einwohnerinnen)
2. mittelgrosse Städte (50’000 – 99’999)
3. mittlere Städte (20’000 – 49’999)
4. kleine Städte (10’000 – 19’999)
Es muss beachtet werden, dass gewisse Städte über die untersuchten Jahre aufgrund von Bevölkerungszuwachs die Kategorie gewechselt haben. Dieser Blogbeitrag soll aber ein Gesamtbild der Entwicklung städtischer Parteistärken sowie deren Veränderungen innerhalb der untersuchten Kategorien vermitteln.
Literatur:
– Kriesi, Hanspeter, Lachat, Romain, Selb, Peter, Bornschier, Simon und Helbling, Marc (2005): Der Aufstieg der SVP: Acht Kantone im Vergleich. Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung.
– Seitz, Werner (2014): Geschichte der politischen Gräben in der Schweiz. Eine Darstellung anhand der eidgenössischen Wahl- und Abstimmungsergebnisse von 1848 bis 2012. Zürich/Chur: Rüegger Verlag.
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Autor: Lukas Lauener | lukas.lauener@uzh.ch | @l_lauener
Veranstaltung: Seminar Policy-Analyse: Politischer Datenjournalismus (Frühjahrssemester 2015)
Dozierende: Dr. Sarah Bütikofer, Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Michael Hermann und Dr. des. Bruno Wüest
Abgabedatum: 17.05.2015
Wörter: 903 (exkl. Infobox)
Wurden die Städte nach effektiver Grösse gewuchtet, um die Wähleranteile zu berechnen?
Nein, es wurde keine Gewichtung vorgenommen. Der Blogbeitrag behandelt die Mandats- nicht die Wählerstärke in den Städten.