Von Kyoto nach Paris – Ist trotz der Dunstwolke eine Lösung sichtbar?

Ende November dieses Jahres treffen sich in Paris die Länder dieser Welt, um einen Nachfolger für das Kyoto-Protokoll auszuarbeiten. Die UN-Klimakonferenz COP21 steht vor der grossen Aufgabe ein neues Abkommen für einen griffigen Klimaschutz zu verabschieden. Doch welche Länder haben die Kyoto-Ziele umgesetzt und was sind die Herausforderungen, die sich in Paris stellen?

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Paris verschwindet in der Emissionswolke (Quelle: Huffington Post)


Seit der ersten UN-Klimakonferenz 1995 in Berlin setzt sich die UN zum Ziel, die Treibhausgasemissionen und den damit zusammenhängenden Klimawandel zu stoppen. Mit der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls im Jahr 1997 und dessen Ratifizierung im Jahr 2005 stand in den letzten Jahren ein internationales Instrument für diesen Kampf zur Verfügung. Zurzeit haben 191 Länder dieses Protokoll unterschrieben.

Kyoto-Protokoll:
Das Kyoto-Protokoll wurde in Kyoto (Japan) im Jahr 1997 ausgearbeitet und trat 2005 in Kraft. Es animiert Industrieländer den Treibhausgasausstoss zu stabilisieren. Durch den Beitritt verpflichtet sich ein Land die Emissionen in der ersten Periode 2008 bis 2012 zu reduzieren. Diese Länder wurden im Anhang des Protokolls aufgeführt und werden darum Annex B Länder genannt. Das Jahr 1990 gilt hierbei als Referenzjahr. Das Kyoto-Protokoll spricht bewusst nur die Industrieländer (Annex B Länder) an, da diese den grössten Anteil an den Emissionen aufbringen. Im Jahr 2012 wurde in Doha die zweite Umsetzungsperiode 2013-2020 definiert.

Umsetzungsmethoden:
Neben den ganzen technischen Mitteln, Förderung erneuerbarer Energien, Senkung des Verbrauchs etc. verfolgt das Abkommen noch einen marktorientierten Ansatz. Durch den Handel mit Emissionszertifikaten können sich Länder oder Unternehmen einen höheren Treibhausgasausstoss von anderen Ländern oder Unternehmen abkaufen. Die Höhe des globalen Ausstosses ist jedoch definiert und darf diese nicht überschreiten. Dieses Verfahren wird auf die Tatsache abgestützt, dass die Klimaerwärmung ein globales Problem ist und die Einsparungen geographisch unabhängig sein sollten.

Annex B Länder:
Zu diesen Ländern gehören alle Staaten, welche sich für die Periode 2008-2012 verpflichtet haben, im Rahmen des Kyoto-Protokolls Emissionsreduktionsziele umzusetzen. Dazu gehören die Annex 1 Länder ohne Türkei und Weissrussland jedoch mit Kroatien, Slowenien, Monaco und Liechtenstein.

Bereits in den sechziger Jahren bemerkten die Wissenschaftler einen Anstieg der CO2 Konzentration in der Atmosphäre. Durch das Bevölkerungswachstum, die Globalisierung und den steigenden Wohlstand stieg der Treibhausgasausstoss weiter an. Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) stellte fest, dass die durchschnittliche globale Temperatur zwischen 1880 und 2012 um 0.85 °C anstieg und dass der Meeresspiegel zwischen 1901 und 2010 um 19 cm anstieg.

Entwicklung seit dem Kyoto-Protokoll

Trotz der Konzentration auf die Industrieländer und die freiwillige Umsetzung nahm der Treibhausgasausstoss zu. Das Kyoto-Protokoll kennt keine Sanktionen bei einer Nichteinhaltung der definierten Ziele. Die Konzentration auf diese Länder macht jedoch Sinn. Die 15 grössten Treibhausgasemittenten der Annex B Länder stiessen im Jahr 1990 rund 91 Prozent der Emissionen aller Annex B Länder aus. Dies zeigt, wo die Staatengemeinschaft den Hebel ansetzen musste.

Die nächste Grafik zeigt die Entwicklung seit dem Jahr 1990 bis zum Jahr 2012 und die Periode von 2008 bis 2012 (zwei Layer).

(Eigene Darstellung; Quelle: U.S. Energy Information Administration)


Die Daten der US Energy Information Administration umfassen die CO2 Emissionen eines Landes. Man erkennt auf den ersten Blick, dass vor allem die asiatischen Länder einen starken Anstieg zu verzeichnen haben. Dazu stieg der Ausstoss auch in afrikanischen und südamerikanischen Ländern an. Erwartungsgemäss liegen China und die erdölproduzierenden Golfstaaten Qatar und Oman im vorderen Teil der Rangliste. Daneben wuchs der CO2 Ausstoss auch in den meisten Schwellenländern. Die bevölkerungsreichen Länder wie Indien, Indonesien, Bangladesch, Vietnam und die Philippinen verzeichnen ebenfalls einen hohen Anstieg. Der grösste Teil von Europa konnte diesen jedoch reduzieren. Wenn man den Layer „2008 bis 2012“ betrachtet, sieht man, dass auch in dieser kurzen Zeit der CO2 Ausstoss zurück ging.

Kyoto Reduktionsziele 2008-2012

Untersucht man die Annex B Länder auf ihre Einhaltung der Reduktionsziele, sieht man jedoch, dass der CO2 Ausstoss wie oben gezeigt, meistens zurück ging. Für praktisch alle diese Länder wurden Reduktionsziele ausgearbeitet. Nur drei Länder durften ihren Ausstoss vergrössern. Die USA haben das Abkommen nie ratifiziert und Kanada trat aus dem Kyoto-Protokoll aus. Für die meisten Länder lag das Ziel bei einer Reduktion von acht Prozent. Das heisst, dass der mittlere Ausstoss in den Jahren 2008-2012 um acht Prozent tiefer liegen muss als jener aus dem Jahr 1990. Für einige Länder wurde ein anderes Richtjahr gewählt.

Reduktionsziel (Prozent) Annex B Länder
-8 Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowenien, Slowakei, Spanien, Tschechien
-7 Vereinigte Staaten von Amerika
-6 Japan, Kanada, Polen, Ungarn
-5 Kroatien
0 Neuseeland, Russland, Ukraine
+1 Norwegen
+8 Australien
+10 Island

(Eigene Tabelle; Quelle: UNFCCC)


Bei der Umsetzung der Reduktionsziele zeigt sich folgendes Bild: Nur gerade einmal sieben Länder (grün eingefärbt) konnten die gesteckten Ziele erreichen. Die meisten Länder verpassten ihre Ziele klar. Am stärksten verfehlten Irland und Spanien die Reduktionsziele. Die Schweiz stiess in dieser Periode im Schnitt 9.83 Prozent mehr CO2 aus als geplant.

((Eigene Darstellung; Quelle: U.S. Energy Information Administration)


Die USA zeigt mit 17.77 Prozent Verfehlung einen überraschend kleinen Wert auf. Der tatsächliche Ausstoss ist aber immer noch der zweithöchste der Welt. Irland, Spanien, Griechenland und Portugal, alles stark betroffene Länder der Wirtschaftskrise, die in dieser Periode herrschte, schafften es auch nicht, ihre Ziele umzusetzen. Dies überrascht nicht, da offenbar kein Geld vorhanden war, um zum Beispiel erneuerbare Energien zu fördern.

Paris 2015

Die Weltgemeinschaft trifft sich diesen Spätherbst in Paris, um über ein neues Kyoto Abkommen zu diskutieren. Wie an allen bisherigen Klimakonferenzen wiegen die Erwartungen der breiten Öffentlichkeit schwer auf den Schultern der Delegationen. Doch wie verhalten sich die einzelnen Länder bei den Verhandlungen? Welche Strategien verfolgen sie, um das Optimum für ihr Anliegen herauszuholen? Stefanie Bailer und Florian Weiler untersuchten anhand der Klimaverhandlung in Kopenhagen 2009 den Einfluss von strukturellen, ökonomischen und innenpolitischen Faktoren der Länder auf ihre Verhandlungspositionen. Bezüglich den zwei betrachteten Themen „Emissionsreduktion“ und „Finanzierung“ kommen sie zu folgenden Schlussfolgerungen: Durch den grossen Druck der Lösungsfindung versuchten die Staaten alles, um eine Einigung zu erzielen. Trotz der unkooperativen Haltung von China und Indien wurde eine Einigung (Copenhagen Accord) durch die unterschiedliche Themengewichtung von Schlüsselstaaten möglich. Entwickelte Länder hatten es leichter, den Entwicklungsländern Geld zu bezahlen, als selber Einsparungen vorzunehmen. Strukturelle Faktoren erschweren noch immer die Positionierung der einzelnen Staaten bei den Verhandlungen. Demokratisch gewählte Regierungen tendieren jedoch eher dazu, sich kooperativer zu verhalten. Sie fürchten eine allfällige Abwahl, wenn sie der Bevölkerung das öffentliche Gut „Umweltschutz“ nicht anbieten können. Der fortlaufende Demokratisierungsprozess könnte also eine positive Entwicklung bezüglich des kollektiven Verhandlungserfolg bewirken. Er wird jedoch auch durch die gleichen Faktoren „Verletzbarkeit“ und „ökonomische Kraft“ beeinflusst wie bei nicht-demokratische Staaten. Jedoch zwingt der öffentliche Druck demokratische Länder dazu, den Willen für eine mögliche Einigung zu zeigen.

Neben dem nötigen Willen der Staatengemeinschaft könnte in Paris auch das öffentliche Interesse eine Rolle spielen. Setzen sich vor allem demokratische Staaten nicht für griffige Reduktionsziele ein, braucht es den notwendigen Druck und Einsatz der Öffentlichkeit oder von Nichtregierungsorganisationen (NRO). Im Vorfeld der Klimakonferenz geben bereits die ersten Länder ihr Klimaziele bekannt. Diese werden von internationalen Organisationen bereits kommentiert und geben einen Hinweis auf eine mögliche Zielsetzung in Paris.

«[…] der Schlüssel ist es jetzt, die beiden größten CO2 Emitter, China und die USA, in ein mögliches Nachfolge-Protokoll einzubinden.» (Florian Weiler)

Für Florian Weiler (Postdoctoral Researcher, University of Bamberg) gibt es folgende Punkte, welche für einen Erfolg in Paris zu berücksichtigen sind: Der Einbezug von grossen Industrieländern (USA) in ein internationales Abkommen kommt nur dann zu Stande, wenn sich China auch an bindende Reduktionsziele hält. Da praktisch jedes noch so kleine Land ein internationales Ankommen zum Scheitern bringen kann, können solche Verhandlungen immer unwichtiger werden und durch Abkommen der grossen CO2-Produzenten ersetzt werden. Eine solche Entwicklung träfe vor allem kleine und verletzliche Länder. Dieser Trend zeigte sich schon in den letzten Jahren, da bereits wichtige Staaten nicht an Verhandlungen teilgenommen haben. Florian Weiler würde darum schon eine Weiterführung der internationalen Verhandlungen als Erfolg betrachten. Kann man sich sogar auf Reduktionsziele für Schwellenländer einigen, dann wäre das eine Überraschung.


Autor: Philipp Möhr / philipp.moehr@uzh.ch / 10-711-158 / Abgabedatum 17.05.2015
Blog: Im Rahmen des Forschungsseminars Policy Analyse: Politischer Datenjournalismus
Dozenten: Dr. Sarah Bütikofer, Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Michael Hermann und Dr. des. Bruno Wüest
Wörter: 1058 (exkl. Infobox und Infos)

Quellen:
– Bailer, Stefanie und Weiler, Florian (2014): A Political Economy of Positions in Climate Change Negotiations: Economic, Structural, Domestic, and Strategic Explanations. The Review of International Organizations (10), 43-66.
– United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC)
– COP21 Paris 2015, UN Climate Change Conference
– Admin.ch
– U.S. Energy Information Administration
– Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)

Methoden: In der ersten Grafik werden einfache prozentuale Anstiege des CO2 Ausstosses für die jeweilige Periode dargestellt. Die zweite Grafik befasst sich mit der Umsetzung der Emissionsziele. Dazu wird der Mittelwert der Umsetzungsperiode 2008-2012 berechnet. Anhand des Bezugwertes aus dem Jahr 1990 und dem Reduktionsziel wird der Zielwert für die Umsetzungsperiode berechnet. Danach wird die prozentuale Abweichung dieses Zielwerts vom Mittelwert kalkuliert.