Wie ähnlich wir unseren Nachbarn sind – oder auch nicht!

Der Rechtsruck in Deutschland ist erschreckend. Die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD) fordert in ihrem Wahlprogramm ein Deutschland der Deutschen und eine Ausweisung aller Nicht-Deutschen. Die AfD bezeichnet sich als die Stimme des Volks. Doch stimmt das wirklich? Im European Social Survey werden alle zwei Jahre Personen aus europäischen Ländern zu verschiedensten Themenw befragt. Ein kleiner Blick in die Daten verrät, wie die Deutschen und die Bewohner der Nachbarregionen wirklich fühlen was die Themen EU Integration und Einwanderung angeht.

Was genau macht eine deutsche Person mit deutscher Identität aus? Ich bezweifle, dass man heute noch von der einen deutschen Identität sprechen kann. Denn Deutschland ist unter anderem mit der Zuwanderung der Gastarbeiter in den 1960er Jahren und durch die Internationalisierung des Arbeitsmarktes zu einer multikulturellen Gesellschaft geworden. Ist es da nicht realistischer von einer europäischen oder gar globalen Identität zu sprechen? Aber die AfD grenzt sich ab und sagt Nein. Hetze gegen die EU und Ausländer treibt ihre Kundgebungen an. In einigen Bundesländern hat die AfD bei den Landtagswahlen im März erschreckend hohe Ergebnisse erreicht. Und die nächsten Landtagswahlen sind nicht weit entfernt. Daher ist es interessant zu schauen, wie sehr ähneln oder unterscheiden sich die in Deutschland lebenden Personen in diesen Themenbereichen untereinander. Wie homogen ist die Einstellung zu EU- und Einwanderungs-Themen überhaupt auf die verschiedenen Bundesländer verteilt? Im European Social Survey von 2014 wurden Personen aus Deutschland und den Nachbarländer Deutschlands zu verschiedenen Themen befragt, unter anderem auch EU Integration und der Einfluss von Einwanderern im eigenen Land. Um zu sehen, wie die Einstellung zur EU Integration und Einwanderern sich in den sechzehn deutschen Bundesländern unterscheidet, habe ich den Mittelwert für jedes Bundesland berechnet. Für den Vergleich mit den Nachbarregionen, habe ich die angrenzenden Regionen aus den Nachbarländern manuell selektiert und deren Mittelwert zu den Fragen berechnet. Auf den Karten in Bild 1 und Bild 2 sind die 16 deutschen Bundesländer plus die 20 Nachbarregionen von Deutschland abgebildet.* Für die Karten der Bundesländer habe ich im Nachhinein erneut den Mittelwert von den Regionen, die an das deutsche Bundesland grenzen ausgerechnet. Das gleich habe ich für die Nachbarbundesländer des Bundeslands im Fokus gemacht und für die restlichen Bundesländer, die nicht an das Bundesland im Fokus grenzen. Somit gibt es vier Kategorien, für die jeweils ein Mittelwert berechnet wurde. Das ganze wiederholt sich für insgesamt zehn Bundesländer, die ans Ausland grenzen. Die Bundesländer Hessen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und die drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg haben keine Grenze zum Ausland. In Bild 1 und Bild 2 sind jeweils die Ergebnisse für die Einstellung zur EU Integration und die subjektive Meinung der Befragten zu Einwanderern im eigenen Land grafisch dargestellt.

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Die erste Deutschlandkarte mit den Nachbarregionen in Bild 1 zeigt, dass die Deutschen im Vergleich zu ihren Nachbarn nicht ganz so skeptisch der EU gegenüber sind. Je dunkler die Einfärbung, desto stärker ist der Wunsch nach weiterer EU-Integration. In Deutschland ist der Stadtstaat Hamburg am stärksten für mehr EU-Integration, dicht gefolgt von Berlin, Niedersachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Von den Nachbarregionen erreicht die polnische Region West-Pommern den höchsten Mittelwert. Was den Unterschied zu den Nachbarregionen angeht, so ist zu erkennen, dass die Einstellungen zwischen Bayern und den österreichischen Grenzregionen sehr unterschiedlich sind. Die Bayern sind weitaus stärker für mehr EU-Integration als es die Menschen in Österreich sind.

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Ein Blick auf die  erste Karte zur Frage, ob Einwanderer das eigene Land zu einem wohnhafteren Ort machen oder die Situation verschlimmern, lässt die alten Grenzen der DDR wieder aufleben. Die neuen Bundesländer, exklusive Berlin, haben alle weitaus tiefere Mittelwerte als die alten Bundesländer. Auch die österreichischen Regionen befinden sich wieder im hellen Lager, während die Bewohner der polnischen Regionen im Durchschnitt der Meinung sind, dass Einwanderer das Land zu einem besseren Ort machen. Man kann also nicht von einem einheitlichen Deutschland sprechen, was die Frage der EU-Integration und der Einwanderung angeht. Aber es ist eben auch klar zu sehen, dass nicht alle Bundesländer für weniger Einwanderer und einen EU-Austritt sind. Das gleiche ist zu sehen, wenn man auf die Nachbarregionen blickt. Auch diese unterscheiden sich stark voneinander. Es ist allerdings beruhigend, dass die meisten Bundesländer im Durchschnitt für mehr EU-Integration stimmen würden als einen Schritt rückwärts zu setzen. Somit bleiben den Deutschen hoffentlich in nächster Zeit sämtliche Diskussionen zu einem DExit erspart.

 

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Um eine Schätzung zu erstellen, wie stark sich die Meinungen in den Bundesländern unterscheiden, habe ich eine statistische Simulation durchgeführt. Diese zeigt für jedes Bundesland an, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Person für oder gegen mehr EU-Integration und Einwanderung ist. Was die EU-Integration angeht so ist ein Hamburger mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent pro EU und eine Person aus Baden-Württemberg mit einer Wahrscheinlichkeit von 71.5 Prozent. Die Schlusslichter sind Brandenburg und Thüringen. Eine simulierte Person ist In Brandenburg mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent für mehr EU-Integration und in Thüringen 41.5 Prozent. Auch was die Zustimmung zur Einwanderung angeht, ist Thüringen gemeinsam mit Sachsen-Anhalt klares Schlusslicht. In Thüringen sieht eine Person laut Simulation mit einer Wahrscheinlichkeit von 42 Prozent Einwanderung als positiv an und in Brandenburg ist es sogar nur eine Wahrscheinlichkeit von 39 Prozent, dass eine Person Einwanderung befürwortet. Menschen in Baden-Württemberg und Niedersachsen finden mit einer Wahrscheinlichkeit von 74 Prozent und 70 Prozent, dass Einwanderer das Leben im Land bereichern.

Auch an dieser Simulation ist zu sehen, dass die Deutschen so unterschiedlich sind wie ihre Nachbarn wohl auch. Würde man diese Simulation auf Stadtebene durchführen, gäbe es höchstwahrschienlich immer noch signifikante Unterschiede. Das zeigt, dass man gar nicht mehr von einer einheitlichen Identität sprechen kann. Europa ist die Heimat von unterschiedlichsten Menschen aus verschiedensten Kulturen. Und trotzdem, oder gerade deswegen, haben sie es geschafft die letzten siebzig Jahre in Frieden miteinander zu leben. Da sollten wir uns heute nicht von rechtspopulistischen Parteien in Europa vorschreiben lassen, welche Identität wir haben oder wer in unserem Land leben darf. 

*An Deutschland grenzende Regionen: Provence Liège (Belgien); Limburg, Gelderland, Overijssel, Drenthe, Groningen (Niederlande); Syddanmark (Dänemark); West-Pommern, Lebus (Polen); Aussig, Karlsbad (Tschechien); Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg (Österreich); Zürich, Nordwestschweiz (Schweiz); Elsass, Lothringen (Frankreich). Luxemburg ist im Datensatz nicht vorhanden.

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