„Gefangen in der Filter Bubble?!“ – So informieren sich Herr und Frau Schweizer

Brexit, Trump und die AfD –  2016 lässt sich als ein Jahr voller spektakulärer Polit-Überraschungen kennzeichnen. Die Schuld an diesen oftmals mit Empörung betrachteten Entwicklungen wird den Sozialen Medien zugeschrieben, die vermeintliche Fake News produzieren und die Konsumenten in selbstkreierten Filter Bubbles dahinvegetieren lassen. Im Gegensatz zu konventionellen Medien wie beispielsweise Radio, TV und Zeitungen scheinen also Social Media-Plattformen fragwürdige Kanäle politischer Informationsbeschaffung zu sein. Sehen dies Herr und Frau Schweizer ähnlich?

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Umstrittener Informationskanal: Facebook (Bild: Motherboard Vice Italia)

Nicht zufälligerweise lässt sich der New York Times zu Folge das Jahr 2016 auch als das Jahr der Fake News und der damit in Verbindung stehenden Filter Bubbles benennen, wobei sich „pure Fiktionen als Wahrheiten ausgebend“ so weit verbreitet haben könnten, so dass damit etwa das Ergebnis der U.S. Wahl beeinflusst wurde (New York Times vom 28.11.2016). Die brisante Kombination von bewusst falsch produzierten Nachrichtenmeldungen und algorithmisch festgelegten Informationsblasen scheint also ein Ursprung politischer Polarisierungserfolge zu sein. Das mobilisierende Digitale, unkontrollierbar Schnelllebige wird demgemäss zum Feind des konventionellen Polit-Expertentums erklärt.

Polarisierende Informationsblase

Tatsächlich scheinen Herr und Frau Schweizer bei politischen Themen noch immer konventionelle Medienkanäle deutlich zu bevorzugen. Die ausgewerteten Daten der nach den Parlamentswahlen 2015 durchgeführten Selects-Umfrage unterstreichen, dass auch in der Schweiz hinsichtlich politischer Informationsbeschaffung weiterhin auf Radio, TV und Printmedien gesetzt wird. Das Bedürfnis sich ausserdem über Soziale Medien politisch zu informieren ist jedoch – wenn auch nur geringfügig – vorhanden.

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Interessanterweise lässt sich feststellen, dass polarisierende Filtermechanismen hinsichtlich ausgeschütteter Meldungen auf Social Media-Plattformen durchaus existent sind. Der Konsum von klassischen Medientypen weist auf einem links-rechts Spektrum nur geringe Unterschiede auf. Dagegen kann beobachtet werden, dass die Verwendung von Sozialen Medien zwecks politischer Informationsbeschaffung ansteigt, je radikaler sich die befragte Person selbst auf dem politischen Spektrum einstuft. Im Gegensatz zu sich in der politischen Mitte positionierenden Bürgerinnen und Bürgern (10%) bezogen doppelt so viele links-aussen (21%) sowie rechts-aussen (20%) eingestellte Wählerinnen und Wähler ihre Informationen von Facebook, Twitter und Co.

Generationsunterschiede

Vor allem die älteren Semester des Schweizer Stimmvolks informieren sich noch immer auf konventionelle Art. Jeweils knapp 75% der über 50-Jährigen verfolgten die politische Berichterstattung über die Wahlen im Radio, TV und etablierten Printmedien, wogegen weniger als ein Viertel ihre Informationen aus Gratiszeitungen (z.B. 20 Minuten) oder Online News (z.B. Tageszeitung im Internet-Format) bezogen. Social Media-Plattformen wie Facebook oder Twitter wurden indes von Bürgerinnen und Bürgern dieser Alterskategorien fast überhaupt nicht konsultiert, was sich mit den unterschiedlichen Technologieaffinitäten der verschiedenen Altersklassen erklären lässt. Vor allem Schweizerinnen und Schweizer zwischen 18-29 Jahren verfolgten politische News auch in den Sozialen Netzwerken: Knapp 30% der Befragten dieser Altersklasse gaben an Informationen zu den Wahlen via Facebook oder etwa Twitter bezogen zu haben. Jedoch stehen Online News (40%) und die Medien Radio und TV (45%) auch bei dieser Altersklasse an erster Stelle, dicht gefolgt von Printmedien und Gratiszeitungen mit jeweils knapp über 30%. Bürgerinnen und Bürger der Altersklasse 30-49 Jahre bevorzugten klar konventionelle Medientypen wie Radio und TV (60%) und Printmedien (52%) oder auch Online News (knapp 40%), Gratiszeitungen (27%) und Social Media (17%) wurden dagegen eher nicht mit politischer Informationsbeschaffung in Verbindung gesetzt.

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Online-Gender-Gap

Männer wie Frauen verfolgten politische Nachrichten im Zuge der Parlamentswahlen 2015 in den Sozialen Medien nur geringfügig: Lediglich 15% der weiblichen und 16% der männlichen Befragten bezogen laut Umfrage Informationen von Facebook oder Twitter. Die klassischen Medien wie Radio und TV (Frauen: 60%, Männer: 67%) und auch gedruckte Zeitungen (Frauen: 53%, Männer: knapp 60%) wurden von den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern fast gleichermassen oft, Gratiszeitungen (Frauen: 25%, Männer: 27%) dagegen gleichermassen wenig konsultiert. Auffällig ist der Unterschied bei den Online News: Weibliche Mitbürgerinnen, mit einem Anteil von 25%, bezogen ihre Informationen im Vergleich zu ihren männlichen Mitbürgern (38%) weit aus weniger von Online Zeitungen oder Newsportalen.

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Diskrepanz hinsichtlich Bildung

Werden die verschiedenen Bildungsniveaus der Befragten verglichen, können vereinzelt bemerkenswerte Unterschiede herausgepickt werden. Auffällig ist, dass Bürgerinnen und Bürger mit niedrigem oder mittlerem Bildungsniveau das politische Geschehen im Vorfeld der Parlamentswahlen 2015 bedeutend stärker in der traditionellen Berichterstattung verfolgten als Bürgerinnen und Bürger mit hohem Bildungsniveau. Nur 45% respektive 39% der Hochschulabgängerinnen und -abgänger informierten sich über Radio und TV bzw. Printmedien – rund 20% weniger als die Befragten der beiden anderen Bildungskategorien. Auch die Konsultation der Online News betrachtend lassen sich extreme Unterschiede feststellen: Personen mit niedriger Bildung beziehen politische Informationen fast drei Mal häufiger aus Online Zeitungen und Online Newsportalen als Personen mit einem Hochschulabschluss. Diese doch sehr unerwarteten Beobachtungen könnten mit der Vermutung in Zusammenhang gebracht werden, dass Schweizerinnen und Schweizer mit hohem Bildungsgrad diese in der Selects-Befragung vorgeschlagenen Medienkategorien nicht zu Zwecken politischer Informationsbeschaffung verwenden, sondern demgemäss eher andere relevante, direktere Informationskanäle wie Fachzeitschriften, das Abstimmungsbüchlein, Parteibroschüren oder etwa die offizielle Homepage des Bundes (admin.ch) heranziehen. Interessanterweise lassen sich bezüglich der Bildungsniveaus nur marginale Unterschiede im Bereich der Social Media-Konsumation feststellen: nur jeweils 16-18% der Bürgerinnen und Bürger der entsprechenden Bildungskategorie verfolgten politische Themen über Plattformen wie Facebook oder Twitter.

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Generell bevorzugen Herr und Frau Schweizer weiterhin konventionelle Medienkanäle. Doch vor allem die junge Generation der Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger verfolgt politische Ereignisse zunehmend auch auf Social Media-Plattformen. Die Schweiz ist zwar keineswegs in einer algorithmisch bestimmten Informationsblase gefangen, Soziale Medien gewinnen aber auch in der schweizerischen Polit-Landschaft an Bedeutung. Demgemäss muss die Diskussion in Anbetracht eindimensionaler Filterproblematiken auch hierzulande zweifellos eröffnet werden.

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Lynch, Michael P. (New York Times) (2016): Fake News and the Internet Shell Game. (http://www.nytimes.com/2016/11/28/opinion/fake-news-and-the-internet-shell-game.html [27.11.2016]).

Bildquelle: Motherboard Vice Italia (2016). (http://motherboard.vice.com/it/read/facebook-filter-bubble-algoritmo [18.12.2016]).

 

Jennifer Victoria Scurrell, jennifer.scurrell@uzh.ch, 04-400-156; 18.12.2016; Forschungsseminar Politischer Datenjournalismus, Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Michael Hermann, Dr. Bruno Wüest; Wortanzahl: 770 (exkl. Lead, Anhänge und Literaturverzeichnis).

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