115 National- und Ständeräte haben heute einen Twitter-Account. Nicht alle davon nutzen Twitter gleich aktiv. Neben der bekannten Grösse der Anzahl Tweets eines Accounts gibt es jedoch auch weniger bekannte Vergleichsgrössen wie Eigenquote und Antwortquote. Dieser Blogbeitrag nimmt diese beiden Grössen unter die Lupe. Es zeigen sich grosse Unterschiede.
Das Verhältnis der selber geschriebenen Tweets zur Gesamtzahl der abgesetzten Tweets wird als Eigenquote definiert. Eine tiefe Quote bedeutet, dass die Person häufig andere Tweets retweetet. Ein Wert von 0 Prozent zeigt, dass die Person nur Tweets von anderen Accounts verbreitet, selber aber keine Inhalte auf Twitter postet. Die durchschnittliche Eigenquoten der Partei unterscheiden sich nicht fundamental. Den höchsten Durchschnitt haben die kleinen Linksparteien, dicht gefolgt von den kleinen Rechtsparteien, wobei dort jeweils nur 28 resp. 27 Twitterer dabei sind. Beide Gruppen haben eine Eigenquote von über 84 Prozent. Den höchsten durchschnittlichen Anteil von Retweets haben die Grünen und die BDP mit 73,9 Prozent.
Die Antwortquote stellt die Anzahl Antworten im Verhältnis zu den eigenen Tweets dar. Eine Antwortquote von 0 Prozent bedeutet, dass die Person nie auf andere Tweets antwortet. Hier sticht die EVP oben aus. Sie hat mit 37,3 Prozent den mit Abstand höchsten durchschnittlichen Antwortanteil aller Parteien. Gleichzeitig hat sie von allen bekannteren Parteien auch die höchste Eigenquote. Die EVP hat einige sehr aktive Twitterer, die häufig mit anderen interagieren und auch selber viel schreiben, jedoch nicht so häufig retweeten. Das könnte damit zusammenhängen, dass die noch eher kleine Partei sich Gehör verschaffen will.
Am anderen Ende der Liste finden sich die kleinen Linksparteien mit einem Wert von 15,5 Prozent. Dort sind also besonders viele Personen dabei, welche zwar häufig selber schreiben, jedoch weniger mit anderen interagieren.
Gezwitscher im Bundeshaus
Schaut man sich die Politiker im National- und Ständerat an, welche einen Twitter-Account haben, zeigt sich ein differenzierteres Bild als bei den Durchschnittswerten der Parteien. Da unterscheiden sich die Quoten stark. Die grünliberale Nationalrätin Isabelle Chevalley aus dem Kanton Waadt hat eine Eigenquote von 99.7 Prozent, d.h. sie hat nur einmal einen Tweet retweetet. Sie retweetet kaum, da sie dazu über interessante Tweets stolpern müsste. „Dazu müsste ich jedoch stundelang auf Twitter sein, wozu mir die Zeit fehlt“, schreibt die GLP-Nationalrätin auf Anfrage.
Auf der anderen Seite ist der SP-Ständerat und Parteipräsident Christian Levrat aus dem Kanton Freiburg anzutreffen. Mit einer Eigenquote von 24.6 Prozent stammt nur etwa jeder vierte Tweet von ihm selbst. Er versuche sein breites Kontaktnetz auch anderen zur Verfügung zu stellen. „Andere haben offensichtlich das Bedürfnis ihr eigenes Empfinden stärker zu verbreiten als ich“, schreibt der Ständerat auf Anfrage.
Auch bei der Antwortquote zeigen sich grosse Unterschiede. Der prozentual fleissigste Antwortende ist der SP-Ständerat Didier Berberat. Seine Antwortquote liegt bei 69.7 Prozent. Jedoch benutzte er Twitter das letzte Mal vor zwei Jahren. „Ich kann mich leider nicht mehr erinnern, warum ich so oft geantwortet habe“, erzählt der Ständerat aus dem Kanton Neuenburg am Telefon. Er benutze nur noch Facebook. Auf der anderen Seite der Liste findet sich seine Parteikollegin Bea Heim aus dem Kanton Solothurn. Sie hat nie auf einen Tweet geantwortet. „Dazu fehlt mir die Zeit“, sagt die SP-Nationalrätin auf Anfrage am Telefon.
Grössere Bandbreite in der ganzen Schweiz
Alle politischen Twitterer in der Schweiz unterscheiden sich noch deutlicher als die Volksvertreter in Bern. Der Politiker mit der höchsten Eigenquote von 100 Prozent ist der Aargauer SVP-Grossrat Clemens Hochreuter. Gleichzeitig ist er auch der einzige Politiker, welcher die Antwortfunktion nie benutzt hat. Auf Anfrage schreibt er, dass er Twitter nicht aktiv nutze. „Wir haben bei uns die Möglichkeit, dass wir einen Beitrag einmal in den Social Media posten, welcher anschliessend auch auf Twitter erscheint. Ich konzentriere mich auf Facebook.“ Dort gäbe es durchaus Debatten.
Die tiefste Eigenquote hat der CVP-Politiker Sebastian Keller. Nur rund jeden zehnten Tweet hat er selber geschrieben, sonst hat er immer den Retweet-Button betätigt.
Die höchste Antwortquote hat der Parlamentsassistent von FDP-Nationalrätin Isabelle Moret. Barry Lopez hat eine hohe Antwortquote von 91.6 Prozent oder anders ausgedrückt: Etwa neun von zehn Tweets des Jungpolitikers sind Antworten.
Methodik
Bruno Wüest, Assistent am Institut der Politikwissenschaft der Uni Zürich, hat einen Datensatz mit 1645 politisch aktiven Twitterern erstellt. Dazu hat er die eidgenössischen Politiker- und Partei-Accounts gesammelt und alle ihre Followers und Friends auf Parteikürzel im Namen oder in der Beschreibung untersucht. Für die gefundenen Accounts hat er dies wiederholt. Dies hat er total drei Mal wiederholt, um möglichst alle politisch aktiven Politikern in der Schweiz zu finden. Für diese Untersuchung wurden alle Partei-Accounts entfernt, damit nur Personen im Datensatz enthalten sind. Partei-Accounts sind alle eidgenössischen und kantonalen Accounts der Parteien (z.B. SP St. Gallen).
\begin{aligned}
Eigenquote = 1 -\frac{Retweets}{totale~Tweets}
\end{aligned}
\]
Als Retweets zählen alle Tweets, welche am Anfang ein RT haben. Als Antwort zählen alle Tweets, die am Anfang ein @, gefolgt von einem Benutzernamen haben.
\begin{aligned}
Antwortquote = \frac{Antwort\hbox{-}Tweets}{eigene~Tweets}
\end{aligned}
\]
Für die durchschnittlichen Quoten der Parteien wurden alle Accounts, welche sich mit dieser Partei identifizieren, verwendet. Accounts ohne Tweets wurden aus der Analyse ausgeschlossen. Für die Tabelle der nationalen Politiker wurden alle Politiker verwendet, welche 100 oder mehr Tweets haben. Für die Tabelle aller Politiker und Sympathisanten wurden mind. 1000 Tweets vorausgesetzt, um nur die wirklich aktiven zu erhalten.
Die Kolonne Tweets enthält die Anzahl der Tweets, welche für die Analyse benutzt wurden. Da sich nicht alle vergangenen Tweets abrufen lassen, kann die effektive Zahl höher sein.
Über den Kurs
Dieser Blogbeitrag ist Bestandteil des Forschungsseminars politischer Datenjournalismus am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich. Der Kurs wird von Professor Fabrizio Gilardi, Bruno Wuest, Michael Hermann und Sarah Bütikofer doziert.
Über den Autor
Benjamin Schlegel studiert im 2. Semester im Master Politikwissenschaften an der Universität Zürich. Er interessiert sich für Schweizer Politik, quantitative Methoden und Datenjournalismus.
Blog: Im Rahmen des Forschungsseminars Policy Analyse: Politischer Datenjournalismus
Dozent: Prof. Fabrizio Gilardi, Michael Hermann, Bruno Wüest und Sarah Bütikofer
Daten: twitter / Bruno Wüest
Worte: 637 (ohne Box)