Corona und Medienkonsum: Wo sich Massnahmenkritiker ihre Meinung bilden

Kritiker der Corona-Massnahmen halten wenig von der Berichterstattung der Schweizer Medien. Das spiegelt sich in ihrem Medienkonsum. Zwei Informationskanäle spielen dabei eine zentrale Rolle.

Seit Mai 2020 finden in verschiedenen Schweizer Städten Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen statt. So bunt gemischt die Teilnehmer dieser Demos sind, so vielfältig und teils skurril sind ihre Parolen. Sätze wie «Die Panik-Macher – Schweizer Medien», «Grundrechte sind unantastbar, insbesondere in Krisen» oder «Bundesrat = Volksverrat» prangen auf den Schildern der Demonstrierenden.

Ein Teilnehmer einer Demo berichtete im Mai der «Luzerner Zeitung»: «An dieser Kundgebung haben Leute aus einem breiten Spektrum der Bevölkerung teilgenommen, die selber und kritisch denken, sich auf alternativen Kanälen informieren und den Mainstream-Medien nicht alles glauben». Ein weiterer Demonstrant schlug im selben Monat gegenüber der «Republik» ähnliche Töne an. Als er den Medien Interviews gab und später die Ausstrahlung sah, fühlte er sich nicht richtig wiedergegeben. Sein Vertrauen in die sogenannten «Mainstream-Medien» ist gebrochen. Mittlerweile sucht er sich seine Informationen im Internet zusammen.

Die Ablehnung gegenüber den «Mainstream-Medien» und der Vorwurf, die Medien würden Panik verbreiten, zählen zu den häufigsten Überzeugungen der Corona-Demonstrierenden. Es stellt sich daher die Frage, wie sich Massnahmenkritiker informieren. Und inwiefern sich ihr Konsumverhalten von jenem der Befürworter unterscheidet.

Kommunikation wird zunehmend negativ bewertet

Eine repräsentative Umfrage der Forschungsstelle sotomo gibt Aufschluss über den Medienkonsum der Schweizer Bevölkerung und deren Einschätzung der öffentlichen Kommunikation während der Corona-Pandemie. Die Umfragewerte zwischen März und Oktober zeichnen ein klares Bild. Sowohl Befürworter als auch Gegner der Corona-Massnahmen sind zunehmend unzufrieden mit der Kommunikation durch Regierung und Verwaltung. Besonders im Oktober büsst die öffentliche Kommunikation an Reputation ein. Obschon die Kritiker die Behördenkommunikation grundsätzlich schlechter bewerten, lässt sich bei beiden Gruppen eine klare negative Tendenz beobachten.

Behördenkommunikation wird immer schlechter bewertet
Wie beurteilen Sie die Kommunikation durch Regierung und Verwaltung? (1 sehr schlecht – 5 sehr gut)

Neben der staatlichen Kommunikation durch Regierung und Behörden spielen die Medien eine Schlüsselrolle im öffentlichen Diskurs rund um die Corona-Pandemie. Selten war ein Thema so stark präsent in den Schweizer Medien. Doch Massnahmenbefürworter und -gegner bewerten die Medienberichterstattung zum Coronavirus unterschiedlich.

Besonders bei den Kritikern wird zunehmend eine Ablehnung gegenüber den etablierten Medien sichtbar. Die grosse Mehrheit der Massnahmenkritikerinnen findet, Schweizer Medien tragen zu Panik bei und übertreiben mit ihrer Dauerberichterstattung. So waren im Oktober gerade mal fünf Prozent der befragten Massnahmengegner der Ansicht, dass die Medien Informationen zum Coronavirus sachlich einordnen. Massnahmenbefürworter beobachten die Medienberichterstattung zwar ebenfalls kritisch, jedoch sind im Oktober immer noch fast die Hälfte der Meinung, Medien würden umfassend über die Pandemie informieren.

Laut Massnahmen-Gegner verbreiten die Medien immer mehr Panik
Wie beurteilen Sie die Berichterstattung der Schweizer Medien zum Coronavirus insgesamt? (Mehrere Antworten möglich)

Unterschiede verdeutlichen sich

Nicht nur die Einschätzung der Medienberichterstattung unterscheidet sich zwischen den beiden Gruppen, sondern auch die Art und Weise, wie sie sich informieren. Besonders aufschlussreich ist ein Blick auf die zeitliche Entwicklung des Medienkonsums. Im April unterscheiden sich Kritiker und Befürworter noch kaum. Die Pandemie hat vor wenigen Wochen die Schweiz erreicht, der landesweite Shutdown wurde verhängt und verlässliche Informationen zum Coronavirus und den getroffenen Massnahmen findet man vor allem auf offiziellen Kanälen. Demnach sind zu dieser Zeit auch klassische Medien, sowie die offiziellen Webseiten des Bundes für beide Gruppen die wichtigsten Informationskanäle.

Der Medienkonsum entwickelt sich unterschiedlich
Welche der folgenden Informationskanäle sind in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie besonders wichtig für ihr Verhalten? (Mehrere Antworten möglich)

Doch mit dem Fortschreiten der Pandemie, entwickelt sich das Konsumverhalten der beiden Lager unterschiedlich. Während im Juni mehr als drei Viertel der Massnahmenbefürworter klassische Medien für ihr Verhalten als wichtig einstufen, sind es bei den Kritikern lediglich die Hälfte. Bei den offiziellen Webseiten des Bundes sieht es ähnlich aus. Massnahmenbefürworter bewerten diese als weitaus wichtiger für ihr Verhalten.

Ebenfalls auffallend: Im Verlauf der Pandemie gewannen für beide Gruppen die sozialen Medien und das persönliche Umfeld an Wichtigkeit. Doch nicht in gleichem Masse. Im Juni stufen rund ein Drittel der Massnahmenkritiker die beiden Kanäle als wichtige Informationsquellen ein. Bei den Befürwortern sind es lediglich 18 beziehungsweise 21 Prozent.

Kritiker bevorzugen die sozialen Medien und das persönliche Umfeld

Besonders im Juni sind die Unterschiede zwischen Massnahmengegnern und Befürwortern auffallend gross. Eine genauere Betrachtung der Umfragewerte in diesem Monat zeigt: Massnahmenkritiker informieren sich bedeutend mehr über die sozialen Medien und ihr persönliches Umfeld. Sind für die Massnahmenkritikerinnen also die klassischen Medien und die offiziellen Webseiten des Bundes zunehmend irrelevant? Nicht ganz. Beide Kanäle wurden bei den Kritikern am häufigsten als wichtige Informationsquelle genannt.

Soziale Medien und persönliches Umfeld für Gegner wichtiger
Welche der folgenden Informationskanäle sind in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie besonders wichtig für ihr Verhalten? (Mehrere Antworten möglich) [Anteil in %]

Doch gerade hier besteht ihre grösste Diskrepanz im Vergleich zu den Befürwortern. Bei den Massnahmen-Befürwortern wurden klassische Medien und die Webseiten des Bundes mit Abstand am meisten genannt. Der Medienkonsum bei den Massnahmengegnern ist hingegen ausgeglichener. Die klassischen Medien sind zwar an der Spitze, doch die offiziellen Webseiten des Bundes, die sozialen Medien und das persönliche Umfeld wurden von den Kritikern ungefähr gleich oft genannt. Einzig die offiziellen Warn- und Informationsapps, sowie Informationen des Hausarztes werden selten als wichtig erachtet.

Klar ist, Massnahmengegner halten wenig von der Berichterstattung der Schweizer Medien. Wahrscheinlich informieren sie sich genau deswegen öfter über die sozialen Medien oder lassen sich von ihrem persönlichen Umfeld beeinflussen. Trotzdem, immer noch jeder zweite Kritiker stuft die Informationen aus den klassischen Medien als wichtig ein. Das ist erstaunlich, da im Juni nur gerade zehn Prozent der Kritiker die Medienberichterstattung als sachlich einstuften.

Die Befragungsdaten zeigen, dass Massnahmenkritiker andere Informationskanäle als wichtig erachten, als Befürworter. Es stellt sich jedoch die Frage, welche Inhalte auf den einzelnen Kanälen von den Kritikern konsumiert werden. Anhand der Umfragedaten ist dies leider nicht ersichtlich. Auch ist fraglich, welchen klassischen Medien die Kritiker ihre Aufmerksamkeit schenken. Denn auch bei den etablierten Medien gibt es massnahmenkritischere Medientitel.

Gerade in der zweiten Welle scheint die Spaltung der zwei Lager immer grösser zu werden. In der Bevölkerung ist zunehmend eine gewisse «Corona-Müdigkeit» zu spüren. Die Einschätzung der Medienberichterstattung und der behördlichen Kommunikation hat sich wahrscheinlich weiter verschlechtert. Die vorliegende Analyse deutet darauf hin, dass mit dem Fortschreiten der Pandemie, die Differenzen zwischen Massnahmenkritikern und -befürwortern grösser werden. Ob sich jedoch der Graben im Medienkonsum zwischen Befürwortern und Gegnern weiter vergrössert, wird die Zeit zeigen.

Informationen zum Blogbeitrag

Name: Valentin Kathriner
Matrikelnummer: 14-703-482
E-Mail: valentin.kathriner@uzh.ch

Seminar: Vorbereitungsseminar Politischer Datenjournalismus (HS 2020)
Leitung: Fabrizio Gilardi, Alexandra Kohler, Bruno Wüest

Abgabedatum: 3. Januar 2021
Anzahl Wörter: 927

Selbständigkeitserklärung

Methode

Daten

Für die Analyse wurden die Daten des Corona-Monitors der Forschungsstelle sotomo verwendet. Die Daten enthalten die Ergebnisse von fünf Umfragewellen (März, April, Mai, Juni, Oktober) zur Corona-Pandemie in der Schweiz. Die Befragungen gewähren einen Einblick in die Auswirkungen der Krise auf den Alltag, die Stimmungslage und die Haltungen der Bevölkerung in der Corona-Krise. Die Ergebnisse der Befragung sind repräsentativ für die sprachlich integrierte Wohnbevölkerung der Schweiz ab 15 Jahren.

Analyse

Der vorliegende Beitrag untersucht primär die Unterschiede im Medienkonsum und der Einschätzung der öffentlichen Kommunikation zwischen den Befürwortern und Gegnern der Corona-Massnahmen. Die Angaben zur Wichtigkeit der einzelnen Informationskanäle wurden jedoch nur in Befragungswelle zwei bis vier erhoben. Deshalb konnte auch nur der Zeitraum zwischen April und Juni für diese Auswertung genauer betrachtet werden.

Als Massnahmenbefürworter wurden Personen definiert, die mit den (zum Zeitpunkt der Befragung geltenden) bewegungseinschränkenden Massnahmen einverstanden waren oder strengere Massnahmen forderten. Massnahmengegner sind Personen, welche die Massnahmen als übertrieben einstuften. Da sich die Massnahmen über den Befragungszeitraum veränderten, sollten die Ergebnisse dieser Analyse im Kontext der jeweils geltenden Massnahmen betrachtet werden.

Die Zustimmung zu wirtschaftlichen Massnahmen (z.B. Lockdown) wurde nicht in die Analyse integriert. Bei wirtschaftlichen Massnahmen besteht die Gefahr, dass persönliche Interessen (z.B. Existenzängste) häufiger Einfluss auf die Zustimmung oder Ablehnung nehmen. Bewegungseinschränkende Massnahmen hingegen betreffen alle Teile der Bevölkerung fast gleichermassen.

Die Ergebnisse der Analyse können grundsätzlich als valide betrachtet werden, da die Umfragewerte repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung sind. Es ist jedoch anzumerken, dass keine statistischen Verfahren angewendet wurden, um die Unterschiede auf ihre Signifikanz zu überprüfen.

Die Dokumentation der Analyse findet sich unter folgendem Link.

Literaturverzeichnis

Ritscher, A. (2020, 30. Mai). Der Malwiderstand. https://www.republik.ch/2020/05/30/der-malwiederstand-der-corona-rebellen

Von Matt, O. (2020, 2. Mai). Die Polizei löst vor dem Bundeshaus eine Kundgebung gegen den Bundesrat auf – doch bereits wird für Friedenstauben geworben. https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/die-polizei-loest-vor-dem-bundeshaus-eine-kundgebung-gegen-den-bundesrat-auf-doch-bereits-wird-fuer-friedenstauben-geworben-ld.1217203

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .