So lange halten es Studierende im selben Quartier aus

Jedes Jahr begeben sich Hunderte von Studierenden in der Stadt Zürich auf Wohnungs- oder Zimmersuche. Hat man nach mühsamer Suche eine Unterkunft gefunden, könnte man meinen, die Studierenden bleiben für die Dauer ihrer Ausbildung in der gleichen Wohnung und im gleichen Quartier wohnen. Doch Daten zeigen, dass die Umzugsfrequenz bei den jungen Zuzügern sehr hoch ist. Oft zieht ein Studierender schon nach kurzer Zeit in ein anderes Quartier um. Rund die Hälfte aller Studenten und Studentinnen wechseln mindestens einmal während ihrer Ausbildung das Quartier. Dabei zeigt die Auswertung auch, dass einige Quartiere bei den jungen Studierenden deutlich beliebter zu sein scheinen als andere.

Jährlich ziehen rund 750 Personen im Alter zwischen 20 und 24 Jahren in die Stadt Zürich. Bei den aus dem In- und Ausland herziehenden Personen handelt es sich womöglich beim Grossteil um Studierende, die in der Stadt eine Ausbildung an einer Universität oder Fachhochschule beginnen. Dabei scheint Oerlikon bei den Jungen das beliebteste Quartier zu sein. Generell scheint der Kreis 11 mit seinen Quartieren Oerlikon, Seebach und Affoltern ein guter erster Kontaktpunkt in der Stadt zu sein. Am wenigsten zog es dagegen die jungen Neuzuzüger ins Lindenhof-Quartier und in den Kreis 1. In der Altstadt gibt es allerdings auch weniger Wohnungen als in den anderen Kreisen (Stadt Zürich 2017: 225).

Grosse Umzugsfrequenz innerhalb der Stadt

Geht man davon aus, dass die Studierenden nach mühsamer Wohnungssuche sich mit derselben für die Dauer ihrer Ausbildung zufriedengeben, liegt man dabei falsch. Daten zeigen nämlich, dass Studierende das Quartier häufig und schnell wechseln. Während der Dauer für einen Bachelor Abschluss (typischerweise 3 Jahre) haben im Durchschnitt bereits 43 Prozent mindestens einmal das Quartier gewechselt. Nach fünf Jahren, der gewöhnlichen Mindestdauer für einen Bachelor und einen Master, haben durchschnittlich bereits rund 60 Prozent von allen 13’880 Zuzügern, die mindestens 5 Jahre in der Stadt blieben, zumindest einmal ein Quartierwechsel vollzogen. Ein Vergleich der Quartiere zeigt dabei jedoch eine grosse Variation der sogenannten Verbleibsquote nach der Zeit für einen Bachelor, einen angehängten Master und einer anfälligen Weiterbeschäftigung oder PhD (10 Jahre). Die Verbleibsquote definiert sich dabei als die Anzahl Personen, die für 3, 5 oder 10 kontinuierliche Jahre im selben Quartier gewohnt haben in Relation zu der Anzahl Personen, die während der selben Dauer insgesamt in der Stadt verblieben sind.

Abbildung 1: 10 Jahre     5 Jahre     3 Jahre

Am besten scheint es demnach den Studierenden im Leimbach-Quartier zugefallen. Rund 72% verbleiben nach drei Jahren im Quartier, nach 5 Jahren sind es immerhin noch knapp 62%. Auf Kreis-Ebene verbleiben mit fast 74% die meisten im Kreis 12 und 9 nach drei sowie nach fünf Jahren (64%). Am schnellsten wird im City Quartier, sowie generell im Kreis 1 umgezogen: Nach 3 Jahren haben bereits die Hälfte den Kreis verlassen, nach 5 Jahren verbleiben nur noch 27% in der Altstadt.  Längerfristig bleiben die nun seit 10 Jahren in der Stadt sesshaften in den Quartieren Altstetten (48%), Leimbach (44%) und Hirzenbach (43%). Im City Quartier hingegen hat es kein Studierender zehn Jahre ausgehalten.

Im Durchschnitt lebt ein Studierender knapp zwei Jahre im selben Quartier

Mit den berechneten Verbleibsquoten kann nun geschätzt werden, wie lange ein Student oder Studentin im selben Quartier wohnen bleibt. Demnach bleibt man in Leimbach durchschnittlich für 31 Monate wohnen, gefolgt von einigen Quartieren aus den Kreisen 2, 9, 11 und 12, sowie Witikon (Kreis 7) mit einer Wohndauer von 28 bis 29 Monaten. In vielen anderen Quartieren aber bleiben die Jungen Zuzügler im Durchschnitt nur rund 23 Monate wohnen, bevor sie in ein anderes Quartier umziehen. Offenbar wohnt man, trotz mutmasslicher guter Lage, am kürzesten in der Altstadt. Während man im Rathaus Quartier rund 13 Monate wohnt, wird der Durchschnittstudierende das City Quartier nach nur knapp 8 Monate zugunsten eines anderes Quartier verlassen.

Abbildung 2

Viele verlassen die Stadt wieder

Von all den jungen Zuzügern verlassen jedoch ein Grossteil die Stadt bereits nach kurzer Zeit wieder. Rund 41% aller Neuzuzügern verbleiben keine drei Jahre in der Stadt und nach fünf Jahren haben bereits mehr als die Hälfte die Stadt wieder verlassen. Nach zehn Jahren ist nur noch jeder Vierte in der Stadt wohnhaft. Auch hier scheint eine gewisse Variation in den Quartieren und Kreisen vorhanden zu sein. Demnach scheint die Wahrscheinlichkeit kleiner, dass man die Stadt nach kurzer Zeit wieder verlässt, wenn man nach Albisrieden oder ins Escher Wyss Quartier gezogen ist. Auf Kreis Ebene bleiben die Studierenden durchschnittlich am längsten in der Stadt, wenn sie in den Kreis 9 gezogen sind. Ist man hingegen ins City Quartier oder in die Altstadt (Kreis 1) gezogen, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Stadt schnell wieder verlassen wird.

Abbildung 3

Generell scheint die Sesshaftigkeit in den Quartieren und in der Stadt (im Gegensatz zu den obigen Abbildungen, werden von nun an die Weggezogenen miteingerechnet) positiv korreliert zu sein. Das heisst es scheint, dass in den Quartieren, in denen es die Studierenden länger sesshaft bleiben, die Wahrscheinlichkeit insgesamt in der Stadt zu bleiben ebenfalls grösser ist. Die beliebtesten Quartiere befinden sich demnach in der Abbildung 3 oben rechts oberhalb der roten Linie. In diesen Quartieren bleiben die Studierenden nicht nur am längsten, sondern verbleiben auch häufiger in der Stadt, wenn sie das Quartier doch verlassen.

Mix aus Wohnungsbestand und Mietpreis wahrscheinlich entscheidend

Gründe, wieso einige Quartiere beliebter zu sein scheinen als andere, gibt es viele. Der Mietpreis einer Wohnung könnte darunter sicher eine Rolle spielen. Vergleicht man der durchschnittliche Mietpreis pro Quadratmeter mit der Verbleibsquote im Quartier (die aus der Stadt weggezogenen nicht mit eingerechnet), zeigt sich eine negative Korrelation. Obwohl der Mietpreis pro Quadratmeter im Escher Wyss Quartier am niedrigsten ist, scheint es den Studierenden dort nicht sonderlich zu gefallen. Anderseits bleiben im City Quartier die Studierenden nicht lange, obwohl zusätzlich zur mutmasslichen guten Lage der Mietpreis pro Quadratmeter im Durchschnitt liegt. Der Grund dafür dürfte die geringe Anzahl von Wohnungen sein (Stadt Zürich 2017: 225). Dies bedeutet vermutlich auch, dass weniger Studierende in der Altstadt wohnen und tatsächlich zeigt sich ein (schwacher) Zusammenhang zwischen der Verbleibsquote und der Gesamtanzahl Studierende, die in das Quartier gezogen sind. Das könnte darauf hindeuten, dass die Studierenden eher im Quartier bleiben, wenn es generell mehr Studierenden im Quartier hat. Zudem wiederspiegelt die Zuzugshäufigkeit zu einem gewissen Grad den Wohnungsbestand, der doch stark unterhalb der Quartiere variiert. Dem gegenüber scheint die Lage des Quartiers eine nicht allzu grosse Rolle zu spielen, wie lange ein Studierender im Quartier verbleibt.

 

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Methode, Vorgehensweise und Definitionen

Relevante Variablen im Datensatz:

Im Datensatz der Statistik Stadt Zürich auf Individual Ebene in der Zeitperiode von 1993 bis 2016 waren folgende (für meinen Blogbeitrag) relevante Informationen vorhanden:

  • Zuzug: wann eine Person in die Stadt gezogen ist
  • Quartier/Kreis: wo wohnt die Person (zum Zeitpunkt des Zuzuges und den darauffolgenden Jahren)
  • Alter: in welche Alterskategorie fällt die Person (zum Zeitpunkt des Zuzuges zwischen 20 und 24 Jahre alt)
  • Zivilstand: Zum Zeitpunkt des Zuzuges ledig
  • Kinder: Anzahl Kinder der Person (zum Zeitpunkt des Zuzuges: kinderlos)

Vorgehensweise:

Zusammenführen der Zuzugsinformationen (wann zieht eine Person in die Stadt) mit den Bevölkerungsinformationen (Alter, Zivilstand, Kinder, Quartier/Kreis, etc.). Mein Subsample besteht dabei nur aus Zuzügern zwischen 20 und 24 Jahren, welche ledig und kinderlos sind. Sie sind dabei zwischen 1993 und 2016 – t in die Stadt gezogen. Damit hat jeder Zuzügern die «Möglichkeit» t Jahre in der Stadt gewohnt zu haben. Mit dem Subsample soll approximiert werden, dass es sich dabei um Studierenden handeln könnte. Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Nicht-Studierende sich darunter befinden könnten. Aber aufgrund der Merkmale (Alter, ledig und kinderlos) und der Charakteristik der Stadt Zürich als Universitätsstadt scheint eine solche Annahme realistisch zu sein. Nimmt man also per Annahme an, dass es beim Subsample wirklich um Studierende handelt, die eine Ausbildung an einer Universität oder Hochschule absolvieren, die typischerweise 3 Jahre (für einen Bachelor) oder 5 Jahre (mit einem angehängten Master) dauert, so kann analysiert werden wie viele Studierende während ihrer Ausbildung ein Quartier- oder Kreiswechsel vollziehen. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Person für die Dauer ununterbrochen in der Stadt (und/oder im Quartier gewohnt hat) und nicht zwischenzeitlich aus der Stadt (und/oder aus dem Quartier) gezogen ist. Mit der Verbleibsquote (Definition: siehe unten) kann also analysiert werden, wie viele Studierenden nach t Jahren noch in demselben Quartier/Kreis wohnen in Relation zu denjenigen Personen, die insgesamt in dasjenige Quartier/Kreis gezogen sind und nach t Jahren noch in der Stadt wohnen (entweder im gleichen oder in ein anderes Quartier/Kreis umgezogen).  Mit dieser Verbleibsquote kann somit auch geschätzt werden, wie lange ein Studierender durchschnittlich im selben Quartier oder Kreis wohnen bleibt. Dabei wird die durchschnittliche Wohndauer mit der Verbleibsquote nach 3 und der Verbleibsquote nach 5 Jahre berechnet, um den Durchschnitt zwischen einem Bachelor und einem angehängten Master schätzen zu können (in der Regel sollte es mit beiden Verbleibsquoten eine ähnliche Wohndauer geschätzt werden).

Definitionen:

Quartier- und Kreisverbleibsquote:          Xi / (Xi + Yi)

Quartier- und Kreissesshaftigkeit:          Xi / Zi

Stadtsesshaftigkeit:          (Xi + Yi) / Zi

Geschätzte durchschnittliche Wohndauer:

[[t=3 * (Xi,t=3 / (Xi,t=3 + Yi,t=3)) + t=5 * (Xi,t=5 / (Xi,t=6 + Yi,t=3))] / 2] * 12

t:             3, 5 oder 10 Jahre

i:             34 Quartier oder 12 Kreise

Xi:           Anzahl Personen, die für t kontinuierliche Jahre in i gewohnt haben

Yi:           Anzahl Personen, die zu Zeitpunkt t=0 nach i gezogen sind und danach t                                                           kontinuierliche Jahren in der Stadt gewohnt hat, dabei aber mindestens einmal i                                             gewechselt haben

Zi:           Total Personen, die jemals im Zeitraum 2016 – t nach i gezogen sind

Bibliographie / Datenquellen:

Alle verwendeten Daten wurden von der Statistik Stadt Zürich für das Forschungsseminar Politischer Datenjournalismus im Herbstsemester 2017 am Institut für Politikwissenschaften an der Universität Zürich bereitgestellt.

Einzig die Informationen zu den Mietpreisen pro Quadratmeter entstammt aus den Ergebnissen der Mietpreis- Strukturerhebung 2006 von der Stadt Zürich: https://www.stadt-zuerich.ch/content/dam/stzh/prd/Deutsch/Statistik/Publikationsdatenbank/analysen/A_001_2008.pdf Der Mietpreis pro Quadratmeter bezieht sich dabei auf den Mittelwert einer 3-Zimmerwohnung auf dem privaten Markt im Quartier im Jahre 2006 (im PDF auf Seite 38). Desweiteren liegt der Zeitpunkt in etwa in der Mitte von der Zeitperiode von 1993 bis 2016, wodurch es als Durchschnitt der Mietpreise geeignet ist.

Stadt Zürich (2017): STATISTISCHES JAHRBUCH DER STADT ZÜRICH. 111. Jahrgang, 225.

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Titel: „So lange halten es Studierende im selben Quartier aus“

Name: Marcel Blum (13-742-093)

E-Mail: marcel.blum@uzh.ch

Abgabetermin: 17. Dezember 2017

Vorlesung: Seminar Policy-Analyse: Politischer Datenjournalismus. Einführung in die für den Datenjournalismus spezifischen Methoden und Anwendung in einem Forschungsprojekt

Dozierende: Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Alexandra Kohler, Dr. Bruno Wüest

Anzahl Worte (ohne Titel, Lead und Anhang): 945

 

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