Nicht jeder kann es sich leisten, Home Office zu machen

«Bleiben Sie zuhause» – Dies war die Empfehlung des Bundesrates im März. Doch ein Blick auf die Zahlen verrät: längst nicht alle hatten die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten, und längst nicht alle blieben einfach zuhause.

Weniger Menschen treffen, im Home Office arbeiten und allgemein so oft wie möglich zu Hause bleiben. Soweit die Theorie, doch in der Praxis zeigt sich, das Einkommen und das Geschlecht bestimmen mit, wer die Massnahmen befolgt. Die Analyse zeigt, wie Corona die Ungleichheit in der Schweiz enttarnt.

Quelle: SRF

Home Office, das neue Normal?

Von zuhause aus arbeiten, dies hat sich in der Schweiz mit der Corona-Krise etabliert. Doch die Möglichkeit des Home Office, steht nicht jedem offen. Je nach Branche ist es schwierig bis unmöglich, den Beruf vom Sofa aus auszuüben.

„Berufe mit Kundenkontakt oder an der frischen Luft sind traditioneller eher auf dem Land anzutreffen, wie die ganze Landwirtschaft oder Gewerbebetriebe wie Schreinereien“

Klaus Bonanomi, SRF-Wirtschaftsredaktor, Quelle: SRF

Dabei zeigt sich ein deutlicher Stadt-Land-Graben, in städtischen Regionen gibt es viel mehr Menschen, die Home Office machen. Dies geht natürlich damit einher, dass in Städten vermehrt Dienstleistungsberufe vertreten sind, welche oftmals von zuhause ausgeübt werden können. Doch neben dem Stadt-Land-Graben zeigt sich beim Home Office auch ein arm-reich-Graben, wie die nachfolgende Grafik zeigt.

Je höher das Einkommen, desto eher macht man Home Office

Wie aus der Grafik ersichtlich wird, steigt mit höherem Einkommen die Wahrscheinlichkeit, dass man Home Office macht. Diese Aussage ist über alle 5 Wellen zutreffend, obwohl sich zeigt, dass im April deutlich weniger Personen aller Einkommensklassen im Home Office waren. Dies lässt sich durch den Teil-Shutdown in der Schweiz erklären, während dem viele überhaupt nicht arbeiten gehen konnten. Die Anteile aller Einkommensklassen sind dadurch tiefer als in den restlichen Wellen, da während dieser Zeit die Geschäfte geschlossen und sehr viele Angestellte auf Kurzarbeit gesetzt waren.

Das Geschlecht entscheidet mit, wer zuhause arbeitet

Sieht man sich die Entwicklung nach Geschlechtern getrennt an, zeigt sich ein sehr ähnliches Bild. Sowohl bei Frauen, als auch bei Männern gibt es mit steigendem Einkommen mehr Befragte, die von zuhause aus arbeiten. Ebenfalls bei beiden Geschlechtern zeigt sich, dass im Mai am meisten Befragte im Home Office waren. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern variieren jedoch nach Einkommen und Befragungszeitraum. Bei den drei oberen Einkommensklassen sowie der untersten gab es mehr Männer, die im Frühsommer von zuhause aus arbeiteten.

Diese erkennbaren Unterschiede lassen sich zum Teil durch die verschiedenen Branchen bzw. Berufe erklären. So ist in der Gesundheitsbranche allgemein sehr wenig Home Office möglich. Gleichzeitig gibt es gerade in dieser Branche sehr viele Arbeitnehmende, oft Frauen, die für einen niedrigen Lohn arbeiten, dazu stieg durch die Corona-Pandemie die Arbeitsbelastung zusätzlich. Ebenfalls eine steigende Arbeitsbelastung, wenig Home Office und ein niedriges Einkommensniveau weisen die Paketdienste auf, wobei in dieser Sparte mehr Männer arbeiten. In anderen Branchen wurde für einen Grossteil der Mitarbeitenden Home Office ermöglicht. So zum Beispiel bei Versicherungen, Banken und in der IT-Branche. Meist Branchen, die auch eher mit höheren Löhnen verbunden sind.

Die bisherigen Ergebnisse lassen vermuten, dass höhere Einkommensgruppen weniger häufig für die Arbeit aus dem Haus gingen. Doch heisst das, weil Reichere eher Home Office machen, dass sie allgemein weniger aus dem Haus gehen? Und wie haben sich die anderen Einkommensklassen in den Frühlingsmonaten, also in der ersten Welle verhalten? Haben sie sich an die Empfehlungen des Bundesrates gehalten?

Ärmere blieben eher zuhause als Reiche

In der obigen Grafik sieht man, wie sich verschiedene Einkommensklassen an die Empfehlungen des Bundesrates gehalten haben. Interessanterweise sieht man, dass mit steigendem Einkommen mehr Menschen angaben, für die Arbeit, zum Einkaufen oder für Freizeitaktivitäten aus dem Haus gegangen zu sein. Auch diese Zahlen können zum Teil durch den Teil-Shutdown erklärt werden, weswegen viele weder zuhause noch vor Ort einer Arbeit nachgingen, sondern eben gar nicht. Eine weitere mögliche Erklärung ist, dass Personen ohne einen Erwerb besonders bei den tiefsten Einkommensgruppen zu finden sind. Ärmere Menschen gaben denn auch eher an, für Arztbesuche das Haus verlassen zu haben oder gar nicht das Haus zu verlassen. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist bei allen Indikatoren sehr klein und im Vergleich zu den Einkommensunterschieden vernachlässigbar.

Der Frühling lockte viele wieder nach draussen

Wenn man sich dieselben Aussagen über Zeit anschaut, sieht man, dass die Unterschiede zwischen den Wellen zum Teil sehr gross sind, wobei bezüglich des Geschlechts erneut nur marginale Unterschiede festzustellen sind. Während in der ersten Umfrage einige Personen angaben, das Haus für die Arbeit, für Arzt-Besuche, zum Einkaufen oder für Freizeitaktivitäten zu verlassen, taten dies im April deutlich weniger Personen. Bei allen vier Aktivitäten ausser Haus lässt sich somit der Teil-Shutdown im April an den Zahlen ablesen. Mit dem Frühling stieg dann auch wieder die Aktivität, im Mai auf ein ähnliches Niveau wie im Februar, im Juni stieg sie dann deutlich an. Über die gesamte Zeit gab es jedoch immer weniger Leute, die angaben, das Haus gar nicht zu verlassen. Der Frühling und das schöne Wetter lockte eben doch viele nach draussen.

Auf den ruhigen Sommer folgte im Herbst dann die Ernüchterung. die Fallzahlen stiegen, die Belastung der Spitäler nahm zu, der Bundesrat empfahl Home Office. Und wieder sind es Versicherungen, Banken und IT, welche vermehrt Home Office anbieten, während die Paketboten und das Pflegepersonal vor Ort arbeiten. Und doch ist es anders als im Frühling, bei vielen war die Belastung zuhause höher durch die geschlossenen Schulen, und den damit verbundenen Betreuungsaufgaben. Da seit dem Herbst die Schulen wieder offen sind, ist es für diejenigen, welche sich Home Office leisten können, gleich ein bisschen angenehmer.

Informationen zum Blogbeitrag

Name: Camilla Herrmann
Matrikelnummer: 12-751-319
E-Mail: camilla.herrmann@uzh.ch

Seminar: Politischer Datenjournalismus (HS 2020)
Leitung: Fabrizio Gilardi, Alexandra Kohler, Bruno Wüest
Abgabedatum: 03. Januar 2021

Anzahl Wörter: 960

Selbständigkeitserklärung

Methode

Quellen

Für die Analyse wurden die Daten des Corona-Monitors der Forschungsstelle Sotomo verwendet. Die Umfragedaten wurden in 5 Wellen zwischen März und Oktober gesammelt:

  1. Welle: 30’460 Personen zwischen 21. und 22.März 2020 befragt
  2. Welle: 29’891 Personen zwischen 3. und 6. April 2020 befragt
  3. Welle: 32’485 Personen zwischen 2. und 3. Mai 2020 befragt
  4. Welle: 31’011 Personen zwischen 6. und 7. Juni 2020 befragt
  5. Welle: 34’872 Personen zwischen 23. Oktober und 2. November 2020 befragt

Insgesamt enthält der Datensatz Umfragewerte von 158’719 Personen in der ganzen Schweiz. Davon haben 96’213 Angaben zu Geschlecht und Haushaltseinkommen gemacht, sowie dazu, ob sie zurzeit im Home Office arbeiten. 111’771 Personen haben in den ersten vier Wellen beantwortet, welches Geschlecht sie haben und für welche Aktivitäten sie das Haus verlassen haben. Die Daten wurden jeweils repräsentativ gewichtet und sind somit für die Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren aussagekräftig. Die 1. Welle wurde knapp eine Woche nachdem der Bundesrat am 16. März die ausserordentliche Lage ausgerufen hat, erhoben.

Analyse

Im Blogbeitrag sollten Unterschiede zwischen Einkommensklassen sowie zwischen Männern und Frauen analysiert werden. Dazu wurden nur die Observationen verwendet, welche Angaben zu Geschlecht und Haushaltseinkommen gemacht haben. Für den ersten Teil der Analyse wurde das Item «Arbeiten Sie aufgrund der Corona-Krise von zuhause aus bzw. im Home Office?» verwendet, weshalb nur Observationen mit Angaben zu diesem verwendet wurden. Für den zweiten Teil der Analyse wurde das Item «Wofür haben Sie in den letzten sieben Tagen Ihre Wohnung / Ihr Haus verlassen?» verwendet, welches in der 5. Welle nicht abgefragt wurde. Deshalb wurden für die letzten beiden Grafiken nur die ersten 4 Wellen des Corona-Monitors verwendet.

Den Code zur Analyse und den Grafiken finden Sie hier.

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