Woher kommt die Skepsis gegenüber Corona? Ein Erklärungsversuch

Die durch den Bundesrat getroffenen Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Krise treffen viele SchweizerInnen hart. Damit können nicht alle gleich gut umgehen. Die einen finden sich mit den vorgeschriebenen Einschränkungen ab und die anderen werden zu Corona-SkeptikerInnen. 

Covid-19 – ein ernstzunehmendes Virus oder ist alles übertrieben?

Immer öfters berichten Medien von sogenannten Anti-Corona-Demos. Dabei handelt es sich um Zusammentreffen von Corona-SkeptikerInnen, die, wie der Name schon sagt, der Pandemie kritisch gegenüberstehen. Gleichzeitig respektieren sie die von den Regierungen getroffenen Massnahmen nicht. Die Analyse der Daten aus dem Monitoring der Bevölkerung zur Corona-Krise von Sotomo zeigt, in welchen Berufsgruppen sich die meisten Corona-SkeptikerInnen befinden und was die Gründe dafür sind.

Zwei Corona-Skeptikerinnen erzählten der NZZ im Dezember 2020, wie sie zunehmend kritischer gegenüber den vom Bundesrat getroffenen Massnahmen wurden. Elisabeth Bolliger arbeitet als Heilpädagogin und Kathrin Meffert als Kinderärztin. Beide üben nicht Berufe aus, die typischerweise mit Corona-SkeptikerInnen in Verbindung gebracht werden. Sie fühlen sich sehr eingeschränkt durch die verordneten Massnahmen, vor allem, da sie nicht an ihre Wirksamkeit glauben. Es geht sogar so weit, dass Elisabeth Bolliger seit Einführung der generellen Maskenpflicht für Lehrpersonen an Schulen nicht mehr unterrichtet.

« […] finanzielle Änderungen sind ein Risikofaktor. Das kann ein Jobverlust sein, aber auch ein geringeres Einkommen wegen Kurzarbeit. Zudem beobachten wir, dass Stress Auswirkungen auf das Verhalten haben kann, beispielsweise auf das Befolgen der Massnahmen.» sagt Andrew Gloster, Leiter der Abteilung Klinische Psychologie und Interventionswissenschaft an der Psychologischen Fakultät der Universität Basel im gleichen Artikel. Sind die beiden Frauen also die Ausnahme oder die Regel?

Die Unterstützung der Massnahmen sinkt im Verlaufe des Jahres

Zu Beginn stellt sich die Frage, ob und wie sich die Akzeptanz der Massnahmen des Bunderates im Verlauf der Zeit verändert hat. Wenn man die Gesamtheit der Massnahmen anschaut, dann sieht man, dass die Unterstützung im Verlaufe des Jahres 2020 gesunken ist (Abbildung 1). 

Am 16. März 2020 hat der Bundesrat die Situation in der Schweiz als «ausserordentliche Lage» eingestuft. Alle Läden, Restaurants, Bars, Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe wurden bis zum 19. April geschlossen. Wenn die verschiedenen Karten der Schweiz aus Abbildung 1 betrachtet werden, kann gesehen werden, dass die Unterstützung der Massnahmen erst nach dem «Lockdown» im April abgenommen hat. Daraus lässt sich schliessen, dass die Folgen, zum Beispiel von finanziellen Einbussen, noch nicht zu spüren waren. Aber grundsätzlich geht es darum herauszufinden, warum diese Menschen den eingeführten Massnahmen kritisch gegenüberstehen.

Von der Führung bis zur Landwirtschaft

Wie am Beispiel von Elisabeth Bolliger und Kathrin Meffert aufgezeigt, sind die Berufe der SkeptikerInnen sehr vielfältig. Abbildung 2 zeigt den Anteil des Skeptizismus unterteilt nach Berufsgruppen und Geschlecht. Generell sind Menschen, die im Bereich «Strategie, Führung» und in der «Landwirtschaft, Forstwirtschaft» arbeiten, am kritischsten eingestellt gegenüber den Massnahmen. Im Gegensatz dazu sind Personen aus «Kunst und Kultur», deren Betroffenheit meist als sehr hoch angenommen wird, am wenigsten skeptisch. Ausserdem besteht eine deutliche Differenz zwischen den Geschlechtern in allen Berufsgruppen ausser der «Administration, Organisation» und «Transport und Verkehr». Frauen sind auffallend weniger skeptisch als Männer. 

Die erste Analyse zeigt, in welchen Berufsgruppen die kritischsten Personen arbeiten. Aber aus welchen Gründen Menschen diese Skepsis entwickelt haben, wissen wir noch nicht. 

Von Kurzarbeit betroffene Personen sind am skeptischsten

Abbildung 3 zeigt die Beschäftigungssituationen von besonders skeptischen Personen. Menschen mit Kurzarbeit scheinen am kritischsten eingestellt zu sein. Mit 62% ist der Anteil skeptischer Personen unter ihnen am grössten. Alle anderen Beschäftigungssituationen weisen einen Anteil unter 50% auf. Das heisst, dass unter 50% der Personen in der jeweiligen Beschäftigungsgruppe den Massnahmen skeptisch gegenüber steht. Die Analyse zeigt auch, dass Arbeitslose mit 43% am wenigsten skeptisch sind.

Dieses Resultat könnte ein erster Erklärungsversuch sein. Man könnte davon ausgehen, dass ein Zusammenhang zwischen der Kurzarbeit und der Skepsis gegenüber den Massnahmen vom Bundesrat besteht. Um das zu überprüfen wird die Kurzarbeit in Abbildung 4 noch weiter analysiert.

Fehlendes Vertrauen in Bundesrat und in die Medien ausschlaggebend

Die Abbildungen 4, 5, 6 und 7 vergleichen verschiedene Erklärungsfaktoren prozentual pro Berufsgruppe. Die Gruppen «Strategie, Führung» und «Landwirtschaft, Forstwirtschaft», die vorher am kritischsten waren und die zwei am wenigsten kritischsten sind mit grün hervorgehoben. Die Kurzarbeit gilt in den besonders skeptischen Berufsgruppen nicht als Erklärungsfaktor, trotz der vorherigen Analyse. Auch mit Stress kann nicht viel erklärt werden. Hingegen empfindet die Berufsgruppe «Kunst und Kultur» im Vergleich zu den anderen mehr Stress, ist jedoch trotzdem am wenigsten skeptisch.

Abbildung 6 und 7 deuten darauf hin, dass eine kritische Haltung gegenüber den Medien und das fehlende Vertrauen in den Bundesrat mit Ablehnung der Massnahmen einhergeht. Dies ist besonders in der Gruppe «Landwirtschaft und Forstwirtschaft», aber auch in der Gruppe «Strategie und Führung» der Fall.

Abb. 4, 5, 6 und 7: Eine kritische Haltung gegenüber den Medien und dem Bundesrat führt zur Ablehnung der Massnahmen
Verschiedene Erklärungsfaktoren für die Skepsis gegenüber den Massnahmen im Vergleich (in % pro Berufsgruppe)

SVP und FDP runden das Bild ab

Als letzte Analyse wurden die zwei skeptischsten und die zwei am wenigsten skeptischen Berufsgruppen auf ihre Parteizugehörigkeit untersucht. Abbildung 7 zeigt, wieviel Prozent der Individuen in der jeweiligen Berufsgruppe welche Partei wählt. Das Resultat ist wenig überraschend. Personen in skeptischeren Berufsgruppen fühlen sich eher der SVP oder FDP zugehörig und die weniger kritischen eher der SP oder den Grünen. Dies stimmt überein mit den jeweiligen Meinungen der verschiedenen Parteien.

Corona-SkeptikerInnen gibt es überall, aber vor allem politisch rechts und mit wenig Vertrauen in den Bundesrat und die Medien

Die Analyse der Daten aus dem Monitoring der Bevölkerung zur Corona-Krise hat gezeigt, dass die Unterstützung der Massnahmen im Verlaufe des Jahres abgenommen hat. Wir haben herausgefunden, dass vor allem Personen, die von Kurzarbeit betroffen sind, besonders skeptisch sind. Menschen, die in der «Strategie oder Führung» und «Landwirtschaft oder Forstwirtschaft» arbeiten, sind im Vergleich zu anderen Berufsgruppen am kritischsten eingestellt gegenüber den Massnahmen. Zudem besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen Männern und Frauen. Männer sind in fast allen Berufen kritischer eingestellt. Zu den Gründen gehören unter anderem vor allem das fehlende Vertrauen in den Bunderrat und in die Medien. Dazu kommt, dass diese Gruppen vorwiegend SVP und FDP wählen. Das heisst, dass Corona-SkeptikerInnen wie Elisabeth Bolliger und Kathrin Meffert eher zu den Ausnahmen gehören, da sie einerseits Frauen und andererseits nicht in besonders kritischen Berufsgruppen tätig sind. Aber bekanntlich bestätigen Ausnahmen die Regel.

Informationen zum Blog

Autorin: Alexandra Würmli, 13-706-114, alexandra.wuermli@uzh.ch
Modul: Politischer Datenjournalismus HS 20
Dozenten: Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Bruno Wüest, Alexandra Kohler
Abgabedatum: 15.01.2020
Anzahl Worte: 969
Selbständigkeitserklärung

Daten, Methoden und Validität

Die für die Analyse verwendeten Daten wurden von Sotomo zur Verfügung gestellt und stammen aus dem Monitoring der Bevölkerung zur Corona-Krise, das fünf Mal durchgeführt wurde.

Bemerkungen zur Analyse

Skepsis/SkeptikerInnen
Die Skepsis wurde aus mehreren Fragen über die Angemessenheit verschiedener Massnahmen abgeleitet. 

  • Massnahmen, die die persönliche Bewegungsfreiheit einschränken (Verbot von Ansammlungen mit mehr als dreissig Personen)
  • Massnahmen, die in die Wirtschaft eingreifen (Verbot von Events / grossen Veranstaltungen)
  • Massnahmen zur Abfederung von Lohnausfällen (Entschädigung für Eltern mit betreuungspflichtigen Kindern, Soforthilfe für Selbstständige usw.)
  • Soll in der Schweiz eine Pflicht zum Tragen von Schutzmasken beim Einkaufen eingeführt werden?

Alle Antworten auf die Fragen: «Gehen eher zu weit» oder «Gehen eher viel zu weit» wurden als skeptisch codiert. Daraus resultiert auch eine allfällige Schwäche der Variable. Darüber hinaus konnten nicht alle Massnahmen berücksichtigt werden. 

Einflussfaktoren
Mithilfe einer Regressionsanalyse wurde versucht, zu kontrollieren, ob die Faktoren auch einen Einfluss haben. Jedoch gibt es noch weitaus mehr Faktoren, die den Skeptizismus beeinflussen könnte.

Der Code zur Analyse kann hier eingesehen werden.

Literaturverzeichnis 

Aebi, Mischa. 2021. «Politische Allianz verlangt jetzt schärfere Massnahmen». Tagesanzeiger. https://www.tagesanzeiger.ch/politische-allianz-verlangt-jetzt-schaerfere-massnahmen-376323201603 (2. Januar 2021).

Bundesamt für Gesundheit (BAG). 2020. «Coronavirus: Bundesrat erklärt die ‹ausserordentliche Lage› und verschärft die Massnahmen». https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-78454.html (1. Januar 2021).

Christof Forster, und Larissa Rhy. 2020. «Entweder ist diese Pandemie wirklich so dramatisch, wie man uns erzählt. Oder es steckt mehr dahinter». Neue Zürcher Zeitung. https://www.nzz.ch/schweiz/corona-skeptiker-erzaehlen-wie-sie-misstrauisch-wurden-ld.1590350 (3. Januar 2021).

Hardegger, Angelika. 2020. «Corona-Demo in Konstanz: Der Kampf um die Lüge». Neue Zürcher Zeitung. https://www.nzz.ch/schweiz/corona-demo-in-konstanz-der-kampf-um-die-luege-ld.1579990 (30. Oktober 2020).

Nachtwey, Prof. Dr. Oliver, Dr. Robert Schäfer, und Dr. des. Nadine Frei. 2020. Politische Soziologie der Corona-Proteste. https://www.unibas.ch/dam/jcr:ba4b18d1-9c70-4764-9cce-e7252a26c351/Bericht_Umfrage_Coronaproteste_Soziologie_Uni_Basel_17_12_20.pdf (30. Oktober 2020).

Sotomo. 2020. «Corona-Krise: Monitoring der Bevölkerung 6/11/20». https://sotomo.ch/site/corona-krise-monitoring-der-bevoelkerung-30-10-20/ (2. Januar 2021).

Wirth, Benjamin. 2020. «Inmitten von Corona-Skeptikern». Tagesanzeiger. https://www.tagesanzeiger.ch/inmitten-von-corona-skeptikern-444563280729 (4. Januar 2021).

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