Ein typischer Schweizer öffnet vor einer Abstimmung immer noch eine Zeitung, sich über politischen Background des Wahls zu informieren. Sehr wahrscheinlich liest er oder sie die Zeitung Tages-Anzeiger oder Tribune de Genève. „Tages-Anzeiger ist nicht so linksorientiert, wie man denkt,“ sagt die neueste Analyse der VOX und Selects Daten zum Wahlverhalten in der Schweiz, die an der Universität Zürich gemacht wurde.
Drei von vier befragten Schweizer informieren sich über Politik aus den Zeitungen, die ihnen auch helfen, sich eine Meinung zur Abstimmung zu bilden. Und man benutzt dazu die Zeitungen desto eher, je schwieriger ist das für einen, sich eine Meinung allgemein zu bilden. Was ist, übrigens, eine Herausforderung für die meisten Befragten. Unabhängig davon, ob sie Zeitungen lesen oder nicht und ob sie sich überhaupt für Politik interessieren, gibt die Mehrheit an: „eine Meinung zu bilden ist für mich schwierig“.
Aber natürlich, die Zeitungen sind nicht die einzige Informationsquellen über Politik. Die VOX Daten, die nach den einzelnen schweizerischen Abstimmungen ab 2000 gesammelt wurden, zeigen, dass die Schweizer auch ganz viel fernsehen und Bundesbüchlein benutzen, um sich über Politik zu informieren und um ihre Wahlverhalten zu bestimmen. Was zeigt auch die folgende Grafik.
Tages-Anzeiger No1 auf der Liste
Obwohl Blick in der Schweiz sehr starke Leserschaft hat, gehören dazu nicht so viele Menschen, die sich für Politik „sehr“ oder „eher“ interessieren. Die Politikinteressierte lesen vielmehr und am meisten die Qualitätszeitung Tages-Anzeiger und auch Tribune de Genève, Neue Luzerner Zeitung und Schaffhauser Nachrichten, in Abhängigkeit von der Sprachregion und Kanton.
Aber die absolute Mehrheit, die sich an der Umfrage teilgenommen hat und die sich für Politik viel interessiert, liest etwas anderes. Leider legen die Forscher keine weitere Spezifikation und Daten bei. Es könnte sein, dass in diese Kategorie die zwei kostenlosen Zeitungen fallen – 20 Minuten und Blick am Abend. Die gehören tatsächlich zu den meistgelesenen Zeitungen in der Schweiz allgemein.
Wie informieren sich die Schweizer über Politik vor den Abstimmungen? Welche Rollen spielen die Zeitungen in ihrer Meinungsbildung und Entscheidung? Und wie sieht die links-rechts Positionierung einzelner Zeitungen aus? Das waren die Hauptfragen der neuesten Analyse der VOX und Selects Daten zum Wahlverhalten in der Schweiz, die an der Universität Zürich gemacht wurde.
Die Blick Leser – Das neuentdeckte Interesse für Politik?
Wenn man das politische Interesse der Leser der drei ausgewählten populären Zeitungen (Tages-Anzeiger, Neue Zürcher Zeitung und Blick) und der Nichtleser vergleicht, zeigt es sich, dass es heutzutage mehrere Leser des Boulevardblattes Blick gibt, die sich für Politik interessieren als bevor. Einige Leser sind aus der Kategorie „keine Interesse“ zu der Kategorie „eher“ Interesse umgezogen, vereinfacht ausgedrückt. Es würde aber aktuellere Daten brauchen, diese Hypothese genau zu bestätigen.
Mehr stabil ist die Neue Zürcher Zeitung, die ständig einen grössten Anteil der Leser hat, die sich für Politik „sehr“ und „eher“ interessieren. Und die NZZ-Leser sind nach den letzten Daten noch mehr für Politik interessiert als bevor.
Jahr: 1999, Daten: Selects
Jahr: 2003, Daten: Selects
Neue Zürcher Zeitung und Tages-Anzeiger catchen ähnliche Wähler
Die Neue Zürcher Zeitung wird meistens als mehr rechtsgerichtete Zeitung betrachtet als Tages-Anzeiger. Aber die neuesten Daten sagen etwas anderes – obwohl sich die Leser der drei ausgewählten Zeitungen meistens in die Mitte der links-rechts Skala positionieren, der Schwerpunkt liegt bei der NZZ und Tages-Anzeiger ein wenig mehr nach rechts. Im Vergleich zu Blick, der den Schwerpunkt ein wenig mehr nach links hat. Tages-Anzeiger dabei absolut und auch relativ mehr Rechtswähler anspricht als NZZ.
Die folgende vereinfachte Grafik positioniert die Medien auf die links-rechts Skala von 0 bis 10, in Abhängigkeit von den Präferenzen der Leser. Null entspricht extrem links, 10 extrem rechts. Die Breite der Linien entspricht der Anzahl der Fälle – der Anzahl der Leser, die sich für ein Wert auf der Skala entschieden haben. Und je höher ist ein Medium positioniert, desto dominanter ist sein Position gegenüber anderen (abhängig von der Anzahl der Fälle).
Wenn man die Werte 3, 4 und 6, 7 vergleicht, kann man den Vergleich ganz genau sehen. Tages-Anzeiger ist mehr rechtsschief als Neue Zürcher Zeitung. Das bedeutet, es gibt mehr Tages-Anzeiger-Leser, die rechte Einstellung haben als die, die linke Einstellung ausgedrückt haben.
Die Neue Zürcher Zeitung ist auf der Skala mehr balanciert. Im Gegenteil, die Blick-Leser sind viel mehr linksorieniert.
Neue Datenanalyse hat gezeigt, die Schweizer informieren sich über Politik aus den Zeitungen, aus dem Fernsehen und auch aus dem Bundesbüchlein. Für die meisten Befragten ist gleichzeitig ganz schwierig, sich eine Meinung zu bilden. Die Politikinteressierte lesen ganz oft die Qualitätszeitung Tages-Anzeiger, aber auch die Leser des Boulevardblattes Blick interessieren sich für Politik. Und die letzten Daten zeigen, dass viel mehr als bevor.
Autor: Petra Parikova / petra.parikova@uzh.ch / 12-733-275 / Abgabedatum 7.12.2014
Blog: Im Rahmen des Forschungsseminars Policy Analyse: Politischer Datenjournalismus
Dozent: Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Michael Hermann und Dr. des. Bruno Wüest, Dr. Sarah Bütikofer
Daten: Selects, VOX
Worte: 853