Das Projekt Pro Langstrass-Quartier soll den Abwertungstendenzen im Kreis 4 entgegenwirken. Durch das Projekt sind nicht nur mehr Nationalitäten in den Kreis gezogen, sondern es haben auch verschiedene Baugesellschaften neue Wohnungen erbaut. Diese Aufwertung hat aber zur Folge, dass gewisse Nationalitäten den neu hinzugezogenen Yuppis Platz machen müssen.
Der Kreis 4, rund um die Langstrasse, gilt als lebendigstes und intensivst genutztes Viertel der Stadt Zürich. Doch das Ausgehviertel ist nicht nur durch seine vielen Restaurants und Bars bekannt. Auch die Einwohner hier sind bekannt für ihren nationalen und kulturellen Mix. Der Kreis 4 hat also eine typische Mischfunktion: Zum einen gilt er als ein althergebrachtes Arbeiter-Wohnquartier mit vergleichsweise günstigen Wohnungen, in denen bis etwa Mitte der 90er Jahre vorwiegend Volksvertreter aus Süd- (Italien, Spanien, Portugal, Griechenland) aber ebenso einige aus Osteuropa (Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kroaten) leben. Zum anderen ist er ein Gewerbe-, und Vergnügungsgebiet. Jahrzehntelang zeigten sich jedoch klassische Probleme innenstadtnaher Gebiete durch mangelnde Investitionstätigkeiten und Veralterung der Gebäude (Schmidli 2011: 12). Sexgewerbe und Drogenmilieu fanden Platz im Kreis 4, was zu einem Verlust an Lebens- und Wohnqualität geführt hat. Der Beschluss der Aufwertung des Kreises kam mit dem Projekt Pro Langstrass-Quartier (Schmidli 2011: 12). Seit 1995 wird der Kreis 4 stetig aufgebessert. Diese bauliche Aufwertung lockt auch 15 Jahre später viele Yuppis, vor allem solche aus Westeuropa (Deutschland, Österreich, Grossbritannien) und Nordamerika (US-Bürger und -Bürgerinnen) in den Kreis, die zu einer Gentrifizierung beitragen und gewisse Nationalitäten, wie etwa Osteuropäer und Osteuropäerinnen, Platz machen müssen, nicht zuletzt aufgrund von neuen Eigentümerarten.
Zuzug verschiedener Nationalitäten
Gut 15 Jahre später erkennt man, dass die Aufbesserung der Wohnsituation im Kreis 4 dazu geführt hat, dass vor allem Nationalitäten aus Westeuropa, insbesondere aus Deutschland, Österreich und Grossbritannien, seit 2008 vorwiegend in den Kreis 4 gezogen sind und vermutlich hier zu einer Gentrifizierung in diesem Kreis beigetragen haben. Schweizer und Schweizerinnen sind zwar am meisten zugezogen, aber auch wieder weggezogen. Von dieser Bevölkerung sind allerdings auch die meisten im Kreis wohnend, weshalb der enorme Wegzug dieser Nationalität seit 2015 keinen grossen Einfluss hat, wie weitere Analysen gezeigt haben. Nationalitäten aus Osteuropa sind eher weniger häufig in diesem Kreis anzutreffen. Und auch Südeuropäer und Südeuropäerinnen, welche oft als die alteingesessene Bevölkerung gilt oder auch als ehemalige Yuppis des Kreis 4 bezeichnet werden können, sind mehr und mehr weggezogen. Sie stellen aber weiterhin die zweitgrösste Bevölkerungsnation im Kreis 4 dar. Weitere Analysen haben jedoch auch gezeigt, dass der Trend nicht nur im Kreis 4 zu beobachten ist, sondern auch in den anderen Kreisen der Stadt Zürich.
Yuppis bereichern die Baugesellschaften
Das Projekt Pro Langstrass-Quartier hat zur Folge, dass nicht nur mehr Menschen in den Kreis 4 ziehen, sondern auch, dass neue Wohnungen gebaut werden. Seit 2008 zeigt sich, dass über die Jahre hinweg stetig mehr Gebäude, in der Gesamtzahl 9, von verschiedenen Eigentümerarten erbaut wurden. Hauptsächlich die Privat-Eigentümer, vereinzelte Genossenschaften und Aktiengesellschaften sind hier Eigentümer der Gebäude im Kreis 4.
Diese Erneuerung von Gebäuden durch private Investoren kann mit ein Grund dafür sein, dass die Mieten in den einzelnen Wohnungen steigen und sich gewisse Nationalitäten hier das Wohnen nicht mehr leisten können, weshalb sie wegziehen.
Vergleicht man diese Entwicklung im Kreis 4 mit anderen Kreisen der Stadt Zürich, wird diese Aufwertung sehr deutlich. So zeigt der Kreis 11, im Vergleich zum Kreis 4, eine deutliche Abnahme von Neubauten seit 2008. Und auch weitere Analysen haben gezeigt, dass die anderen Kreise ebenfalls keine steigende Entwicklung, wie sie im Kreis 4 zu finden ist, aufweisen. Daraus kann bereits gefolgert werden, dass das Projekt durchaus hier seinen Zweck erfüllt hat: Eine Aufwertung des Kreis 4 ist geglückt. Viele Nationalitäten sind vermehrt in den Kreis hinzugezogen, woraus man auch schliessen könnte, dass die Baugesellschaften mehr Wohnungen erbaut haben. So kann durchaus von einer Gentrifizierung für gewisse Teile von Nationalitäten die Rede sein: Es sind vor allem die Nationen aus Deutschland, Österreich und Grossbritannien, die neu in den Kreis 4 gezogen sind und Volkszugehörigkeiten aus Osteuropa, die weggezogen sind.
Westeuropäer und Westeuropäerinnen sind die neuen Yuppis im Kreis 4
Viele neue Westeuropäer und Westeuropäerinnen ziehen nun in den trendigen Kreis. Sie sind die neuen Yuppis, welche sich im Durchschnitt die grössten Wohnungen mit bis zu 125 Quadratmeter leisten können. Interessant bleibt aber, dass die Gentrifizierung nicht für alle stattgefunden hat. So sind es nicht die Südeuropäer und Südeuropäerinnen, welche vertrieben werden. Denn im Durchschnitt wohnen sie auf einem Raum von circa 70 Quadratmeter, was sich kaum vom Wohnraum der meisten Westeuropäer und Westeuropäerinnen unterscheidet. Von denen bewohnen die meisten ebenfalls eine durchschnittliche Fläche von rund 70 Quadratmeter. Die grösste Verteilung an Wohnfläche ist bei den Schweizer und Schweizerinnen zu erkennen. Dies ist allerdings auch darauf zurückzuführen, dass von ihnen in der Anzahl insgesamt am meisten im Kreis 4 leben. Einen durchschnittlich kleineren Wohnraum besitzen Nationalitäten aus Nordamerika und Osteuropa. Von den beiden Bevölkerungsgruppen leben jedoch auch insgesamt weniger im Kreis 4.
Obwohl also Westeuropäer und Westeuropäerinnen insgesamt mehr in den Kreis 4 gezogen sind und auch im Durchschnitt die grösste Wohnfläche bewohnen, hat nur eine „Teilgentrifizierung“ stattgefunden. Es sind grösstenteils die Osteuropäer und Osteuropäerinnen, die hier nicht von der Aufwertung des Kreis 4 profitieren konnten. Grund dafür könnte sein, dass sie bildungs- und einkommensniedriger sind – dies müsste aber in einer weiteren Analyse untersucht werden. Südeuropäer und Südeuropäerinnen können sich weiterhin ein angemessenes Leben, was die Wohnsituation anbelangt, im Kreis leisten. Hier zeigen weitere Beobachtungen aber auch, dass diese Nationalitäten hauptsächlich in Privateigentum leben, was wiederum den geringen Wegzug erklären könnte und, dass hier die Gentrifizierung für diese Bevölkerungsgruppe nicht zutrifft.
Ob eine Gentrifizierung auf den Dimensionen der sozialen und funktionalen Aufwertung des Kreis 4 eingetreten ist, lässt sich auf dieser Datenlage jedoch nicht sagen.
[Anzahl Wörter: 952 (inkl. Lead und einzelnen Überschriften, exkl. „Hinweise zur Methode“)]
Autor: Dagmara Garner (dagmara.garner@uzh.ch)
Matrikelnummer: 13-706-023
Seminar: Politischer Datenjournalismus (Herbstsemester 2017)
Dozierende: Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Bruno Wüest, Alexandra Kohler
Basierend auf einer Kooperation zwischen der Statistik Stadt Zürich (SSZ) und dem Institut für Politikwissenschaft Zürich (IPZ) der Universität Zürich wurde ein Datensatz zur Verfügung gestellt, welcher folgende Variablen beinhaltet: Bevölkerung, Zuzug, Wegzug, Umzug, Wohnung und Gebäude der ganzen Zürcher Stadtbevölkerung für die Jahre 1993-2016.
Für diesen Beitrag wurden folgende Quellen herangezogen:
- Bedetti, Joel (2011): Von Yuppies, Drogen und Kinderkurieren. (http://www.20min.ch/ schweiz/zuerich/story/Von-Yuppies-Drogen- und-Kinderkurieren-26395596 [Stand 01.12.2017]).
- D’Amato, Gianni (2008): Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik. The Graduate Institute Geneva 2008 27, 1-20.
- Kolly, Marie-José, Lemcke, Anja und Rittmeyer, Balz (2017): Hipster machen sich in den Arbeiterquartieren breit.
(https://www.nzz.ch/zuerich/gentrifizierung-in-zuerich-der-auslaenderanteil-in-zuercher-kreisen-gleicht-sich-an-ld.604774 [Stand 01. 12.2017]). - Schmidli, Marcel (2011): Projekt Langstrasse PLUS. Polizeidepartement der Stadt Zürich, 1-159.
Für die Idee des Blogbeitrags dienten unter anderem zwei Zeitungsartikel aus der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) (Kolly et al. 2017: o.S.) und der 20 Minuten (Bedetti 2011: o.S.). Die Nationalitäten wurden zur Vereinfachung der Lesbarkeit der Grafiken in folgende Länderkategorien eingeteilt: Schweiz, Westeuropa, Nordamerika, Südeuropa, Osteuropa. Die Einteilung dient dazu die Nationalitäten in sogenannte Pro-Gentrifizierungs-Nationalitäten, also Volkszugehörigkeiten, welche man mit Gentrifizierung in Verbindung bringt, respektive die diese unter anderem mit verantworten, und in Kontra-Gentrifizierungs-Nationalitäten, die das Gegenteil meinen, zu kategorisieren. Nationalitäten aus der Schweiz, Westeuropa (Deutschland, Österreich, Grossbritannien) und Nordamerika (US-Bürger und -Bürgerinnen) sind also Nationen, die mit Gentrifizierung konnotiert sind (D’Amato 2008: 6). Nationalitäten, welche nicht als Gentrifizierungsverursacher in Verbindung gebracht werden sind Volksvertreter aus Süd- (Italien, Spanien, Portugal, Griechenland) und Osteuropa (Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien) (D’Amato 2008: 4). Da gewisse Variablen im Datensatz erst ab dem Zeitpunkt 2008 erfasst wurden, wurde für die ganze Analyse ein Zeitraum von 2008 bis 2016 eingegrenzt. Für den Vergleich der Zu- und Wegzüge der verschiedenen Nationalitäts-Kategorien wurden, um sich auf andere Kreise der Stadt Zürich beziehen zu können, ebenfalls Small Multiples für alle Kreise der Stadt Zürich erstellt. Ausserdem wurde die Entwicklung der Netto-Migration in verschiedenen Kreisen in der Stadt Zürich von 2008 bis 2016 analysiert. Wie viele verschiedene Eigentümerarten in welchen Jahren Neubauten errichtet haben wurde zusätzlich für alle Kreise der Stadt Zürich errechnet, um einen Vergleich für den Kreis 4 zu erhalten. Für den Beitrag wurde jedoch nur Kreis 4 mit Kreis 11 verglichen, da hier der Kontrast am deutlichsten wurde. Ob ein Zusammenhang zwischen Zuzug verschiedener Nationalitäten und Neubauten von Gebäuden allgemein vorhanden war wurde zwar berechnet, jedoch war dieses Ergebnis nicht für alle Nationalitäten repräsentativ, weshalb es für den Beitrag nicht verwendet wurde. Was allerdings als weitere Analyse für den Beitrag herangezogen wurde war die Wohnfläche der verschiedenen Nationalitäten in Gebäuden mit verschiedenen Eigentümerarten.
Der verwendete R-Code zum Nachvollziehen der Datenmanipulation ist hier zu finden.