Professionell oder peinlich? Schweizer Parlamentarier auf Instagram
In einem Zeitalter, in dem Politik auch auf Kanälen der Sozialen Medien gemacht wird, lohnt sich für Parlamentarier der Blick aufs eigene Insta-Konto. Welcher Parlamentarier hat es drauf und welche Partei sollte im Blick auf die Wahlen 2019 noch zulegen?
Am 31. Januar stellt Bundespräsident Alain Berset auf Instagram ein Bild von sich online, in dem man ihn vor einem Aktenberg ein Glas Wasser trinken sieht. 737 Personen geben an, dass ihnen der Beitrag gefällt. Alain Berset ist der König der Instagram-Parlamentarier mit 3.602 Personen, die ihn abonniert haben. Er ist aber mehr als nur fotogen. Hinter seinem Online-Auftritt steckt eine Strategie, die auch politische Influencer wie Barack Obama oder der Trump-Clan einsetzen. Die knappe Beschreibung der Szene und die auf Instagram üblichen Hashtags reden davon, dass er eine Sitzung des Bundesrates vorbereitet. Sie vermitteln die Botschaft, dass er dazu viele Akten zu bewältigen hat, durstig ist und früh aufstehen musste. Er hat wie die oben genannten amerikanischen Politiker das Potenzial von Instagram und die Macht der Bilder längst erkannt und gibt Einblick in den Polit-Alltag.
Was ist Instagram?
Doch erstmal ein Schritt zurück: Was ist denn Instagram überhaupt? Instagram ist ein kostenloser Dienst zum Teilen und Kommentieren von Fotos und Videos, der 2012 von Facebook gekauft wurde. Instagram kann als kostenlose Applikation auf jedes Smartphone heruntergeladen werden. Fotos und Videos können mit Hashtags versehen werden. Ein Hashtag, zusammengesetzt aus den englischen Wörtern „hash“ für das Schriftzeichen Raute (#) und „tag“ für Markierung, ist ein Schlagwort, das dazu dient, Nachrichten zu bestimmten Themen in sozialen Netzwerken auffindbar zu machen. Im Unterschied zu Facebook spricht man nicht von Freunden, sondern von Followern. Wenn man jemandem auf Instagram folgt, erscheint wie bei Facebook der jeweils neuste Beitrag dieser Person im Verlauf des Nutzers. Dieser Beitrag kann dann von jedem Follower kommentiert werden.
Und die Schweiz?
Anfang 2012 hatte Instagram weltweit noch 15 Millionen Nutzer. 2018 sind es bereits über 800 Millionen. Auch die Werbeeinahmen sind stark angestiegen und zeigen die grösste Wachstumsrate verglichen mit anderen Sozialen Medien wie Facebook, Pinterest, Twitter, LinkedIn und Snapchat. Der Aufwärtstrend wird in den nächsten Jahren noch weitergehen und Prognosen gehen davon aus, dass bis im Jahr 2021 ein Drittel der Nutzer von sozialen Netzwerken ein Instagram Konto haben wird.
Der Trend hat auch die Schweiz erreicht. Instagram stand 2017 bereits auf Platz drei der fünf Lieblingsapps auf dem Smartphone der Schweizer. Noch deutlicher ist die Tendenz bei den „Digital Natives“ (14-29 Jahre) zu sehen. (Ein „Digital Native“ ist jemand, der von Geburt an in der digitalen Welt aufgewachsen ist.) Bei ihnen kommt Instagram direkt an zweiter Stelle hinter WhatsApp und hat damit Facebook bereits 2017 überholt. Doch wird dieser Trend auch von den Schweizer Politikern und speziell den Parlamentariern erkannt?
Wer hat es drauf?
Anscheinend nicht, denn nur 27% der Schweizer Parlamentarier haben ein Instagram-Konto. Ein Grund dafür ist das Alter der Parlamentarier. Die meisten Parlamentarier gehören nicht zur „Digital Native“ Internet Generation (14-29 Jahre), sondern zu den „Digital Immigrants“ (30-54 Jahre) oder den „Silversurfers“ (55-76 Jahre). Somit kommt jeder Parlamentarier durchschnittlich nur auf 158 Follower. Doch wenn Instagram das gleiche Schicksal ereilt wie Facebook, wird die Zahl von „Digital Immigrants“ und „Silversurfers“ auf Instagram in den nächsten Jahren markant zunehmen. Das heisst auch, dass potenzielle Wähler vermehrt auf Instagram aktiv sein werden.
Der erfolgreichste Polit-Influencer der Schweiz, Alain Berset (SP), hat diese Möglichkeit bereits erkannt. Natürlich wirken 3.602 Follower im Gegensatz zu den über 17.2 Millionen von Barack Obama lächerlich. Doch Alain Berset setzt sich geschickt in Szene. Er berichtet mit einem Augenzwinkern vom Polit-Alltag im Bundeshaus und überbrückt damit eine grosse Distanz zu den Wählern. Guillaume Barazzone (CVP) ist ihm auf den Fersen mit 2.193 Abonnenten. Die Parlamentarierin mit der grössten Reichweite auf Instagram ist Natalie Rickli (SVP) mit 2.100 Followern. Sie ist auch die einzige Frau mit einem zertifizierten Instagram Konto. Zusammen mit Céline Amaudruz (SVP) ist sie die einzige Frau, die es in die Top 10 geschafft hat.
Parteimässig sind die Top 10 zwar gut durchmischt und bilden die Schweizer Politlandschaft mit den vier grössten Parteien ab. Hervorzuheben ist jedoch, dass unter den Top 10 der Parlamentarier mit den meisten Instagram Followern nur vier Personen aus der Deutschschweiz sind*.
Wie sieht es denn beim Parteien-Ranking aus? Die FDP ist die Partei mit den meisten Instagram-Abonnenten. Dicht gefolgt ist sie von der SVP. Obwohl der Anteil der Parlamentarierinnen in der SVP minim ist, ist die Instagram Präsenz der SVP-Frauen beeindruckend. Genau umgekehrt verhält es sich bei der SP.
Nun werfen wir noch einen Blick auf inhaltliche Aspekte der Schweizer Parlamentarier auf Instagram. Können sie es mit Barack Obama und dem Trump-Clan aufnehmen?
Lernen von Barack Obama und dem Trump-Clan
Barack Obama und der Trump-Clan haben eines gemeinsam: Sie haben eine Instagram-Strategie. Sie sind sich bewusst wie wichtig die visuelle politische Kommunikation ist. Denn Bilder können eine entscheidende Rolle darin spielen, wenn es darum geht wie die Öffentlichkeit Politiker wahrnimmt und bewertet. Barack Obama und der Trump-Clan geben beide einen privaten Einblick in ihren Alltag. Jedes Bild und jeder Text dazu sind jedoch ganz bewusst ausgesucht und transportieren eine bestimmte Botschaft. Nie kommt es vor, dass ein Bild gepostet wird, bei dem nicht überlegt wurde, welche Message das Bild enthält. Wichtig dabei ist, dass der Instagram Auftritt kohärent mit der jeweiligen politischen Botschaft ist. Der Trump-Clan unterstützt durch seine Posts ganz deutlich das menschliche, nahbare Bild des Präsidenten Donald Trump. Mit Bildern, die seine Enkel beim Frühstück im weissen Haus zeigen oder bei einem Flug der Air Force One gemeinsam mit dem Grosspapi, wirkt Donald Trump sympathisch und wie ein durchschnittlicher 71 jähriger Mann.
Stichproben zeigen, dass die Schweizer Parlamentarier gar nicht so schlecht unterwegs sind mit ihrem Instagram-Auftritt. Natürlich gibt es hin und wieder einen Faux-Pas wie einen nackten Oberkörper, der in diesem Zusammenhang nun wirklich nicht interessiert. Auffallend sind auch viele Ferien- und Essens-Bilder. Die Strategie dahinter ist unklar. Werden diese Bilder mit einer bestimmten Absicht gepostet? Und wenn ja, welche politische Botschaft sollen uns diese Bilder vermitteln? So beglückte Philippe Nantermond (FDP) seine Abonnenten am 31.Dezember 2017 mit untenstehendem Bild eines niedergegarten Bratens. Anbei seine Glückwünsche für das Jahr 2018: „2018, ein Jahr das sich äussert gut ankündigt!“
Jeder bestehende oder zukünftige Schweizer Parlamentarier sollte sich bewusst sein, welche Geschichte er mit seinem Instagram-Auftritt erzählen will. Peinlich sind die Auftritte bisher selten, doch ist in Bezug auf Professionalität wohl eher von einer zufälligen Strategie oder „Glück“ zu sprechen. Mit Blick auf die Wahlen 2019 wäre eine Schulung in Bezug auf Soziale Medien und besonders Instagram für den einen oder anderen empfehlenswert und für viele zwingend notwendig. Vielleicht liesse sich ja bei der SP Alain Bersets Medienteam dafür gewinnen.
*Leider wurden keine Zahlen zur unterschiedlichen Nutzung Sozialer Medien in den verschiedenen Sprachregionen gefunden.
Methode
Datensatz
Für den vorliegenden Beitrag wurde manuell nach jedem Parlamentarier auf Instagram gesucht. Die Suche erfolgte mit dem vollen Vor- und Nachnamen wie er auch auf der Seite der Parlamentsdienste wiedergegeben wurde und in den Wahllisten 2015 erschien.
- In Fällen mit Doppelnamen, bei denen die volle Namenssuche nichts ergab, wurde nach den einzelnen Nachnamen gesucht.
- Zum Teil gab es mehrere Konten pro Parlamentarier. In diesen Fällen wurde das am ehesten zuordenbare Konto gewählt. Ein Konto konnte dann klar zugeordnet werden, wenn Parlamentarier mindestens einen Beitrag von sich hochgeladen hatten und/oder durch Hashtags verlinkt wurden.
- Einige Konten sind sogenannte Fake-Konten. Das heisst, eine Drittperson hat dieses Konto im Namen eines Politikers erstellt. Diese Fake-Konten sind zum Teil daran ersichtlich, dass das Konto nicht zertifiziert wurde durch den betreffenden Parlamentarier. Die Zertifizierung ist ersichtlich durch ein blaues Häkchen auf dem Profil und bedeutet, dass eine Person ihre Identität bei Instagram bestätigt hat. Die Zertifizierung ist kostenpflichtig und wird vor allem bei Gefahr durch Nachahmer beantragt. Leider haben nur gerade mal drei Parlamentarier ein zertifiziertes Konto. Das bedeutet allerdings nicht, dass alle anderen Konten eine Imitation sind. Ein Fake-Konto ist auch durch eine geringe Anzahl an Beiträgen des Kontoinhabers ersichtlich (z.B. lediglich ein Profilbild und sonst keine Interaktionen). Da es nicht immer klar war, welches Fake-Konten sind und welche bewusst vom betreffenden Parlamentarier eingerichtet wurden, wurden alle gefundenen Konten in der Analyse berücksichtigt. Es ist aber durchaus möglich, dass Parlamentarier ein Konto mit siebenhundert Followern haben, sich dessen aber gar nicht bewusst sind und dieses Konto auch nicht selbst erstellten.
- Es ist möglich, dass weitere Parlamentarier ein Konto haben, diese von der Verfasserin aber nicht gefunden wurde. Das wäre möglich, wenn der Parlamentarier das Konto unter einem anderen Namen eingerichtet hat. In dem Fall wäre aber das Konto sowieso nur zum privaten Gebrauch bestimmt und für diese Analyse irrelevant.
- Die Anzahl der Bots pro Konto wurde nicht untersucht. Alle Follower wurden als natürliche Personen betrachtet.
- Die jeweiligen Partei-Konten auf Instagram wurden ebenfalls ausser Acht gelassen, da der Beitrag sich nur auf Parlamentarier bezieht. Für eine vertiefte und genauere Analyse wären diese Konten sicherlich zwingend zu untersuchen.
- Die Internet Generationen der Parlamentarier orientieren sich an der Unterscheidung des Media Use Index (MUI) und setzen sich folgendermassen zusammen: Silversurfers (55-76 Jahre), Digital Immigrants (30-54), Digital Natives (14-29 Jahre).
Zahlen zu Instagram
Verlässliche Zahlen zu Instagram sind nicht einfach zu finden. Zwar veröffentlicht Instagram selbst immer wieder aktuelle Zahlen, doch werden diese nur in Form von offiziellen Statements ohne Quellen veröffentlicht. Dasselbe gilt auch für die Schweiz, wo es keine offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik gibt, sondern auf Erhebungen und Zahlen von Ernst & Young (EY) und des Media Use Index (MUI) zurückgegriffen wurde.
Angaben zur Autorin
Titel: Professionell oder peinlich? Schweizer Parlamentarier auf Instagram
Autorin: Eveline Würgler
E-Mail: eveline.würgler@uzh.ch
Matrikelnummer: 10-769-032
Abgabdetaum: 27.05.2018 im Rahmen des Forschungsseminars Politischer Datenjournalismus der Universität Zürich
Dozierende: Dr. B. Wüest, A. Kohler
Anzahl Wörter: 1.108
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