Im Visier des Terrorismus

Für einmal stehen die Opfer statt die Täter des Terrorismus im Vordergrund. Denn sie sind es, die die Auswirkungen des Terrors seit Jahren hautnah zu spüren bekommen. Oftmals handelt es sich dabei um zivile Opfer, die unverschuldet Leidtragende von Anschlägen werden.

Es ist von breitem Interesse, welche Menschen Opfer des Terrors in den letzten zwanzig Jahren (1994-2014) geworden sind. Dabei stellt sich schnell heraus, dass die Zivilbevölkerung im Vergleich zu offizielleren Zielen bereits sehr oft als Zielscheibe des Terrorismus hinhalten musste. Die Untersuchung vertieft sich im Anschluss deshalb mit einer Annäherung an die Beantwortung der Frage, ob das Ausmaß der Anschläge auf die zivilen Opfer ausschlaggebend für die „Angst vor dem Terror in Europa“ sein kann. Diese Angst ist real, wie einige Medienberichte jüngster Zeit zeigen, obwohl Zahlen faktisch eher für Deseskalierung sprechen. Im Anschluss wird der Blick geöffnet und ein globales Bild zum Terror an der Zivilgesellschaft gezeichnet. Abschließend liefert eine aufschlussreiche Grafik einen Grundriss zur zeitlichen Entwicklung des Terrors und dessen Opfer.

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Grundsätzlich zeigt sich, dass Terroristen meist die Polizei und das Militär als Opfer ihrer Anschläge wählten. 28% aller Anschläge weltweit und 25% aller Anschläge europaweit galten Polizei-, Marine-, oder Militär-Basen, -Patrouillen, -Angehörigen oder -Gefängnissen. Das weitaus erschreckendere ist, dass 24% aller Anschläge weltweit und 22% aller Anschläge europaweit der Zivilbevölkerung galten. Anschläge auf Regierungen und Firmen und ihre Vertretungen wurden in Europa verhältnismäßig viel verübt. Religiöse Institutionen und deren Vertreter waren weltweit häufiger das Ziel. Angriffe, welche die Zerstörung der Infrastruktur zur Folge haben, werden vermehrt weltweit, als in Europa durchgezogen. Dazu gehören etwa Anschläge auf Elektrizitätswerke oder auch Wasserversorgungsanlagen.

Die Entwicklung des Terrors

Eine Untersuchung vom Datenteam des Tagesanzeigers zeigt, dass es noch nie so viele Terroranschläge wie zur heutigen Zeit gab. Schlimmer noch: Die Zahl der Todesopfer durch den Terror stieg seit 2011 noch schneller als die Anzahl Anschläge an. Der Terror wird brutaler oder aber leider auch effizienter. Während der Terror im Nahost und im Maghreb stark angestiegen ist, sind die Zahlen in (West-) Europa rückläufig. Der Tagesanzeiger zeigt anhand von Beispielen, dass der Terror „anderswo“ stattfindet.

Nochmal: Die quantitative Entwicklung zeigt, dass der Terror weltweit grassiert und europaweit rückläufig ist. Die öffentliche Wahrnehmung der europäischen Bevölkerung zum Thema scheint jedoch in eine andere Richtung zu laufen. Dafür sind, unter anderem, die brutalen Anschläge in Paris und Brüssel verantwortlich. Häufig wird medial von einer „Angst vor dem Terror“ gesprochen. Auch in der Schweiz ist das Thema omnipräsent. So zeigt die Medienagenda der Forschungsstelle für Öffentlichkeit und Gesellschaft, dass das Terrorthema (oder eng verwandte Inhalte) seit Jahren zu der top-ten-Themenwahl der Schweizerischen Medien gehören.

Mögliche Erklärung für die Angst vor dem Terror

Trotz den rückläufigen Zahl von Anschlägen in Europa, wird in der letzten Grafik klar, dass sowohl welt- als auch europaweit die Zivilbevölkerung in den letzten 20 Jahren (1994- 2014) das zweithäufigstes Ziel von Terroristen war. Das dies zusätzlich Angst schürt und die öffentliche Wahrnehmung lenkt, ist anzunehmen.

Europa = ein sicherer Hafen?

Knapp 25% aller Anschläge gelten also weltweit der Zivilbevölkerung. Europa reiht sich nur unwesentlich darunter ein. Zwar sind Anschläge in Europa die letzten Jahre, wie gesagt, zurückgegangen; ebenso ist Europa „sicherer“ als die restliche Welt, jedoch ist die Zivilbevölkerung die Zielscheibe von jedem 4ten Anschlag: Sowohl welt- als auch (knapp) europaweit! Ob die Indizien zum Rückgang des europäischen Terrors oder die Tatsache das absolut und relativ zur Einwohnerzahl weniger Anschläge in Europa geschehen, für das „Bild des europäischen Terrors“ sorgen- oder aber der Fakt, dass man zu häufig selbst Opfer eines terroristischen Anschlags hätte werden können- ist wohl personenabhängig. Das Gefühl der Unsicherheit ist datenbasiert trotz allem nachvollziehbar- auch wenn das mögliche Gefühl der Sicherheit datentechnisch überwiegen könnte.

Alles ist relativ

Diese Frage behandelte etwa auch der deutsche Spiegel, der gar meinte, dass man den Statistiken glauben solle, die sich auf Opferzahlen des Terrorismus fokussieren. Demnach sei es (in Deutschland) um ein vielfaches wahrscheinlicher an einem verschluckten Kugelschreiber sein Leben zu lassen, als den Tod durch Terrorismus zu erleiden.

Was mit Zivilbevölkerung gemeint ist

Anschläge auf die Zivilbevölkerung beinhalten in dieser Analyse Angriffe in der Öffentlichkeit, sowie in Teilöffentlichkeiten. Als öffentlich gelten unter anderem Strassen, Einkaufszentren, Hotels, Bars, Restaurants und öffentliche Plätze. Weitere zivile Angriffspunkte sind Universitäten, Schulen oder private Anlässe wie Hochzeiten oder Beerdigungen. Angriffe, wie auf die Züge in Madrid (2004), oder die U-Bahn in London (2005) werden ebenfalls zu Zivilbevölkerung gezählt, ebenso wie die Anschläge auf Flughäfen und Flugzeuge.

 Wo die Zivilbevölkerung leidet

Diese Grafik veranschaulicht, in welchen Gebieten der Welt, im Verhältnis zu den Einwohnerzahlen, am häufigsten Anschläge auf die Zivilbevölkerung stattfanden. Als Beispiel eignet sich der Irak. Der Irak weist eine Rate von fast 95% auf. Dies bedeutet, dass pro 10000 Einwohnerinnen und Einwohner im Irak knapp 1 Anschlag auf die Zivilbevölkerung stattfand. Die Zivilbevölkerung litt -wenig erstaunlich- vor allem in kriegerisch gebeutelten Ländern wie Israel, Afghanistan, Lybien oder Somalia.

20 Jahre Terror

Die Entwicklung der terroristischen Anschläge auf die verschiedenen Opfergruppen zeigt zweierlei: Zum einen relativ deutlich den Anstieg von terroristischen Aktivitäten weltweit und europaweit ab 2011, zum anderen die Entwicklung der terroristischen Ziele. Waren vor 20 Jahren weltweit überwiegend Anschläge auf die Zivilbevölkerung getätigt worden, ist um die Jahrtausendwende eher eine Angleichung der Opfergruppen zu beobachten. Mitte der 2000er ist wiederum eine vermehrte zivile Zielscheibe zu erkennen, die ab 2011 von den militärischen und polizeilichen Anschlagsopfern abgelöst wird. Ähnliches kann man in Europa beobachten. Die politisch motivierten Unruhen in den 1970er und 1980er Jahren, verursacht zu einem grossen Teilen durch die IRA in Irland und Nordirland, sowie durch und ETA in Spanien, hatten heterogene Opfer zur Folge (siehe dazu z.B.: Die Zeit). Der neuere Terror jedoch zeigt sich zentrierter auf militärische und zivile Ziele.

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Anschläge statt Todesopfer

Die Fokussierung des Beitrages auf die Anzahl Anschläge, statt die Anzahl Todesopfer, lässt sich wie folgt begründen: Die Anzahl Todesopfer gäbe zwar ein zugespitzteres Bild des Terrors ab. Jedoch beinhaltet diese Stichzahl auch einen entscheidenden Nachteil: Anschlags-Varianten, wie zum Beispiel die Geiselnahme, würden nicht in die Analyse einfliessen, sofern diese nicht tödlich endeten. Somit gingen diejenigen Opfer verloren, welche nicht gestorben sind und diejenigen Anschläge unter, welche in Sachschaden resultierten. Eine Begrenzung des Terrors nur auf Todesopfer wird deshalb in dieser Untersuchung nicht angewendet. Auch Verletzte oder (körperlich) Unverletzte sind Opfer des Terrors, genau wie etwa bombardierte Militärbasen. Ob Individuen, Vereinigungen, Firmen oder Regierungen, sie alle mussten für terroristische Zwecke leiden.


Daten
Die Daten werden von der University of Maryland, USA, innerhalb des Projektes „Global Terrorism Database“ zur Verfügung gestellt.
Sie stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen: Medien- Artikel, elektronische Artikel, bereits existierende Datenquellen, Bücher, Journals und offizielle Dokumente. Die Daten werden aus einer Kombination aus automatisierter Abfrage und manueller Suche erhoben. Datenbanken mit Medien-Artikeln von über 160 Ländern (und 80 Sprachen) werden täglich nach Hinweisen zu terroristischen Anschlägen durchsucht und manuell, nach der automatisierten Übersetzung, auf Uniqueness gefiltert. Da die Quellenlage nicht immer sicher ist (weil zum Beispiel nicht unabhängig von terroristischen Gruppierungen) wird ein Anschlag erst dann in den Datensatz aufgenommen, wenn der Anschlag von mind. einer high-quality-Quelle bestätigt wurde. Diese wiederum kann zum Beispiel eine staatlich-unabhängige Tageszeitung sein. Den Daten liegt ein breit gefasster Terrorbegriff zu Grunde. Terroristische Anschläge sind „Aktivitäten von nicht-staatlichen Organisationen, die Gewalt androhen oder anwenden, um politische, ökonomische, religiöse oder soziale Ziele zu erreichen).

Global Terrorism Database. (https://www.start.umd.edu/gtd/ [20.05.2016]).

Literatur
Fleischhauer, Jan (2016): S.P.O.N.- der Schwarze Kanal: Der Kugelschreiberterror. Der Spiegel. 29.03.2016 (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/statistiken-helfen-gegen-terrorangst-kolumne-von-fleischhauer-a-1084424.html [20.05.2016]).

Forschungsstelle für Öffentlichkeit und Gesundheit, foeg. Medienagenda. (http://www.foeg.uzh.ch/de/analyse/medienagenda.html [20.05.2016]).

Malberger, Lara (2015): Selbst an Terror-Angst kann man sich gewöhnen. Die Zeit. 26.11.2015. (http://www.zeit.de/wissen/2015-11/terrorismus-angst-paris-anschlaege-borwin-bandelow [20.05.2016]).

Skinner, Barnaby und Lüthi, Ruedi (2015): Der Terror ist anderswo. Tagesanzeiger Datenblog. 08.12.2015. (https://www.google.ch/search?q=Datenblog+der+Terror+ist+anderswo&ie=utf-8&oe=utf-8&client=firefox-b&gfe_rd=cr&ei=NtQ-V6H4GqXC8gfUwpKgCQ [20.05.2016]).

Jacobsen, Lenz (2016): Terror in Zahlen. Die Zeit. 23.03.2016. (http://blog.zeit.de/teilchen/2016/03/23/terror-in-zahlen/ [20.05.2016]).


Autorin: Nicole Bosshard, nicole.bosshard@uzh.ch, s10714483
Veranstaltung: Forschungsseminar der Universität Zürich, Frühlingssemester 2016, Universität Zürich Dozierende: Prof. Dr. F. Gilardi, Dr. M. Hermann, Dr. B. Wüest
Wörter: 1085 (exkl. Titel, Lead, Daten, Quellen)
Abgabedatum: 22.05.2016

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