Die FDP wandelt sich zur klimafreundlichen Partei – nachhaltig oder populistisch?

Björn Von der Crone

Mit viel Publicity hat sich die FDP im Wahljahr 2019 zu einer umweltfreundlichen Partei erklärt. Twitterdaten zeigen, dass das Thema «Klima»im Wahlkampfein vielbeachtetes Thema war, eine nachhaltige Wende bleibt aber fraglich.

«Wir sind keine klimafeindliche Partei. Der nachhaltige Umgang mit den Ressourcen steht seit Jahrzehnten in unserem Parteiprogramm.» Mit diesem Statement bekennt sich die FDP-Präsidentin Petra Gössi in einem Interview mit dem Tagesanzeiger (2019) zur Klimapolitik. Nur gerade zwei Monate nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes im Parlament wurde dieses Gespräch veröffentlicht. Insbesondere die Ratslinke warf der freisinnigen Partei eine Verwässerung des Gesetzes vor, welches dadurch chancenlos blieb (Imboden 2018). Nun sollte das Interview einen Kurswechsel ankündigen: Um den Puls der Basis zu fühlen, plane die FDP eine Mitgliederbefragung und organisiere eine Delegiertenversammlung zum Klimathema. Die FDP soll einen grünen Anstrich bekommen. Dies alles in den Monaten vor den nationalen Wahlen.

Dieser Beitrag untersucht Twitterdaten der freisinnigen Partei aus dem Wahljahr 2019. Deutschschweizer Tweets von FDP-Zugehörigen werden in verschiedene Themen, unter anderem «Klima» oder «Wirtschaft» eingeordnet. Eingeteilt werden die Tweets aufgrund signalgebender Stichworte, welche in den Tweets vorkommen und zuvor dementsprechend kategorisiert wurden. Diese Kategorien werden untereinander und zwischen den Parteien verglichen.

Keine Überraschungen beim Parteienvergleich

Abbildung 1: Parteienvergleich zu verschiedenen Themen

Abbildung 1: Anteile der klassifizierten Tweets für die gewählten Themen pro Partei.

Ein Vergleich zwischen den grössten Parteien und deren Twitterverhalten zeigt keine grosse Überraschung (vgl. Abbildung 1). Bei der FDP hatte jeder dritte klassifizierte Tweet mit dem Klima zu tun. Damit bewegen sie sich im Vergleich zu ihrer bisherigen Politik in der zu erwartenden Region. Kaum überraschend setzen die Grünen im Verhältnis am meisten Tweets zum Klima ab. Hinter den Grünen reiht sich bereits die Grünliberale Partei ein, welche politisch der FDP um einiges nähersteht und ein direkter Konkurrent im Kampf um Wählerstimmen ist. Für Wähler mit liberalen Werten, welche den Fokus auf das Klima legen wollten, sind diese eine ernstzunehmende Alternative.

Im Verhältnis haben die konservativeren Parteien SVP und die CVP weniger Tweets über das Thema Klima veröffentlicht. Da insbesondere die SVP diesem eher kritisch gegenübersteht und das Co2-Gesetz ablehnte, ist dies wenig verwunderlich. Dennoch ist der Anteil an Klimatweets bei der FDP im Vergleich nur minimal grösser, während vor allem die Grünen darauf einen stärkeren Fokus gelegt haben. Gössis Botschaft, eine klimafreundliche Partei zu sein, wird hiermit nicht unterstützt.

FDP forciert Klima erst in zweiter Jahreshälfte  

Abbildung 2: Anzahl Tweets pro Woche zu verschiedenen Themen

Abbildung 2: Publizierte Tweets pro Woche von FDP-Kandidierenden unterteilt in verschiedene Themen. Die graugestrichelte Linie sind die Klima Tweets der Grünen Partei und dient als Referenz.

Die zweite Grafik zeigt den Verlauf der Tweets im kompletten Wahljahr 2019. Neben dem gleitenden Durchschnitt sind spezielle Zeitpunkte markiert, welche für die Neupositionierung der Partei wichtig waren: Das oben erwähnte Interview, die interne Mitgliederbefragung, die Delegiertenversammlung und die Wahlen selbst.

Auffallend sind besonders zwei der gewählten Zeitpunkte: Nach der Delegiertenversammlung und vor den Wahlen hat das Thema Klima sehr viel Aufschwung erhalten. Ausserhalb dieser Zeiträume gibt es keine signifikanten Unterschiede zu den restlichen Politikfeldern, welche als Vergleich hinzugezogen werden.

Besonders über gesellschaftliche Themen hat FDP lange ähnlich viel getwittert wie über das Klima. Ein forcierendes Thema dürfte der Frauenstreik gewesen sein, welcher Mitte Jahr stattfand. Wirtschaftliche Themen rückten wiederum erst kurz vor den Wahlen verstärkt in den Fokus der Freisinnigen.  

Im Vergleich zur FDP hat die Grüne Partei bereits früher mehr über das Klima getweetet. Fast während des gesamten Wahlkampfs hat sich die linke Partei klimainteressierter gezeigt. Einzig zum Zeitpunkt der Delegiertenversammlung der Positionswechsel beschlossen wurde, haben die Freisinnigen mehr über das Klima getweetet als die Grünen.

Eine weitere Auffälligkeit zeigt sich bei beiden Parteien nach den Wahlen. Direkt nach dem 20. Oktober sink die Anzahl abgesetzter Tweets zum Klima rapide. Für die klimainteressierten Akteure sollte diese Entwicklung ein Warnsignal sein, da das Thema dadurch weniger Aufmerksamkeit erhält.

Tweets sind inhaltlich wenig informativ

Abbildung 3: Häufigkeit verschiedener Stichworte

Abbildung 3: Wordcloud mit den meistgenutzten Stichwörtern der FDP-Tweets. Je grösser das Wort, desto häufiger ist es in den Tweets genutzt.

Die Inhaltsanalyse der freisinnigen Tweets unterstützt die bisherigen Ergebnisse. In Abbildung 3 sind die meist gebrauchten Wörter aufgelistet und nach Häufigkeit skaliert. Zwar sind Schlagwörter wie «CO2» oder «Klima» vorhanden, im Vergleich zu weiteren wichtigen Politikfeldern, wie die Wirtschaft (Stichwort Wirtschaft oder Geld), wurden sie aber nicht häufiger genutzt. Dominierend sind der Wahlkampfslogan der Partei und ähnliche Wahlkampfmotive wie «#Wahlch19». Im Fokus der Twitterer liegt also in erster Linie der Wahlkampf und weniger inhaltliche Werte. Dies gilt jedoch über alle Themenfelder hinweg.

Twitterdaten lassen an grüner FDP zweifeln

Twitter ist inzwischen eine nicht mehr wegzudenkende Plattform für den politischen Austausch geworden. Durch die Nutzung können verschiedene Meinungen publiziert werden oder aber, wie beispielsweise in den USA, Wahlen und politische Entscheidungen beeinflusst werden (Ott 2016). In der Schweiz werden wichtige Entscheide aber noch immer in der Debatte im Parlament gefällt und nicht auf Social Media. Trotzdem sind die Daten von den Twitteraccounts hilfreich, um einen Überblick der momentanen Situation zu schaffen. Diese Analyse tut genau dies mit der Klimapolitik der FDP. Die Botschaft Gössis eine umweltfreundliche Partei zu sein, hat den Wahlkampf eröffnet. Die untersuchten Twitterdaten lassen aber an dieser Aussage zweifeln.

Im Vergleich zu den restlichen Parteien ist zu sehen, dass die FDP nicht heraussticht, wenn es um das Thema «Klima» geht. Kaum überraschend sind es die Grünen, welche sich in einem Grossteil ihrer Tweets dem Thema widmen. Die FDP liegt dort, wo man sie erwartet – nach den linken Parteien und der GLP, aber vor den konservativeren Parteien. Vor allem die Delegiertenversammlung und der Wahltermin schienen innerhalb der Partei das Thema auf Twitter zu mobilisieren.

Zweifel an der Nachhaltigkeit der Kehrtwende der FDP bleiben auch nach den Wahlen bestehen. Die freisinnige Partei veröffentlicht nach dem 20. Oktober weit weniger Posts zum Thema als davor. Inhaltlich hat sich die Partei vor allem darauf beschränkt Wahlkampfslogans zu präsentieren. Der Fokus auf die politischen Themen, auch auf das Klima, blieb im Hintergrund.  

Für die Umwelt bleibt zu hoffen, dass sich diese Entwicklung vor allem auf Social Media beschränkt und sich die FDP im Parlament nach den Wahlen für eine fortschrittliche Umweltpolitik einsetzt. Noch finden die Entscheidungen in der Politik im Bundeshaus und nicht im Internet statt.

Literaturverzeichnis

Digital Democracy Lab (2020): Twitterdaten der politischen Akteure der Schweiz im Jahr 2019.

Foppa, Daniel und Häne, Stefan, Tagesanzeiger (2019): «Wir sind keine klimafeindliche Partei». (https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/das-hat-nichts-mit-taktik-zu-tun/story/18812057, [Stand: 11.6.2020]).

Imboden, Priscilla (2018): Der Auftakt zum «Klima-Wahljahr 19». (https://www.srf.ch/news/schweiz/nationalrat-bodigt-co2-gesetz-der-auftakt-zum-klima-wahljahr-19, [Stand: 13.6.2020]).

Ott, Brian, L. (2017): The age of Twitter: Donald J. Trump and the politics of debasement. Critical Studies in Media Communication 34(1), 59-68.

Valididät

Die Datengrundlage selber ist wenig problematisch. Durch den langen Untersuchungszeitraum und die hohe Anzahl Tweets, welche dadurch generiert werden ,sind Ausreiser oder fehlende Akteure keine Schwierigkeit. Ein Problem an der Analyse könnten die eigens erstellen Dictionaries darstellen. Einerseits ist es möglich, dass einzelne Indikatoren vergessen wurden. Hierfür habe ich manuell die Aufzählung der einzelnen Wörter durchgeschaut und Indikatoren für die einzelnen Themen notiert. Dieses Vorgehen sollte möglichst viele Stichwörter abdecken. Eine hundert prozentige Abdeckung kann aber nicht komplett garantiert werden, da der Kontext bei dieser Überprüfung fehlt, dennoch wurde so versucht möglichst viel abzudecken. Die zweite Fehlerquelle sind die sprachlichen Unterschiede. Um eine möglichst fehlerfreie Analyse zu bewerkstelligen wurden, bewusst nur deutsche Stichwörter verwendet. Dies weil vor allem im italienischen der Wortschatz fehlt, um einen kompletten Dictionary zu programmieren. Aus diesem Grund wurde bewusst auf eine kleinere Anzahl Tweets (Im Schnitt 4000 bis 5000 Tweets pro Partei) zurückgegriffen, welche aber besser ausgewertet werden konnten. Die aufgezeigten Ergebnisse sind gesamthaft als valide zu betrachten, da die getroffenen Massnahmen grobe Fehler verhindern sollten. Speziell bei den Vergleichen (vor allem zwischen den Parteien), spielt die Vollständigkeit der Dictionaries eine untergeordnete Rolle, da alle Parteien mit den gleichen Begriffen kategorisiert werden.

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