Wie der Umgang mit dem Coronavirus das Ansehen des Bundesrates verändert hat

Der Bundesrat ist seit dem Ausbruch des Coronavirus noch stärker als üblich der Öffentlichkeit ausgesetzt. Eine Analyse zeigt, wie sich das auf das Vertrauen der Bevölkerung ausgewirkt hat – und wie das Urteil über die Kommunikation ausfällt.

Jonathan Progin

Das offizielle Bundesratsfoto 2021: Die Landesregierung war im vergangenen Jahr stets unter Beobachtung (Bild: Markus Jegerlehner/Schweizerische Bundeskanzlei).

Am 16. März 2020 verkündete der Bundesrat den Lockdown. Läden mussten schliessen, Schulen sattelten auf digitale Lehre um und wer konnte, arbeitete im Homeoffice. Bis zum Sommer fielen die Corona-Fallzahlen. Im Herbst stieg die Kurve wieder deutlich an: An Spitzentagen wurden täglich bis zu achtmal mehr Neuinfektionen als im vergangenen Frühling verzeichnet. Doch diesmal verzichtete die Politik auf einen Lockdown. Stattdessen sollten es die Kantone richten.

Was folgte, war ein uneinheitliches Regelwerk zwischen den Regionen. Die Westschweiz verhängte den Lockdown; die Deutschschweiz wähnte sich mit weniger Massnahmen in Sicherheit. Dass die Eindämmung des Coronavirus Sache der Kantone sei, kam in der Bevölkerung nicht überall gut an. Es kristallisierte sich ein Nebeneffekt der Corona-Krise heraus: Die Autorität des Bundesrates begann zu bröckeln.

Das Vertrauen in den Bundesrat hat stark abgenommen

Eine Auswertung von Umfragedaten zwischen März und November zeigt nun, wie sich die Pandemie-Bekämpfung auf das Vertrauen der Bevölkerung in den Bundesrat und auf das Urteil über die behördliche Kommunikation ausgewirkt hat. Die Teilnehmer*innen der Umfrage gaben an, wie gross ihr Vertrauen in die politische Führung der Schweiz in Bezug auf die Bewältigung der Corona-Krise sei. In einer anderen Frage beurteilten die Befragten die Kommunikation durch Regierung und Verwaltung.

Zusätzlich gaben die Teilnehmer*innen an, in welchem Kanton sie wohnhaft sind. Mit diesen Informationen lassen sich nun die unten stehenden Karten erstellen.

Die folgende Abbildung zeigt das durchschnittliche Vertrauen in den Bundesrat vom 21. März bis zum 2. November 2020 für die Schweiz. Die Karten sind nach den Zeitperioden gegliedert, in denen die Umfragedaten erhoben wurden. Insgesamt wurden die Befragungen während mehrerer Tage in fünf Zeitperioden durchgeführt, wodurch Meinungsänderungen sichtbar werden. Aus diesem Grund sind fünf Schweizerkarten abgebildet. Personen, die in dunkelblau eingefärbten Kantonen wohnen, vertrauen dem Bundesrat mehr, als Personen in hellblau eingefärbten Kantonen.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Bevölkerung in der zweiten Corona-Welle weniger Vertrauen in den Bundesrat hatte als noch in der ersten Welle. Das zeigt die unterste hellblaue Karte, die die Werte von Ende Oktober bis Anfang November spiegelt. Besonders wenig Vertrauen hatten Tessiner*innen, Schwyzer*innen und Appenzeller*innen (Innerrhoden).

Ausserdem fällt die leichte Spaltung zwischen der lateinischen und deutschsprachigen Schweiz im März auf. Die erste Karte zeigt, dass zu Beginn des Lockdown die Romandie und das Tessin dem Bundesrat weniger vertrauten als die übrige Schweiz. Diese Spaltung hat sich allerdings aufgelöst. Im Juni brachten die Westschweizer*innen dem Bundesrat sogar mehr Vertrauen entgegen als die Deutschschweizer*innen.

Auch die Kommunikation der Behörden wird schlechter beurteilt

Nun folgt das Urteil über die Kommunikation: Die folgenden Karten zeigen das durchschnittliche Urteil über die Kommunikation durch Regierung und Verwaltung. Die fünf Karten sind wiederum nach den Zeitperioden gegliedert, in denen die Umfragedaten erhoben wurden. Personen in dunkelrot eingefärbten Kantonen beurteilen die Kommunikation besser als Personen in hellrot eingefärbten Kantonen.

Auch hier springt die letzte Karte ins Auge, die zeigt, dass die Bevölkerung der behördlichen Kommunikation im Herbst ein schlechteres Zeugnis ausstellte als im Frühling. Hotspots sind die Kantone Glarus und Schwyz, deren Einwohner*innen nicht gut auf die Kommunikation zu sprechen waren. Im Gegensatz dazu waren Tessiner*innen und die Romands milder in ihrem Urteil.

Interessanterweise lässt sich im Kommunikationsurteil ebenfalls eine anfängliche Divergenz zwischen den Sprachregionen feststellen. So bewerteten im März die West- und Südschweizer*innen die Kommunikation eher schlechter als Deutschschweizer*innen. Von April bis Juni kam die Kommunikation der Behörden gut bis sehr gut an.

Welche Schlüsse erlauben diese Daten?

Die anfängliche Spaltung zwischen den Sprachregionen kann an der geographischen Lage der Kantone liegen – die Tessiner*innen machten aufgrund ihrer Nähe zu Norditalien schon früh Erfahrungen mit dem Virus. Im Verlauf der ersten Welle rückten die Regionen zusammen. Doch die beinahe harmonische Stimmung kippte in der zweiten Welle, als die Werte für Vertrauen und für Kommunikation abnahmen. Woran das liegt, zeigen die Karten nicht. Ein möglicher Grund könnte sein, dass der Bundesrat im Gegensatz zum Frühling nicht die Zügel an sich riss.

Bemerkenswert ist, dass beide Werte im Herbst abnahmen. Daher stellt sich die Frage, ob das Vertrauen in den Bundesrat mit dem Urteil über die behördliche Kommunikation zusammenhängt – und ob dabei das Geschlecht, das Alter, das Bildungsniveau oder das Einkommen der Befragten eine Rolle spielen.

Dazu wurde eine weitere Analyse durchgeführt, die den möglichen Zusammenhang zwischen Vertrauen und Kommunikation aufzeigen kann. Die folgende Grafik bildet die Resultate dieser Analyse für die zweite Corona-Welle ab. Je grösser ein Wert ist, desto mehr Einfluss auf das Vertrauen in den Bundesrat hat dieser. Und je mehr Sterne den Wert begleiten, desto sicherer ist der Zusammenhang.

Klar ersichtlich ist, dass das Urteil über die Kommunikation mit 0.73 einen grossen Einfluss auf Vertrauen hat. Anders ausgedrückt: Wenn wir das Vertrauen in den Bundesrat (Skala von 1 bis 5) um 1 erhöhen, dann steigt das Urteil über die Kommunikation um 0.73 Skalenpunkte (Skala von 1 bis 5). Zudem ist dieser Wert hochsignifikant. Die drei Sterne bedeuten, dass die Wahrscheinlichkeit eines Irrtums bei diesem Wert unter 0.1 Prozent liegt. Im Gegensatz dazu scheint das Geschlecht keine Rolle zu spielen: Männer (-0.01) scheinen dem Bundesrat zwar äusserst knapp weniger zu vertrauen als Frauen, aber dieser sehr kleine Unterschied ist vernachlässigbar. Zusätzlich kommt hinzu, dass bei diesem Wert keine Sterne abgebildet sind, was auf keinen signifikanten Einfluss hinweist.

Auch das Alter der Befragten hat offenbar keinen Einfluss (-0.02 und 0.00) auf das Vertrauen. Der Einfluss ist hier zwar bei beiden Werten hochsignifikant, aber beträgt ohnehin null oder fast null. Der Wert «Alter quadriert» wurde für eine präzisere Analyse einbezogen, ändert aber nichts am Einfluss auf das Vertrauen. Beim Bildungsniveau und dem monatlichen Haushaltseinkommen sieht die Sache wieder anders aus: Personen mit einem höheren Bildungsniveau bringen dem Bundesrat mehr Vertrauen entgegen als diejenigen, die ein mittleres oder ein tiefes Bildungsniveau (nicht abgebildet) haben. Der mittlere Wert deutet aber auf keinen signifikanten Einfluss hin. Beim Haushaltseinkommen lässt sich generell festhalten, dass Personen mit einem höheren Einkommen dem Bundesrat mehr vertrauen als weniger gut verdienende. Bei beiden Werten sind drei Sterne abgebildet, was auf einen hochsignifikanten Effekt hinweist.

Der Vertrauensverlust und das schlechtere Kommunikationsurteil in der zweiten Corona-Welle kommen nicht von ungefähr: Die Werte weisen einen Zusammenhang auf; sie korrelieren positiv miteinander. Doch Korrelation bedeutet nicht Kausalität. Nur weil das Vertrauen in den Bundesrat und das Urteil über die behördliche Kommunikation zusammenhängen, heisst das nicht, dass das eine das andere verursacht. Trotzdem konnte die Analyse Tendenzen aufzeigen. In einer Krise sind Vertrauen und Kommunikation nicht voneinander zu trennen.

Daten und Methode
Die verwendeten Daten stammen aus dem Corona-Monitor von der Forschungsstelle sotomo und wurden im Forschungsseminar zur Verfügung gestellt. Die Grundgesamtheit der Befragung bildet die Wohnbevölkerung der Schweiz ab 15 Jahren. Die Daten für die Schweizerkarten (Kantonsgrenzen, usw.) stammen vom Bundesamt für Statistik (BFS) und sind frei zugänglich. Die Berechnungen und Erstellung der Karten und Grafiken wurden im Statistikprogramm R vorgenommen. Der Code kann hier eingesehen werden.

Zuerst wurde für die beiden Karten jeweils ein Datensatz erstellt, der die analysierten Variablen (Vertrauen, Kommunikation) und die Kantone beinhaltet. Um das Vertrauen in den Bundesrat und Kommunikationsurteil möglichst proportional wiederzugeben, wurde der gewichtete Mittelwert pro Kanton berechnet. Ausserdem wurden in beiden Karten Auslandschweizer*innen exkludiert, da sie vom Coronavirus in der Schweiz nicht direkt betroffen sind. Danach wurden die berechneten Werte auf die Karte übertragen und schliesslich visualisiert.

Für die Regressionsanalyse wurde in einem ersten Schritt ein Datensatz erstellt, der nur Daten aus der fünften Umfragewelle im Herbst und die zu untersuchenden Variablen (Vertrauen, Kommunikation, Einkommen, Bildung, Alter, Geschlecht) enthielt. Nach Bereinigung und Gewichtung der Daten konnten die Angaben von 30’495 Personen verwendet werden. Die Variablen für Einkommen und Bildung wurden in drei Kategorien (hoch, mittel, tief) unterteilt. Im nächsten Schritt wurde die Regression mit Gewichtung durchgeführt und die Resultate für Interessierte in dieser Tabelle zusammengefasst. Dort ist ersichtlich, dass beim Einkommen und bei der Bildung jeweils das tiefste Niveau als Referenzkategorie genommen wurde. Und beim Geschlecht wurden Personen, die ihr Geschlecht nicht angegeben haben, ebenfalls der Referenzkategorie zugeordnet. Ausserdem zeigt das Bestimmtheitsmass R-Quadrat einen Wert von 0.45 an. Das heisst, das etwa 45 Prozent des Vertrauens durch das Kommunikationsurteil «erklärt» werden kann. Zuletzt wurde dann die im Blogbeitrag abgebildete Grafik erstellt.

Der Zusammenhang zwischen Vertrauen und Kommunikation ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen, da besonders die zweite Frage zur Kommunikation («Wie beurteilen Sie die Kommunikation durch Regierung und Verwaltung?») nicht direkt den Bundesrat adressiert. Ausserdem wurde der Zusammenhang ausschliesslich für die zweite Corona-Welle im Herbst festgestellt. Um mehr über diesen Zusammenhang herauszufinden, würde sich eine Analyse über den gesamten Zeitraum der Umfrage eignen.

Informationen zum Blogbeitrag
Autor: Jonathan Progin, 16-703-209, jonathan.progin@uzh.ch
Modul: Vorbereitung zum Forschungsseminar Politischer Datenjournalismus
Dozierende: Fabrizio Gilardi, Bruno Wüest, Alexandra Kohler
Abgabedatum: 03.01.2021
Anzahl Worte: 1038
Selbständigkeitserklärung

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