Great Firewall of China: Protektionismus oder Informationszensur

Die Great Firewall of China blockiert viele Websites für die Bürger von China. Will China damit heikle Informationen vor Bürgern verbergen oder eigene Internetunternehmen fördern? Betrachtet man die Typen der blockierten Seiten, erscheint der Protektionismus eher als Nebenprodukt und die Informationszensur als Hauptmotiv.
Die interaktive Timeline fasst die wichtigsten Ereignisse der letzten Jahre bezüglich Internetzensur in China zusammen.

Mit der Great Firewall hat China ein mächtiges Mittel in der Hand, um das Internet im eigenen Land zu kontrollieren. Mit sogenanntem DNS-Poisoning (siehe Grafik) und IP-Blocking versperrt die Regierung den Bürgern den Zugang zu einer Vielzahl an ausländischen Seiten. Über das Motiv der Regierung wird häufig gestritten. Ist es blosse Zensur, um die Bürger vor regierungsfeindlichen Informationen zu schützen, oder übt sich China sogar im Protektionismus, um ausländische Firmen zu schwächen und eigene zu stärken? Der Frage, ob nun Regierungsschutz oder Protektionismus das Hauptmotiv ist, geht der folgende Blog nach.

Einfache Erklärung, wie die Firewall funktioniert (Eigene Darstellung).

Einfache Erklärung, wie die Firewall funktioniert (Eigene Darstellung).

Um die Frage zu beantworten, wurden 308 Homepages in 9 verschiedene Kategorien eingeteilt und geprüft, wie häufig sie blockiert sind. Dabei muss beachtet werden, dass die Firewall alles andere als starr ist. Manche Seiten sind an einigen Tagen frei zugänglich, an anderen Tagen komplett blockiert. Greatfire.org liefert uns nun Prozentangaben die aussagen, bei wievielen Tests die Seite in den letzten 90 Tagen blockiert war (siehe Infobox). Mit diesen Prozentangaben wurden 6 Kategorien gebildet: 0% (nie blockiert), bis 25%, bis 50% bis 75%, über 75% und 100% (immer blockiert).

Betroffene Kategorien

Die folgende Grafik zeigt, welche Kategorien die meisten Seiten haben, welche immer blockiert sind:

Anteil der Seiten aus Kategorien, welche in China immer blockiert sind

Die Kategorien Blogging Dienste, Pornografie, Suchmaschinen, soziale Netzwerke und Nachrichten haben den höchsten Anteil an immer blockierten Seiten. Bis auf pornografische Seiten, sind das alles Kategorien, die dem Nutzer die Möglichkeit bieten, entweder Informationen zu verbreiten oder zu suchen.

Folgende Grafik zeigt den Anteil an nie geblockten Seiten nach Kategorie:

Anteil der Seiten nach Kategorien, welche in China nie blockiert sind

Interessant ist, dass hier besonders die Kategorie E-Commerce kaum unter Zensur leidet, denn 34 der 38 Seiten wurden nie blockiert. Sogar internationale Grössen wie Amazon sind frei zugänglich und liefern nach eigenen Angaben sogar nach China. Dies ist überraschend, denn China hat mit der Alibaba Group selbst ein grosses Pferd im Rennen. Besonders hier würde Protektionismus eigentlich Sinn machen, denn chinesische Bürger wären dadurch gezwungen, nur inländische E-Commerce Anbieter zu verwenden. Auch die Kategorie Unterhaltung wird kaum angefasst, immer blockiert sind hier nur Youtube, DailyMotion und Soundcloud. Dies ist damit zu erklären, dass beispielsweise Youtube kein reines Unterhaltungsportal ist und auch informative Videos auffindbar sind. Bei Ereignissen aus der Timeline spielte Youtube häufig eine Rolle, da dort kritische Videos verbreitet wurden.

Unkontrollierbare Informationen

Wie in den beiden vorherigen Grafiken ersichtlich wurde, sind besonders Kategorien der Informationsverbreitung betroffen. Wie man auch in der Timeline sieht, scheint man sich besonders vor Ereignissen zu fürchten, die entweder durch User-generated content oder durch ausländische Nachrichten verbreitet werden. Solche Kateogieren werden nun genauer thematisiert.

User-generated content

User-generated content ist im Westen ein Zauberwort, denn der Nutzen einer Website entsteht dabei nicht durch den eigentlichen Seitenbetreiber, sondern durch die Aktiväten der Besucher. In China steht man dem eher kritisch gegenüber, wie man bei den folgenden zwei Kategorien sieht.

Blockierung von sozialen Netzwerken

Zentrale Sammelbecken für UGC sind natürlich die zahlreichen sozialen Netzwerke. Besonders diese leiden unter der chinesischen Zensur. Von den elf untersuchten sozialen Netzwerken wurden nur vier gar nicht blockiert, die beiden Grössten, Facebook und Twitter, sind sogar dauerhaft gesperrt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Über soziale Netzwerke lässt sich einfach kommunizieren, kritische Inhalte verbreiten und sogar Proteste planen. Ausländische Netzwerke haben dazu noch eine weitere Besonderheit: Sobald ein Inhalt gepostet wurde, liegt es in der Hand der ausländischen Administratoren, was damit passiert. China kann nachträglich also nichts mehr selber zensieren. Dass die grossen Netzwerke für chinesische Bürger nicht zugänglich sind, führt dazu, dass sie eher chinesische Netzwerke wie Sina Weibo benutzen, welche China wiederum direkt kontrollieren kann. Neben sozialen Netzwerken sind natürlich auch Blogs sehr geeignet, um eigene Inhalte zu verbreiten. Bekannte Gratisanbieter wie WordPress und Blogspot sind dauerhaft gesperrt, was das Erstellen von Blogs erschwert. Zusätzlich haben Blogs solcher Dienste häufig auch den Anbieter in der URL (z.B beispiel.blogspot.com), zumindest in der Gratisversion. Durch das Blockieren der URL können die Bürger also nicht nur keine Blogs erstellen, sondern auch keine mehr lesen.

Nachrichten

Die folgende Grafik zeigt den Anteil der Homepages nach Blockierungsstatus für die Kategorie Nachrichten:

Blockierung von Nachrichtenportalen

Bei den Nachrichtenportalen sind zwar 31 der 51 Seiten nie blockiert, trotzdem sind acht Portale nie erreichbar. Darunter befinden sich Grössen wie die New York Times, das Wall Street Journal und Le Monde. Wie das Beispiel der New York Times aus der Timeline zeigt, erfolgt die Blockierung häufig als Reaktion auf einen kritischen Artikel. Dieses reaktionäre Blockieren führt dazu, dass kritische Informationen sich schlechter unter den chinesischen Bürgern ausbreiten können.

Obwohl die untersuchten Informationen eher für Informationszensur sprechen, darf der Protektionismus hier nicht vergessen werden. Die chinesischen Internetunternehmen gewinnen eine gewaltige Kundenbasis, weil die Bürger gezwungen sind, chinesische Netzwerke, Blogs und Suchmaschinen zu benutzen. Der Protektionismus erscheint aber eher ein Nebeneffekt zu sein, besonders wenn man bedenkt, dass es viele weitere Formen der Zensur gibt.

Weitere Formen der Zensur

Das blosse Blockieren von Seiten ist natürlich nur ein kleiner Teil der Internetzensur, denn die Zensoren haben weitere technische Hilfsmittel im Repertoire. Neben Repressionsmittel wie im Fall Cheng Jianping (siehe Timeline), werden besonders die chinesischen sozialen Netzwerke stark kontrolliert und zensiert. Dies geschieht durch automatische Filter, aber auch durch manuelle Bearbeitung oder Löschung von einzelnen Beiträgen. In einer Studie von Gary King et al. (2013) geht hervor, dass bei diesen Netzwerken besonders Beiträge zensiert werden, die eine Mobilisierung hervorrufen könnten, während allgemeine negative Beiträge über Politiker mehr geduldet sind. Auch vor den chinesischen Suchmaschinen wie Baidu wird kein Halt gemacht, denn bestimmte Suchanfragen sind dort nicht möglich.

Fazit

China hat in erster Linie ein Problem mit User-generated Content, besonders im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken und Blogs. Die Zensur nimmt dort zwei Formen an: Ausländische Dienste, deren Inhalt nicht direkt kontrolliert werden kann, werden gesperrt. Chinesische Dienste wie Weibo werden rigoros und systematisch zensiert, wie die Studie von King uns zeigt. Auch Nachrichtenportale, welche in Vergangenheit regierungsfeindliche Informationen verbreiteten, kommen unter den Zensurhammer. Chinas Internetzensur ist also in erster Linie ein Mittel, um Informationen in kontrollierbaren Kanälen zu halten. Nicht nur die betroffenen Kategorien sprechen für diese These, sondern auch die Tatsache, dass die Blockade nur ein kleiner Teil der Zensur ist. Protektionismus und der Profit eigener Firmen scheint eher eine (willkommene) Folge zu sein, aber nicht das Hauptmotiv.

Infobox: Methoden und Datensatz
Sämtliche Daten stammen von Greatfire.org. Davon wurden die ersten 500 Seiten aus dem Alexa-Datensatz genommen. Von jeder Domain wurde nur eine Länderversion verwendet, ausser wenn sich das Angebot grundsätzlich unterschied (Beispiel: Von den Google-Suchmaschinen wurde nur google.com und nicht google.de, google.ch, etc. untersucht). Ausserdem wurden chinesische Seiten ebenfalls entfernt. Die Prozentangabe entspricht dem Anteil der Tests während den letzten 90 Tagen, bei denen die Seite nicht erreichbar war (Beispiel: Eine Seite mit dem Wert 20% war nur bei einem Fünftel der Tests erreichbar). Die Anzahl der Tests während der letzten 90 Tage kann sich je nach Seite unterscheiden.
Die Seiten wurden nach eigenen Ermessen in die Kategorien Blogging Dienste, Dienstleistungen, E-Commerce, Unterhaltung, Nachrichten, Pornografie, Suchmaschinen und Verschiedene eingeteilt.

Autor: Mario Egloff | 09-722-869 | egloff.mario@gmail.com
Für: Seminar Policy-Analyse: Politischer Datenjournalismus (Frühlingssemester 2015)
Dozenten: Dr. Sarah Bütikofer, Prof. Dr. Fabrizio Gilardi, Dr. Michael Hermann und Dr. des. Bruno Wueest.
Abgabedatum: 17.05.2015
Wörter: 1013 (exkl. Lead, Infobox, Timeline)

Literatur:
King, Gary, Jennifer Pan, und Margaret E. Roberts (2013): How Censorship in China Allows Government Criticism but Silences Collective Expression. American Political Science Review 107 (2), 1-18.

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